Dienstag, 22. Mai 2012

Café Rosa in Wien besetzt

Am Montag, den 21. Mai 2012, wurde gegen Mittag das Café Rosa in der Währinger Straße 18 besetzt. Ein Kommuniqué wurde auf Indymedia und der Café Rosa-Webseite veröffentlicht. Der reguläre Betrieb war aufgrund finanzieller Probleme bereits vor einigen Wochen ausgesetzt worden, während ein Verein aus motivierten Studierenden das Lokal dann eine Weile ehrenamtlich weiter betrieb. Da die ÖH (der Uni Wien) mit dem Beschluss, das Lokal in Zukunft kommerziell zu verpachten, ihre Ideale und alternativen Ansprüche  aufgegeben hat, wollte auch der Verein nicht mehr weitermachen.

Eine Gruppe Studierender und nicht systemkonformer Jugendlicher - die Wiener Zeitung nennt sie "Studenten, Punks und Hippies" - ergriff daraufhin die Initiative und besetzte kurzerhand das Café.  Ziel ist es, das kapitalistischen Sachzwängen geopferte Konzept eines selbstverwalteten Studi-Lokals, für welches in der ÖH rund zehn Jahre mühsam gekämpft worden war, nicht nur wieder zu beleben, sondern auch auszubauen. Der Gegenbeweis zur These der ÖH, dass ein autonomes Studi-Beisl in der Praxis nicht realisierbar sei, soll nun angetreten werden. Dass ausgerechnet eine sich selbst als "links" definierende ÖH dieses Langzeitprojekt, für das sich über ÖH-Generationen viele Personen stark gemacht haben, zu Grabe trägt und den Betrieb an einen "befreundeten" Wirt verpachten will, brachte den Geduldsfaden der Studierenden endgültig zum reißen. Viele fühlen sich von ihren gewählten Vertretern belogen und betrogen, wie eine Besetzerin im Radio Orange-Interview erklärt. 


Kurzer Rückblick - Medienkampagne, "Pleite", "Privatisierung"

Im Mai 2011 gründete die linke Koalition der ÖH Uni Wien (VSStÖ, GRAS, KSV lili) das Café Rosa. In den letzten Monaten lancierte die Opposition (insbesondere Aktionsgemeinschaft (AG) und Ring Freiheitlicher Studenten (RFS)) eine einseitige Berichterstattung in den Medien, allen voran die Gratis- und Boulevardzeitungen Heute, Österreich und Krone. Das Café-Projekt sah sich nun einer massiven und untergriffigen Hetzkampagne ausgesetzt. So wurde erfolgreich der Eindruck vermittelt, eine halbe Million Euro aus ÖH-Beiträgen sei vollständig "in den Sand gesetzt worden". In Wahrheit sind die Investitionen freilich nicht verloren. Der tatsächliche Verlust für die ÖH beträgt das, was der laufende Geschäftsbetrieb über einige Monate nicht erwirtschaften konnte - also deutlich weniger. Bei rund 90.000 ÖH-Beiträge zahlenden Studierenden keine Katastrophe, wenn auch alles andere als erfreulich.

Etwa zwei Wochen lang war das Café Rosa nun fast durchgehend geschlossen und wurde nur noch zu zwei Anlässen vorübergehend geöffnet. Grund ist, dass aufgrund des defizitären laufenden Betriebs (die Miete beträgt nach uneinheitlichen Angaben etwa 3.000 bis 3.500 Euro, mit Betriebskosten kommt es auf 5.000 € im Monat) Weil die Lizenz zum Betrieb einer Küche und eines Schanigartens wider Erwartens nicht erteilt wurde, war das Erreichen eines ausgeglichenen Geschäftsbetriebs bei fairer Bezahlung des Personals und fairen Preisen für KonsumentInnen unmöglich. Daraufhin zog die ÖH die Notbremse und kündigte dem Personal. Jedoch ein eigens gegründeter Verein war, im Irrglauben, dabei von der ÖH unterstützt zu werden, motiviert, das ganze auf ehrenamtlicher Basis fortzuführen.

Die Ernüchterung folgte aber bald, als die ÖH Uni Wien mehrheitlich beschloss, den Barbetrieb an ein (noch auszuschreibendes) Unternehmen auszulagern, während die "inhaltliche Arbeit" kostenlos, quasi parallel zum kommerziellen Schankbetrieb, weitergeführt werden sollen. Nun schmiss auch der Verein das Handtuch. Vom ursprünglichen Konzept eines autonomen, nicht kommerziellen und selbstverwalteten "Studi-Beisls" ist der neue Plan der ÖH noch viel weiter entfernt, als es der reguläre Geschäftsbetrieb vor der "Quasi-Pleite" schon war. Selbstausbeutung, während alle Einnahmen einem Privatunternehmer zugute kommen, wäre wohl so ziemlich das Gegenteil davon.

Besetzung

Die Besetzung des geschlossenen Lokals lief zunächst reibungslos ab, die Räume konnten ohne Gewaltanwendung betreten werden. Die Zugangsdaten zur Webseite http://www.cafe-rosa.at sowie zum Twitter-Account waren praktischerweise auf dem Desktop des Computers im Lokal zu finden. Keine böse Absichten verfolgend wurden die Passwörter nicht geändert, sodass die ÖH am späten Nachmittag die Kontrolle über beide Kanäle zurückgewonnen  und die gesamte Webseite ersatzlos offline genommen hatte. Über Twitter wurde eine ÖH-Presseaussendung verbreitet. Währenddessen werden im Hintergrund ÖH-Fraktions-Grabenkämpfe weitergeführt. Das Niveau kann getrost als unterirdisch und einer Universität als unwürdig bezeichnet werden (vgl. auch Presseaussendungen...).

