Donnerstag, 1. Oktober 2009

Österreichische Exekutive in der Krise

Wie bereits im vorigen Posting relativ deutlich zum Vorschein gekommen, zeigt auch dieser Fall die Rückständigkeit des österreichischen Rechtsstaates. Weisungsgebunden wie ein Staatsanwalt nun mal gegenüber dem vorgesetzten Innenminister ist, gab es im Zuge der 2008 veröffentlichten Emails des ehemaligen Innenministers Ernst Strasser, die Vorwürfe wegen Amtsmissbrauch zur Folge hatten, keine Ermittlungen. Jedenfalls nicht gegen den ehemaligen Innenminister, sehr wohl jedoch gegen unbekannte "Täter", die die vertraulichen Emails veröffentlichten.

Nun ist es natürlich so, dass vertraulicher Briefverkehr nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Aber die Veröffentlichung findet seine Rechtfertigung und Notwendigkeit eben in den Umständen des österreichischen Rechtsstaates: Wäre der Briefverkehr nicht veröffentlicht worden, hätte es nicht nur keine Ermittlungen gegeben, sondern auch die Öffentlichkeit wäre von diesem Missstand nie in Kenntnis gesetzt worden. Wie schon in vielen Fällen zuvor, etwa die "Affäre Kleindienst". Zur Erinnerung: Josef Kleindienst, einst FPÖ-Gewerkschafter, brach um die Jahrtausendwende mit der FPÖ und veröffentlichte Bücher. "Darin", so Die Presse, ist von FP-Politikern auf Fact-Finding-Mission im Bordell zu lesen. Oder von FP-Politikern, die sich illegal Informationen aus dem Polizei-Computer besorgen. Die ,Spitzel-Affäre' sorgte monatelang für Wirbel und endete damit, dass der ,Aufdecker' selber vor Gericht stand - und [nachdem er in erster Instanz schuldig gesprochen und zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde, Anmk.] freigesprochen wurde." (Die Presse, gh, Printausgabe vom 14. Juni 2007; online (abgerufen am 1. Oktober 2009))

Jedenfalls verjährten im Falle Kleindienst alle brisanten Vorwürfe gegen prominente Politiker, bevor sich die Staatsanwaltschaft damit beschäftigte. Selbes Muster auch heute: Jene Vorwürfe gegen Ernst Strasser, denen die Staatsanwaltschaft hätte nachgehen sollen, sind mittlerweile verjährt. Die Anzeigen wegen Amtsmissbrauch (gegen Strasser) und gegen die unbekannten "Aufdecker" gingen zeitgleich 2008 ein. Die Ermittlungen gegen die "Verräter" (so musste es von außen wohl wahrgenommen werden) wurden sofort eingeleitet, die Anzeige gegen Strasser soll angeblich, so der Staatsanwalt (laut orf.at am 1. Oktober 2009) "übersehen" worden sein. Die Verjährungsfrist bei Amtsmissbrauch: lächerliche fünf Jahre! Die Legislaturperiode einer Regierung: fünf Jahre!

Hat der Rechtsstaat noch irgendeine Chance, gegen Amtsmissbrauch vorzugehen, oder haben österreichische Regierungsangehörige nun auf Lebenszeit wegen vergangenen Amtsmissbräuchen nichts zu befürchten? Wie wärs mit einer Verlängerung der Verjährungsfrist oder mit einer Ausgliederung jener Stellen aus dem Innenministerium, die bei Vorwürfen wegen Amtsmissbrauches oder bei Vorwürfen gegen Exekutivbeamte zu ermitteln haben? Denn dass Ermittler bzw. Staatsanwälte aus dem Innenministerium, die dem Innenminister weisungsgebunden sind, nicht "gerne" gegen den Innenminister oder "Kollegen" ermitteln, sondern entsprechende Anzeigen lieber "übersehen" und einfach verjähren lassen, hat sich in der Vergangenheit oft genug gezeigt, zeigt sich auch in der Gegenwart und scheint überhaupt zur Praxis beim Umgang mit Anzeigen gegen Angehörige der Exekutive geworden zu sein.
 
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