Freitag, 19. Dezember 2008

Manipulative ORF-Berichterstattung zu israelischem Luftangriff

Was beim Ansehen der TV-Nachrichten des ORF (ZIB, 19.30h) und ARTE (Arte-Info, 19.45) am 18. Dezember 2008 in der Berichterstattung über die Beendigung der 6-monatigen Waffenruhe von palästinensischer Seite auffällt: ein absoluter Gegensatz. Während der ORF von einem israelischen Luftangriff spricht und dies mit der Beendigung der Waffenruhe der Hamas in missverständlichen Zusammenhang bringt, liefert ARTE die zum richtigen Verständnis notwendigen Hintergrundinformationen mit, die da wären: seit zwei Tagen fliegen Raketen aus Gaza auf Israel. Der Luftangriff erfolgte danach.

So beruft sich der ORF in seinem in der Meldungsübersicht kompakt verpackten Beitrag offenbar bloß auf Angaben einer Seite, nämlich der "radikalislamischen Hamas". Denn diese wird offenbar zitiert, als der Grund für das Ende der 6-monatigen Waffenruhe mit Israel genannt wird: Israel habe vergangene Nacht "Bombenangriffe gegen Einrichtungen in Gaza geflogen". Zu sehen ist ein zerstörtes Haus bzw. ein Bombenkrater.

Nunja, über die Aufkündigung der Waffenruhe vonseiten der Hamas wurde in den letzten Tagen schon wiederholt berichtet. Als Begründung wurde hierbei immer genannt, dass die Hamas den vor 6 Monaten in Kraft getretenen Waffenstillstand als auf 6 Monate befristet ansieht. Der ORF nennt nun allerdings einen Bombenangriff Israels als Grund für das Ende der "6-monatigen Waffenruhe" - als ob der gestrige Angriff, sofern er denn statt gefunden hat (siehe nächster Absatz) - Schuld für das Ende des Waffenstillstandes tragen würde.

Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei Betrachten von ARTE-Info, nur wenige Minuten später auf ARTE. Dort beginnt der Beitrag mit Bildern von startenden Raketen und israelischen Polizisten an einem offenbar getroffenen Ort. Eingeleitet wird der Beitrag mit "Neuer Gewaltausbruch zwischen Israel und Palästinenser. Den zweiten Tag in Folge schossen radikale Palästinenser aus dem Gaza-Streifen Raketen auf israelisches Gebiet". - Wie bitte? Den zweiten Tag in Folge? Palästinenser schießen auf Israel? Vor Ablauf ihrer eigenen Waffenruhe-Frist? - Keine Rede davon im ORF! Dort flog lediglich Israel einen Luftangriff auf Gaza, kein Wort von palästinensischem Raketenbeschuss, der diesem Luftangriff vorher ging! Ganz im Gegenteil. Der israelische Luftangriff wird sogar als Begründung für die Beendigung der Waffenruhe von palästinensischer Seite bezeichnet!

Aber es geht noch weiter, man kommt als ZIB-Seher aus dem Staunen nicht mehr heraus, ARTE weiß noch mehr! Bei den Angriffen der Palästinenser wurden 2 Israelis verletzt, beim Gegenschlag der israelischen Luftwaffe ein Palästinenser getötet.

Nun stellt sich natürlich die Frage: Wie kann es sein, dass der ORF einen derart unseriösen, bis zur Verfälschung und Verdrehung der Tatsachen unvollständigen Bericht bringen kann, während ARTE es schafft, beide Seiten zu betrachten und sogar noch eine Chronologie hineinzubringen. Hat denn der ORF keinen Korrespondenten in Tel Aviv? Und abgesehen davon: ist es dem ORF nicht möglich an Quellen zu den aktuellen Ereignissen in Israel und dem Gaza-Streifen heranzukommen? Oder gibt es dort nur französische Journalisten, die nur französisch sprechen, und die der ORF nicht verstehen kann?

Also ich will da gar nicht groß weiter spekulieren, es ist einfach nur unglaublich, dass man innerhalb von 15 Minuten auf zwei verschiedenen öffentlich-rechtlichen Sendern um 180 ° verdrehte Meldungen zum selben Ereignis erfahren kann, wobei die Glaubwürdigkeit aufgrund der detaillierten und umfangreicheren Berichterstattung (obwohl sie ebenso in einer Meldungsübersicht verpackt war) um einiges mehr bei ARTE Info liegt.

Kein Wunder dass einem als Österreicher der Israel-Palästina-Konflikt nur zum Hals raushängen kann, wenn man in der meistgesehenen Nachrichtensendung derart mies informiert wird. Dass dies durch andere Medien kaum kompensiert werden könnte, wird einem sofort klar, wenn man weiß, welche die meistgelesene Zeitung des Landes ist.

Dennoch: Eine mangelnde Israel-Sensibilität, die in diesem Beispiel sogar als Israel-Feindlichkeit ausgelegt werden könnte (Israel wird die Rolle des Aggressors, des Friedensbrechers zugeschoben, ohne Erwähnung vorhergehender palästinensischer Angriffe), hätte ich mir im ORF, der für sein gut ausgebautes Korrespondenten-Netzwerk bekannt ist, das auch Israel miteinschließt, nicht gedacht. Ich bin zutiefst erschüttert und enttäuscht!