Nachdem die Besetzer das Durcheinenander, welches sie vorgefunden hatten, aufgeräumt  und die VolxköchInnen ihren Betrieb aufgenommen haben, strömten gegen Abend immer mehr Menschen in das Lokal. Über Hundert waren es zu den Spitzenzeiten. Ein Riesentopf Karotten-Kartoffel-Curry-Gulasch (so in der Art) sorgte für den kulinarischen Höhepunkt - der Barbetrieb wurde gegen freie Spenden fortgeführt. Die Getränkelager waren nur teilweise gefüllt, am späten Abend ließ man auf eigene Rechnung für den nötigen Vorrat an Club Mate, Mate Cola und Wostok sorgen. Sämtliche Spenden kommen dem antkapitalistischen Erhalt des Café Rosa zu Gute. Letztendlich ging das Bier aus. Dies war aber aufgrund der hitzigen Diskussionen zwischen allen vorhandenen Fronten im Plenum ohnehin im Interesse der BesetzerInnen. Sämtliche anderen Alkoholika wurden im Lager eingeschlossen, eine Party sollte, das wurde bereits vorab beschlossen, keinesfalls stattfinden. Vor allem nicht an diesem ersten, heiklen Abend.

Unkommerzieller Betrieb auf freier Spendenbasis? "Wohl noch nicht im richtigen Leben angekommen, oder?"

So und so ähnlich lauteten viele Kommentare in LeserInnen-Foren von Online-Medien. Daher soll kurz auf die Praxistauglichkeit des Konzepts eingegangen werden: Das Spendenaufkommen am ersten Tag war überaus erfreulich und übertraf selbst die positivsten Erwartungen (genaue Zahlen sollen keine genannt werden) - und das, obwohl ab etwa 20 Uhr kein Alkohol mehr ausgeschenkt wurde. Jedenfalls scheint die Durchführbarkeit eines unkommerziellen Betriebs auf Basis freier Spenden nach diesem Abend noch viel realistischer als aus bisherigen Erfahrungen (z.B. im Epizentrum und manch anderen gut besuchten und gut geführten autonomen Räumen in Wien) ohnehin angenommen worden war. Das Epizentrum, das vergleichsweise teures Bier ausschenkte, erwirtschaftete an zwei bis drei Tagen mit abendlichem Barbetrieb nur durch freie Spenden im Schnitt 400€ Überschuss pro Woche - und das, obwohl das Publikum überwiegend aus wenig zahlungskräftigen Schichten stammte. Beim Café Rosa in der Währinger Straße ist bei gut organisiertem Programm sicherlich von höheren Überschüssen auszugehen - das zeigte bereits der gestrige Tag.



Das erste Plenum

Im ersten Plenum, das aufgrund ganztägiger Interventionen von zahlreichen ÖH- und Vereins-Mitgliedern mit über zwei Stunden Verspätung begann, endete in einer emotional geführten Endlosdiskussion über die Verantwortung über das Lokal und wer für etwaige Schäden (bis jetzt: keine) aufzukommen habe. Ohne weiter ins Detail zu gehen - es laufen derzeit intensive Gespräche und Rechtsberatungen - war an diesem Abend kaum an inhaltliche Diskussionen und Programmgestaltung zu denken. Aus diesem Grund wurde von den BesetzerInnen beschlossen, das Lokal heute Dienstag widerwillig erst am Abend für alle zu öffnen, um zumindest ein paar Stunden Zeit zu haben, intern und in entspannter Atmosphäre über Organisatorisches, Rechtliches, Programm, Konzepte, Ziele und ihre Umsetzbarkeit zu diskutieren.

Ab 16 Uhr soll für ein Arbeitsgruppen-Treffen geöffnet werden - ein chaotisches Plenum, das sich stundenlang im Kreis dreht und von ÖH-Mitgliedern zur Selbstinszenierung und Sabotage der Gesprächsbasis durch haarsträubende Behauptungen missbraucht wird, soll auf jeden Fall vermieden werden. Zielgerichtete Diskussionen in kleineren Gruppen sollen im Vordergrund stehen. Die für 20 Uhr angekündigte Diskussion über soziale Kämpfe in Griechenland, möglicherweise auch mit Filmvorführung(en), soll wie geplant stattfinden. An weiteren Programmpunkten für die nächsten Tage wird bereits gearbeitet. Mehrere Diskussionsveranstaltungen, welche von Gruppen, die gestern zur Besetzung dazustießen, vorgeschlagen wurden (etwa zur Blockupy Frankfurt letzte Woche und der Solila-Landbesetzung in Floridsdorf, aber auch zur Kindergartenfrage am ÖH-Campus), stehen kurz vor der Umsetzung. Derzeit stehen den BefreierInnen jedoch keine Kommunikationskanäle nach Außen zur Verfügung, da die ÖH ja die Webseite lahmgelegt und Twitter besetzt hat. Lediglich telefonisch ist der Ort weiterhin erreichbar (01/3190954).

Als im Plenum eine nur kurz anwesende Person feststellte, dass in den Reihen der Plenierenden mehrheitlich Vertreter des männlichen Geschlechts zu finden seien, entstand auch gleich wieder ein Text über den unerträglichen Sexismus vermeintlicher "Sexisten-Nazis" in der Szene, mitsamt der Aufforderung, sich deshalb von Besetzungen fern zu halten. Dies soll zumindest der Vollständigkeit halber nicht verschwiegen werden. [--> siehe auch: Kommentare]

Nachtrag 23.5.: Mittlerweile gibt es auch konkretere Kritik an der Café Rosa-Besetzung vom Basisgruppen-Frauen*Plenum (siehe: "Kritik an der vorgestrigen Besetzung des Café Rosa") sowie eine Stellungnahme zum "Sexisten-Nazis"-Text (Anm.: wurde von der Indymedia-Moderation gelöscht - nachlesbar als "versteckter Beitrag"), der offenbar verfasst wurde, bevor die sachliche, nachvollziehbar verfasste Kritik des Frauen*Plenums veröffentlicht wurde. // Gegen Mittag wurde die Besetzung für beendet erklärt.


Medienberichte & Presseaussendungen

- APA-Agenturmeldung (hier z.B. auf derstandard.at / Basis aller Medienberichte zur Besetzung, nur folgende zwei Zeitungen haben eigene Reporter hingeschickt)
- Vienna Online: Lokal-Besetzung in Wien-Alsergrund: Studenten besetzen linkes Studibeisl Cafe Rosa (mit einem kleinen eigenständig recherchierten Absatz ;))
- Wiener Zeitung: ÖH-Café Rosa besetzt - "Verbrennt euer Geld" (ebenfalls mit einem eigenständigen Absatz, am zweiten Tag auch noch kurz aktualisiert, waren auch als erste dort)
- Wiener Zeitung: Hauptstadtszene - Zur Karikatur verkommen

- FM4: Café Rosa ausge(t)räumt

- OTS der ÖH Uni Wien: ÖH Uni Wien: Stellungnahme zur aktuellen Situation - Wir sind gesprächsbereit
- Stellungnahme des VSStÖ-Wien zur Besetzung des Cafe Rosa
- Stellungnahme der GRAS-Wien: Freiräume - aber wie
- OTS des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS): RFS: Aktuelle Entwicklung im Café Rosa ist an Peinlichkeit nicht mehrzu überbieten


... to be continued
 

Montag, 14. Mai 2012

8. Mai 2012-Nachlese


Etwa 600 (eigene Schätzung) bis 1.000, 1.100 (nochrichten.net) DemonstrantInnen versammelten sich am 8. Mai 2012 ab 17 Uhr bei der Unirampe am Schottentor um, wie bereits im Vorjahr, gegen das "Heldengedenken" deutschnationaler Burschenschaften am Heldenplatz zu protestieren. Da auch dieses Jahr wieder ein "zivilgesellschaftliches" (wenn man so will) Bündnis aus u.a. SPÖ Wien, Grünen und Israelitischer Kultusgemeinde (IKG) eine Kundgebung am Heldenplatz anmeldete, war dieser zum zweiten Mal in Folge teilweise für GegendemonstrantInnen zugänglich. Bereits am Nachmittag wurden unter Anwesenheit hunderter ZuhörerInnen Reden abgehalten, darunter Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani und der neue Präsident der IKG, Oskar Deutsch, der im Anschluss mit koscherem Sekt auf die Befreiung Österreichs vom NS-Regime anstoßen ließ. Um etwa 18:15 Uhr zog die Demonstration los. Am Heldenplatz warteten gegen 19 Uhr laut nochrichten.net bereits rund 300 Personen auf die eintreffende Demo.

Je nach Quelle befanden sich also zwischen 900 und 1.400 (laut Polizei: 1.200) Personen auf den antifaschistischen 8. Mai-Kundgebungen und -Demonstrationen. Ab 16:30 Uhr herrschten großflächig Platzverbote - der Heldenplatz war zwar keine Sperrzone, wurde aber dennoch bis auf einen kleinen Teil vor der Nationalbibliothek hermetisch abgeriegt, was insbesondere älteren TeilnehmerInnen der Gedenkkundgebung Schwierigkeiten bereitete (vgl. Video von AUGE IUG) - von TouristInnen und Sonnenhungrigen ganz abgesehen, die zum "Schutz" der Burschenschafter knapp 4 Stunden vor Beginn deres Aufmarsches des Platzes verwiesen wurden. Davon völlig unbeeindruckt zeigten sich in etwa zur gleichen Zeit über 150 TeilnehmerInnen eines "Freeze"-Flashmobs am Stephansplatz, die an diesem denkwürdigen Datum ihrer unpolitischen Überzeugung bzw. politischen Gleichgültigkeit Ausdruck verliehen.
 

Auch Anonymous Austria nahm wieder an den Protesten teil - und ließ den Wiener Korporationsring (WKR), (Mit)veranstalter des Totengedenkens am Heldenplatz, auf ihrer "Heimseite" den "Helden der Roten Armee" - so eines der sich abwechselnden Motive - gedenken. Über 24 Stunden lang war wkr.at auf diese Weise offenbar hilflos der aufsehenerregenden digitalen Protestaktion ausgeliefert - so lange, dass die gehackte Seite schon in den Google-Suchergebnissen aktualisiert wurde (vgl. Bild oben).

zwischen 600 und 1.000 DemonstrantInnen in zwei Gruppen konzentriert - Antideutsche & K-Gruppen im Bild rechts hinten - Basisgruppen & alle Anderen im Bild vorne

Bis zum Eintreffen der Burschenschafter gegen 20 Uhr verließen jedoch bereits viele wieder den Heldenplatz, vor dessen mit elektronischer Musik bespielter Bühne sich genau niemand versammelte - lieber genoss man noch die letzten Sonnenstrahlen im letzten nicht abgesperrten Fleckchen Wiese des Heldenplatzes (nachdem die Polizei ab 16:30 alle Leute von den Wiesen vertrieben hatte). Das Polizeiaufgebot war wieder enorm, auch der Polizeihubschrauber (Kostenpunkt: 65 € pro Minute) kreiste über dem ach so unübersichtlichen Heldenplatz. Nicht zu Unrecht bemerken Gastkommentare in der bürgerlichen Presse die Unverhältnismäßigkeit, ja gar Absurdität des ganzen 8. Mai in Wien, wo der geschichtsträchtigste Platz der Stadt nicht zur Feier der Befreiung vom Nationalsozialismus genützt wird, sondern ewiggestrig uniformierte, mit Säbeln bewaffnete Burschenschafter unter gigantischem Polizeischutz regelrecht einmarschieren, um den toten deutschen Soldaten des Krieges zu gedenken:

>> Wenn die rechten Burschenschafter und einzelne schlagende FPÖ-Mandatare wirklich dem Ende des Dritten Reiches nachtrauern wollen, dann sollen sie das doch bitte in ihren Klublokalen oder sonst wo tun, aber nicht öffentlich auf dem Heldenplatz unter dem Schutz der Wiener Polizei und des Innenministeriums. << (Gerhard Zeilinger: Befreit den Heldenplatz endlich von diesem Spuk!, Der Standard, 10. Mai 2012)

>> Die einzige öffentliche Veranstaltung an diesem bedeutungsgeladenen Ort war kein Staatsakt, sondern eine " Gegenveranstaltung", bei der Vertreter der SPÖ, der Wiener Grünen, der Israelitischen Kultusgemeinde und des Personenkomitees "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" auftraten. Was aber heißt "Gegenveranstaltung"? Schreiben wir wirklich das Jahr 2012?
An diesem Tag wurde sogar, was äußerst selten geschieht, das große Burgtor gesperrt und das Areal hermetisch abgeriegelt. Das Platzverbot wurde vom Wiener Polizeipräsidenten damit begründet, dass "aufgrund zu befürchtender gewalttätiger Ausschreitungen anlässlich des Umzugs zum ' Totengedenken des Rings Volktreuer Verbände' (...) anzunehmen (ist), dass eine allgemeine Gefahr für Leben (!) oder Gesundheit mehrerer Menschen und für Eigentum im großen (!) Ausmaß (...) entstehen wird".

Wie gut, dass die Polizei uns vor diesen Umtrieblern schützt, könnte man sich da zunächst denken. Aber das dicke Ende kommt im Paragrafen 3 der Verordnung, denn dort wird klar, dass es just umgekehrt ist: Die " Totengedenkler" dürfen rein in den Sperrbezirk und alle anderen nicht. Die Polizei ist demzufolge also nicht dazu da, die Mehrheit vor einer Belästigung durch die Umtriebe dieses Häufleins Verirrter - Sieger sehen wahrhaft anders aus! - zu schützen, sondern dazu, die "Volktreuen" vor jenen zu schützen, die an diesem 8. Mai wieder einmal das internationale Ansehen Österreichs durch ihr Auftreten gerettet haben, darunter viele Jugendliche, die den großteils nicht viel älteren Polizisten in ihren Star-Wars-Anzügen überwiegend mit entwaffnender Gelassenheit und ebensolchem Humor begegnet sind. << (Peter Zawrel: 8.-Mai-Gedenktag: Schreiben wir wirklich das Jahr 2012?, Der Standard, 9. Mai 2012)

Am Heldenplatz

Zugang zum Heldenplatz vom Ring bei der Nationalbibliothek

Anders als im Vorjahr blieb das Burgtor dieses Mal aber vollständig geschlossen. Die Demo konnte durch das geöffnete Eisengitter-Tor neben der Nationalbibliothek am Ring zuströmen - auf der gegenüberliegenden Seite war auch eine Passage durch die Hofburg frei. Befürchtungen, die Polizei könnte die Menge - wie im Vorjahr - beim abströmen, zeitgleich/parallel zu den Burschenschaftern, hindern bzw. einkesseln, bewahrheiteten sich nicht
--> die diesjährige polizeiliche Sperrzone und ihre Begründung

Polizei zieht Tretgitter-Reihen wieder zusammen, Menge wich zurück
Die antifaschistische Kundgebung am Heldenplatz verlief weitgehend zwischenfallsfrei und spürbar ruhiger als im Vorjahr. Die Pufferzone zwischen den beiden "Veranstaltungen" war von der Polizei aber dieses Mal deutlich größer angelegt und mit doppelten Gitterreihen getrennt. Das sorgte dann auch für den einzigen Vorfall, als nach einem lauten Böllerknall der nicht-kommunistische Teil der Demo (Antideutsche und kommunistische Gruppen konzentrierten sich auf einen anderen Teil der Sperre und erhielten von der Polizei, die sich hinter und vor den KommunistInnen massiv konzentrierte, ungeteilte Aufmerksamkeit) an der ersten der beiden Sperrgitter-Reihen zerrte und diese um etwa 10 Meter nach hinten zog (vgl. nebenstehendes Bild) - die Polizei konnte dennoch schnell eingreifen und zog im Anschluss die Gitter wieder zusammen. Eine Person dürfte dabei über die Gitter gelangt sein und planlos Richtung Burschenschafter-Gedenken gestürmt sein, wurde dabei aber natürlich von der Polizei abgefangen. Die zwei Personen, die aufs Dach des Burgtors "gelangt" sind und dort herumliefen stellten sich übrigens als Beamte des Inlandsgeheimdienstes (BVT) heraus. Überhaupt war das Zivi- und Verfassungsschutz-Aufgebot dieses Mal noch größer als ohnehin - auf bis zu 50, 60 Beamte gehen die Schätzungen, wobei dieses Mal offenbar eine große Zahl unqualifizierter Beamter als Aushilfs-Zivis eingesetzt worden sein dürfte, die sich gar nicht erst die Mühe machten, unauffällig zu wirken und sich mit Kopfhörer im Ohr mit uniformierten Beamten austauschten. Positiv vermerkt wurde (auf Twitter), dass auch der Burschenschafter-Umzug dieses Jahr unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand bzw. genau so gefilmt wurde wie die Gegendemo.

Nachdemo

Nachdemo am Ring Richtung Burgtheater
Deutlich souveräner als im Vorjahr gewährte die Polizei, als die Burschenschafter nach ihrem Gedenken auf einer polizeilich abgesperrten und stark gesicherten Route via Minoritenplatz zur Mölker Bastei zurückkehrte, allen DemonstrantInnen den Zugang zur Ringstraße, von wo aus sich eine Nachdemo aus etwa 300 Personen in Bewegung setzte - weitere 100 bis 200 Personen kamen individuell (nachdem die Polizei im Vorjahr auf Höhe Lueger-Ring - wenn auch erfolglos - versuchte, die Demo aufzuhalten) bis zur Mölker Bastei bzw. Schottengasse. Die Polizei fuhr mit Mannschaftswägen vor, ein Teil begleitete die unangemeldete Nachdemo.