Was in der Medienberichterstattung auf der Strecke bleibt


Maritimer Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien. Slowenien, das über nur wenige Kilometer Küste zum Mittelmeer (Adria) verfügt, dort aber einen (umso wichtigeren) Hafen (Koper) betreibt, beansprucht einen größeren Teil der Bucht von Piran sowie einen freien Zugang zu internationalem Gewässer. Kroatien blockiert sein Jahren; die aus der Zeit Jugoslawiens stammenden, einst unbedeutenden inländischen Seegrenzen, würden durch einen baldigen EU-Beitritt Kroatiens quasi festzementiert. Slowenien hat daher, nicht zuletzt im Interesse der EU, die Konflikte zwischen Mitgliedsländern sicher nicht importieren will, Veto gegen die Fortführung der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien eingelegt - und wird dafür von Kroatien, aber auch (österreichischen) Medien heftig kritisiert.

Konkret beziehe ich mich auf die Zeit im Bild (ORF 2, 19.30h, 18.12.2008): Dort wird der Beitrag über den slowenisch-kroatischen Grenzstreit eingeleitet mit den Worten "Kroatien spricht von Erpressung, die EU-Kommission ist verärgert"; auch der weitere Bericht stellt die ganze Causa als "strategisch wohl überlegt" dar und suggeriert, dass Slowenien eigentlich nur Ärger wolle und Kroatien unschuldiges Opfer einer slowenischen Intrige ist. Relativierende Aussagen, wie die Bedeutung (wirtschaftlich, psychologisch) eines freien Zugangs zur offenen See für Slowenien, sind nicht zu hören.

Auch ARTE-Info, zum Teil auch auf den Standard, der die Causa mit "EU-Beitritt: Slowenien blockiert Kroatien" betitelte, sprechen/schreiben in erster Linie von der Verzögerung der EU-Beitrittsverhandlungen, der Kroatien dadurch entsteht, und der Empörung über Slowenien von Seiten Kroatiens, der EU-Kommission und Verbündeter Kroatiens, wie etwa Österreich, dessen neuer Außenminister Spindelegger Worte des tiefen Bedauerns für diese Verzögerungen findet, aber offenbar kein Verständnis für Slowenien.

Tenor der Medien ist, sofern ich deren Berichterstattung mitverfolgen konnte (ORF, ARTE, zum Teil Der Standard), dass es eine Unart Sloweniens sei, sein Veto-Recht aufgrund von Streitigkeiten mit Kroatien auf EU-Ebene als Druckmittel einzusetzen. Der Kern des Problems, dass Slowenien zwar eine Küste und einen internationalen Hafen hat, aber keinen Zugang zu freiem, internationalem Gewässer, wird als Randerscheinung behandelt. Schiffe, die also den slowenischen Hafen von Koper ansteuern, müssen Gebühren für die Durchquerung von wahlweise kroatischem oder italienischem Hoheitsgewässer berappen. Denn in der Adria grenzt Kroatien direkt an Italien - Slowenien wird dabei übergangen. Der Hafen ist maritim gesehen somit eine Enklave. Die See-Grenzen sind in der Zeit Jugoslawiens begründet, als sie lediglich inländische, unbedeutende Verwaltungsgrenzen darstellten.

Slowenien fordert daher zurecht einen Verbindungskorridor zwischen seinem Hoheitsgebiet und dem internationalen Gewässer. Kroatien - mit eigenen Häfen natürlich in Konkurrenz zu Slowenien - dessen Hoheitsgebiet zur See einem solchen wenige Kilometer langen und schmalen Korridor weichen müsste, verhindert dies seit Jahren und offenbar scheint es kein Interesse daran zu haben, daran etwas zu ändern. Slowenien bleibt also nichts anderes über, als der Causa auf EU-Ebene neues Gewicht zu verleihen, um die Absurdität des kroatischen Blockade-Spiels aufzuzeigen. Dass Slowenien auch noch einen größeren Teil der Bucht von Piran fordert wird wohl kaum der Punkt des Scheiterns sein. Vermutlich dient diese Forderung lediglich, um Kroatien Verhandlungsspielraum zu gewähren, sodass Kroatien im Falle einer Lösung bezüglich dem internationalen Korridor zumindest einen Erfolg bei den Hoheitsansprüchen auf die Bucht von Piran vorweisen könnte.

Dass Österreich in diesem Streit wieder ein Mal deutlich für Kroatien Partei ergreift, ist ein falsches Zeichen. Kroatien ist zwar das größere und wirtschaftlich für österreichische Unternehmen bedeutsamere Land, aber der slowenische Hafen Koper hat für international agierende österreichische Unternehmen ebenso große Bedeutung. Eine diplomatischere Vorgangsweise würde dem neuen Außenminister Spindelegger in dieser Causa gut anstehen. Wobei betreffend Diplomatie gerade die Vorgängerin, die langjährig erfahrene Plassnik, um nichts rücksichtsvoller war. Ganz auf Linie der ÖVP machte sie sich scheinbar bedingungslos für eine rasche Aufnahme Kroatiens in die EU stark.
 
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