Polizeiaufgebot am Schottentor, bevor die Tretgitter "aktiviert" wurden
Was "souverän" bei der Polizei bedeutet ist allerdings eine andere Frage ... Wie schon im Vorjahr (vgl. "Eskalation bei Demo 8.Mai 2011 (Schottentor ca 22:00)") erfolgten im Verlauf der Nachdemo mehrere polizeiliche Übergriffe. Zunächst brach die Demo beim Burgtheater Richtung Innenstadt aus, wurde aber in der Löwelstraße, teils unter Einsatz von Gewalt, von der Polizei gestoppt, dabei gab es dem Vernehmen nach eine Perlustrierung bzw. vorübergehende Festnahme. Dabei dürfte ohnehin nicht ganz klar gewesen sein, wohin dieser Ausbruch führen sollte, da etwa die Teinfaltstraße, die direkt zur Schottengasse / Mölker Bastei geführt hätte, zu diesem Zeitpunkt nur mit der Standardbesatzung bewacht wurde (eine Reihe Tretgitter, ein quer gestellter Mannschaftswagen, eine Hand voll BeamtInnen). AktivistInnen, die darauf hinwiesen, wurden nicht wahrgenommen.

Überhaupt hatte diese (Nach-)Demo eine deutlich schwächere Kommunikationsstruktur als etwa die noWKR-Demos oder die 8. Mai-Demo vom Vorjahr - was wohl an der geringeren Mobilisierung und Vorbereitung im Vorhinein liegt. Hätten doppelt so viele Personen teil genommen, die untereinander mehr kommuniziert hätten, hätte dieser Tag in die Geschichte des 8. Mai in Wien eingehen können ... aber Wien ist nunmal weder Chicago noch Athen, und der 8. Mai ist nicht noWKR!

An diesem 8. Mai wirkten die meisten Leute eher unmotiviert, den Burschenschafter-Aufmarsch ernsthaft zu stören - man begnügte sich mit Ententanz (ein bisschen hin- und herwackeln und in die Kameras lächeln) vor den Polizeisperren. Demonstrationen werden offenbar von vielen immer noch als sinnentleertes Ritual nicht nur akzeptiert, man fühlt sich dabei offenbar auch ganz wohl. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass dieses Mal wieder viele zum ersten oder zweiten Mal auf einer antifaschistischen Demonstration dieser Größenordnung bzw. an diesem Datum waren - dafür muss man nur die TeilnehmerInnen-Zahlen der letzten Jahre miteinander vergleichen (mehr dazu im Abschnitt "Mobilisierung").

Nach dem Zwischenfall in der Löwelstraße zog die Demo - als wäre nichts geschehen (wäre man noch länger dort geblieben, wäre man womöglich gekesselt worden) - weiter. Bei Ankunft am Schottentor wurde die mit Polizeikette abgeriegelte Schottengasse nach einigen Minuten mit Tretgittern verstärkt. Die Burschenschafter wurden augenscheinlich auf anderen Wegen aus der Sperrzone gebracht. Kleingruppen, die es vom Schottentor (unter großen Umwegen) zu den anderen Seiten der Sperrzone in der Schottengasse schafften, wo sich Burschenschafter und Begleitung in Restaurants begaben oder auf Taxis warteten, wurden in Ruhe gelassen, sofern sie die von der Polizei für die Burschenschafter vorgesehene Ausfahrtsroute nicht behinderten. Diese - so stellte sich nach einer Weile heraus - befand sich in der Schreyvoglgasse/Teinfaltstraße.

Polizeiangriffe in Teinfaltstraße
 


Als eine Kleingruppe von etwa 10 bis 20 Personen dorthin vordrang war es nur noch eine Frage von Minuten, bis diese von der dort massiv konzentrierten Polizeipräsenz - darunter 20 bis 40 voll ausgerüstete WEGA-Beamte, angegriffen wurden. Als ich in der Teinfaltstraße eintraf, liefen mir gerade mehrere Personen entgegen - hinter ihnen jagten WEGA- und EE-Beamte hinterher. Etwa 9 oder 10 DemonstrantInnen wurden erwischt, für etwa 30 Minuten an eine Baustellenwand gestellt und perlustriert. Als etwa 20 Minuten später weitere Solidarische tröpfchenweise über die Rosengasse zur Teinfaltstraße kommen startet die WEGA die nächste Hetzjagd - in einer wilden Jagd werden die Leute zurück Richtung Löwelgasse getrieben, 3 oder 4 werden dabei erwischt und grob gestellt - einer wird dabei mehrmals mit dem Kopf gegen eine Glasscheibe gedroschen und dabei auch noch als "Scheiß Piefke" beschimpft. Aber was die Verbalausritte der Polizei betrifft, fangen wir besser gar nicht erst an aufzuzählen ... für ihre Gosch'n ist die Wiener Polizei ja ohnehin weltberühmt. Wer es wagt, sich an einen Beamten mit einer Frage zu wenden und dabei nicht mindestens genau so g'schert daherredet wie die Beamten selbst, kriegt als Antwort gleich ein "San sie überhaupt von do?".

Das muss wohl der "Wiener Schmäh" sein: Wiener Polizisten schützen die Faschisten - und beschimpfen Deutsche als "Scheiß-Piefke".

Auch das "lustige" Dienstnummern-Roulette erfuhr eine weitere Runde - noch ist nicht klar, ob die Betroffenen von Polizeigewalt tatsächlich echte Dienstnummern in Erfahrung bringen konnte oder ob die Polizisten wieder Zahlen in willkürlicher Reihenfolge ausfolgte. Was spricht eigentlich gegen Dienstnummern auf den Uniformen? Achja - Polizeigewalt könnte besser nachverfolgt werden ... das würde ja die Autorität des Staates untergraben, wenn die Polizei nicht mehr anonym prügeln könnte.

Eine spezielle Erwähnung verdient auch das mehrköpfige Fahrrad-Team der Polizei, das an diesem Abend eigens dafür eingesetzt wurde, FahrradfahrerInnen wegen irgendwelcher Kleinigkeiten abzufangen und anzuzeigen. Auch die Wiener Linien zeigten mit einer Schwerpunktkontrolle am Schottentor während des Demo-Treffpunkts bei der Uni-Rampe wieder einmal deutlich, wofür das Rote Wien von heute steht: "Der Heldenplatz den Deutschnationalen Burschenschaften - keine Gnade den SchwarzfahrerInnen unter den Fans der Befreiung Österreichs!"

Nachdem gegen 22 Uhr klar war, dass keine effektiven Blockaden aufrecht erhalten werden können, geschweige denn Perlustrierungen solidarisch verhindert werden können - sowohl wegen geringer Beteiligung, geringer Kommunikation als auch geringer Motivation - lösten sich die Proteste langsam auf.

Die Rechtshilfe berichtete von zwei oder drei Verhaftungen, die Teile der Nacht im PAZ Rossauer Lände verbringen mussten. Neben einer wie immer unbekannten und ungenannten Anzahl von durch Schlägen und Tritte (leicht) verletzter DemonstrantInnen melden offizielle Stellen, dass ein Polizist durch einen Flaschenwurf verletzt worden sei.

Mobilisierung - Top oder Flop?

Bei aller möglicher und berechtigter Kritik muss doch festgehalten werden, dass seit dem Auftreten der Bündnisse "Offensive gegen Rechts" und "jetztzeichensetzen" (Grüne, SPÖ Wien, IKG, Asyl in Not uvm.!) im Vorjahr deutlich mehr Menschen zu den Kundgebungen und Demonstrationen mobilisiert werden können als in den Vorjahren. Dazu kam 2011 auch die massive Mobilisierung durch HC Strache, der seinen Auftritt als Gastredner groß ankündigte und schließlich wegen "einem wichtigen Treffen" mehrere Tage (angeblich im Ausland) untertauchte, was in der Boulevardpresse tagelang als Top-Thema aufgegriffen wurde. Etwa 1.700, laut Polizei 700, sollen daraufhin zu den Demonstrationen erschienen sein (vgl. Bericht vom Vorjahr). Also etwa um ein Drittel oder die Hälfte mehr als 2012.

Zum Vergleich: 2010 gab es eine antideutsch geprägte Befreiungsdemo mit vielen Nationalflaggen und sowjetischen Hymnen, zu der sich etwa 250 bis 380 hinreißen ließen - die Demo ging vom Schwarzenbergplatz aus bereits am Nachmittag durch den Ersten Bezirk, fernab des Burschenschafter-Aufmarsches. 2009 versammelte sich eine antifaschistische Kundgebung mit etwa 100 TeilnehmerInnen im Sigmund-Freud-Park (Votivpark) neben der Universität Wien - und durchbrachen eine Polizeisperre, womit sie offenbar nicht nur die Polizei sondern auch sich selbst überraschten. Ein unsolidarisches "wie komm ich hier möglichst schnell wieder raus ohne verhaftet zu werden?" griff um sich, als Erfolg kann das wohl kaum gewertet werden.

Fazit: Mit dem Heldenplatz als Kundgebungsort und dank Straches PR-Aktion im Vorjahr, gelingt es (auch dieses Jahr) mehr Leute zu mobilisieren als je zuvor. Möchte man den Aufmarsch aber blockieren oder verzögern, müssten sich die Leute aber schon im Vorhinein (besser) organisieren, Bezugsgruppen bilden, mehr untereinander kommunizieren. Dann könnte es auch in Wien vielleicht schon beim nächsten Mal heißen: "8. Mai - Wien nazifrei!"

LINKS

[:Videos:]
- ORF, Wien Heute: Totengedenken und Gegendemonstration
- ORF, ZiB24: Geteiltes Gedenken an NS-Kapitulation
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - wer heute nicht feiert, hat schon verloren 
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - Richard Wadani
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde


[:Fotos:]
- Martin Juen: Totengedenken der Bruschenschaften & Gegendemonstration | Wien 08.05,2012

- cg-politics: 8. Mai - Wien, Heldenplatz #nowkr
- Daniel Weber: #NOWKR 8. Mai 2012 - Tag der Befreiung am Heldenplatz! 
- Die Presse: Proteste gegen das Totengedenken

[:Texte:]
- nochrichten.net: 8. Mai in Wien: Von Befreiungsfeiern zu lautstarken Störungen deutschnational/-völkischen Gedenkens.
- ÖSTERREICH: "Aufmarsch gegen Burschenschafter", 9. Mai 2012

Freitag, 20. April 2012

Chronologie der Rektorats- und Audimax-Besetzungen in Wien am 19. April 2012

[letztes Update: 20. April, 23 Uhr]
Einzigartige Szenen an der Uni Wien am 19. und 20. April 2012. Die seit langem angekündigte und gut vorbereitete Protestwoche der Internationalen Entwicklung (17. - 20. April) schlug sich in einer Besetzung des Rektorats um Punkt 11 Uhr Vormittag, einer Audimax- sowie einer kurzfristigen HS1 im NIG-Besetzung am Nachmittag nieder. Alle Besetzungen wurden noch am selben Tag geräumt, aus dem NIG wurde freiwillig abgezogen.

Chronologischer Rückblick

[die Links im Text beziehen sich in der Regel auf unibrennt-Tweets, die live vor Ort ausgeschickt wurden - teilweise bebildert]

eine umfassende(re!), sehr zu empfehlende, Video-Chronologie des Tages von WienTV.org / Daniel Hrncir ist nun online abrufbar:



10 Uhr
Treffpunkt für das "Rektoratsfrühstück" vor dem Rektorat der Uni Wien. Je ein Security "bewacht" die Eingänge des Rektorats sowie zum Festsaal. Nach einer halben Stunde sind etwa 100 bis 150 Protestierende vor Ort und frühstücken am Gang vor dem Rektorat.

11 Uhr
Ein Anzugträger klingelt an der Rektoratstüre, er wird hineingelassen. Studierende halten die Tür auf, im selben Augenblick stürmen immer mehr Studierende zur Tür, drängen den Security ab. Über 100 Leute dringen nun in die Räumlichkeiten des Rektorats vor und besetzen dieses.

11:20 Uhr
Ein Mitarbeiter stellt ein Ultimatum: 5 Minuten zum Verlassen des Büros oder polizeiliche Räumung. Auf die Forderungen der Studierenden wird nicht eingangen, der Rektor ist bereits geflohen, Gesprächsangebote oder Stellungnahmen von seiner Seite gibt es bis dahin nicht. Eine Sponsionsfeier, die zwischen 10 und 12 Uhr angesetzt war und in vollem Gange war, wird in den Arkadenhof verlegt.

11:25 Uhr
Polizeibeamte stehen vor der Tür des Rektorats und erkundigen sich nach etwaigen freiwilligen Abzugsplänen der BesetzerInnen. Mehrere Rebel Clowns kümmern sich um weitere konstruktive Gespräche mit der Polizei ...

11:30 - 11:40 Uhr
Polizei in Zivil und Verfassungsschutzbeamte stehen zu fünft im Vorraum des Rektorats, einer davon outet sich als "Behördenvertreter", als er kurz vor 11:39 Uhr die Räumung androht bzw. ankündigt.

11:48 - 12:02 Uhr
Die Infanterie (WEGA, EE) rückt an - die BesetzerInnen, es sind noch etwa 100, verschanzen sich im Prunksaal des Rektorats und verketten sich zu einer Sitzblockade - die Tür wird kurzzeitig geschlossen und zugehalten, von der Polizei aber schließlich aufgedrückt - in weiterer Folge (12:02 Uhr) werden die Flügeltüren abtransportiert (Foto).

ca. 12:07 Uhr
Die Räumung beginnt. Die BesetzerInnen skandieren Parolen wie "Wir besetzen bis der Rektor kommt, bis der Rektor kommt, bis der Rektor kommt"; in Bezug auf den filmenden Zivilbeamten (Verfassungsschutz?) ruft jemand "Wir kämpfen nur für unser Studium, wir sind nicht kriminell!"

12:29 Uhr
WEGA-Beamte tragen stets zwei, manchmal auch drei oder vier Personen auf einmal hinaus, bis mehrere Minuten Pause gemacht wird (vermutlich weil der filmende LVT-Beamte die Leute beim raustragen begleitet - die nächsten Personen werden immer erst hinausgetragen, wenn er wieder zurück ist. In diesem Tempo wurden binnen knapp 30 Minuten erst schätzungsweise 20 Personen hinausbefördert - inklusive einzelner "Freiwilliger" (die aber genau so mit einer Anzeige rechnen müssen), die wegen Prüfungen oder Toilettendrang von selbst hinausgingen.

13 Uhr
Es wird getwittert, dass gerade Sanitäter ins Rektorat gegangen seien. Ob sich diese um die "leichte Verletzung am Ellbogen" (angeblich eine Schnittwunde), die sich eine Rektoratsmitarbeiterin offenbar im Gedränge zwischen Polizei und Studierenden - angeblich als die Polizei die Tür zum Rektorats-Prunksaal aufgedrückt hat - zugezogen hat (es gab zu keinem Zeitpunkt vorsätzliche Übergriffe seitens der BesetzerInnen), ist mir nicht bekannt. Der Beginn der Besetzung liegt jedenfalls schon 2 Stunden zurück, die Mitarbeiterin wurde dabei definitiv nicht verletzt, da sie noch inhaltliche Gespräche mit Studierenden im Büro geführt hat, bevor die Polizei das Rektorat stürmte.

Fakt ist, dass auch BesetzerInnen "leichte Verletzungen" von sich getragen haben, dafür aber freilich keine Ambulanz zugezogen haben. Einige Studierende wurden von der WEGA - teils kopfüber - den Boden hinausgeschliffen; wer sich passiv, durch still stehen, gegen den Abtransport wehrte, bekam von der WEGA ein paar Hiebe mit Händen und Füßen auf diverse Körperstellen. Abgesehen davon war die Stimmung im Rektoratssaal aber relativ entspannt, mit manchen Beamten wurde gescherzt; eine Besetzerin ließ sich sogar von einem einzelnen Beamten, mit den Händen um seinen Hals (wie nach einer Hochzeit) hinaustragen, was für viel Gelächter auf beiden Seiten sorgte ;) Von einem freiwilligen Verlassen des Rektorats, wie von Polizei oder Rektorat gelegentlich behauptet, kann aber keine Rede sein. Die Umstände ließen keine andere Möglichkeit zu, als still sitzend den "Abtransport" abzuwarten ...

13:26 Uhr
Noch immer sind rund 20 bis 30 Personen im Rektorat. Auf der Treppe davor befinden sich etwa 150 bis 200 Solidarische, die alle hinausbeförderten lautstark bejubeln. Teilweise sind sie bis in das ganz hinten im Rektorat gelegene Zimmer hinein zu hören.

13:59 Uhr
Nachdem alle BesetzerInnen aus dem Rektorat befördert wurden, versammelte man sich vor der Universität und zog in einer Spontandemo zum Campus, wo für 14:30 seit langem der Treffpunkt für "kollektiven w-IE-derstand" angekündigt war. Der Campus wird um 14:19 Uhr erreicht.

Polizei-Großaufgebot vor der Uni: schätzungsweise 100 bis 200 BeamtInnen im Einsatz oder "im Hintergrund"













ca. 14:30
im Foyer des C1 versammeln sich 100, gegen Ende um die 200, Personen zum Aktionsplenum. Es wird diskutiert, wies weitergeht. Als das Plenum beinahe ins Endlosdiskutieren abzudriften droht setzt sich doch rasch die Erkenntnis durch, dass nun besser rasch das schon oft in Erwägung gezogene Audimax angesteuert wird, wo schließlich immer noch ausführlich weiter diskutiert werden könne, unter deutlich besseren Platz- und Akustiverhältnissen. Auch vor dem C1 warteten die ganze Zeit über 50 bis 150 Personen auf den "kollektiven w-IE-derstand".

15:30 Uhr
Die Demo zieht los. Sie darf aber nicht direkt zur Alser Straße hinaus, da die Polizei die Verbindungsgänge zwischen Hof 2 und den angrenzenden Höfen, insbesondere Hof 1, für alle Personen gesperrt hat. Sie muss daher via Garnisongasse hinaus. Als Grund nennt die Polizei eine Bundesheer-Angelobung, die im "Ostarrichipark" vor der Nationalbank (neben dem Campus/Alser Straße) abgehalten werden soll und die "nicht gestört werden darf".

Das sorgt für Unverständnis insbesondere bei jenen am Campus, die am Weg zu Lehrveranstaltungen, Prüfungen oder Billa sind. Als sich eine Studentin ungeduldig durchdrängt und von einer Polizisten festgehalten wird, pfeift sie ihr Vorgesetzter zurück: "einzelne Personen sind ok, die Demo ist eh schon in die andere Richtung unterwegs" [sinngemäß zitiert] - daraufhin verstehen die BeamtInnen selbst den Sinn ihrer Blockade nicht mehr wirklich: "oida wir san a kaschperltheater, i stö mi jetzt aufd seiten", sagt eine Beamtin daraufhin, wortwörtlich zitiert von @unibrennt.

15:50 Uhr
Die rund 300 Personen starke Demo, unterstützt durch eine Samba-Tromme-Gruppe, erreicht das NIG in der Universitätsstraße. Es gibt eine Hörsaaltour und Platzregen. Nachdem beides vorbei ist geht es - nach einer Runde ums Jonas-Reindl und kurzer Blockade der Kreuzung Schottentor - direkt ins Audimax. Polizei und Securities sind gezwungen, tatenlos zuzusehen.

ca. 16:15 Uhr
einige Minuten nach der Erstürmung des Audimax wird vom PC am Podium des größten Hörsaals Österreichs getwittert: #AUDIMAX BESETZT

Eine Psychologie-Prüfung muss abgesagt werden, was bei den schlecht vorbereiteten für Begeisterung sorgt, bei den gut vorbereiteten für Ärger und Frust. Die Prüfung wird um eine Woche verschoben.

17:24 Uhr
die Forderungen der BesetzerInnen werden getwittert:
1. Beibehaltung des Ie Studiums
2. Abschaffung der und mehr prüfungstermine bei der
3. Keine Studiengebühren (Senatssitzung 26.4)

17:29 Uhr
Securities versuchen nun, die Zugänge zum Audimax zu blockieren, was ihnen aber nicht gelingt. Lediglich der Haupteingang kann versperrt werden, was aber ausschließlich "brave" Studierende betrifft. Mit der Weile werden auch die übrigen Eingänge ins Uni-Hauptgebäude von Securities und Polizei gemeinsam versperrt.

ca. 18:13 Uhr
Am Hintereingang zum Audimax-Gang versammelt sich eine Menge, der es gelingt, die Türen aufzudrücken.

18:18 Uhr
Die Polizei rückt an und versperrt den Hintereingang mit zwei Fahrzeugen und einem Dutzendfachen an BeamtInnen.

versperrte Zugänge zum Audimax, Fotos von 18:14, 18:18 und 18:25 Uhr























19:23 Uhr
Ein Gesprächsangebot des Rektors für die Tage nach (!) der entscheidenden Senatssitzung am 26. April wird dem Audimax übergeben. Gleichzeitig wird ein Ultimatum zum Verlassen des Audimax bis 20 Uhr angekündigt. Das Plenum diskutiert und nach langem Hin- und Her entschließt man sich - mit Blick auf frühere Erfahrungen - nicht auf dieses Angebot einzugehen. Ein Antwortschreiben wird verfasst und um ca. 20:40 Uhr dem Plenum zwecks letzter Korrekturen vorgetragen.

19:25 Uhr
Ein Teil der verzweifelt auf Einlass wartenden Menge vor dem Audimax begibt sich zu einem Spontandemo-Versuch (Foto) auf den Ring (kurze Ringblockade), wird aber binnen Minuten von der Polizei abgedrängt.

19:50 Uhr
Etwa 100 Personen (rund 50 bleiben weiterhin vor dem versperrten Audimax-Eingang) ziehen auf die Universitätsstraße und demonstrieren spontan zum NIG, wo der Hörsaal 1 eingenommen wird.

20:19 Uhr
Hilferuf aus dem Audimax: Es gibt nix zu essen, nix zu trinken ... "Belagerungszustand"! Der Verfassungsschutz hält die Lage für die Polizei von innen unter Beobachtung und garantiert so die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung vor wahnwitzigen Terroranschlägen der radikalisierten Studierendenmeute (vgl. unibrennt-Tweet 20:22 Uhr).

ca. 19 bis 21 Uhr
Immer wieder gelangen Leute auf unerklärlichen Wegen ins Audimax ;) irgendwann bemerkt die Polizei jedoch die Schwachstelle und blockiert sie. Schätzungsweise 30 bis 50 Personen dürften so nachträglich ins Audimax gelangt sein. [Update 20.4.:] Der Liveticker (!) der Gratiszeitung Heute (!) berichtet um 20:52 Uhr davon, dass der Schleichweg durch den Keller von der Polizei entdeckt wurde und nun bewacht wird. Lebensmittelspenden durften über den gesperrten Audimax-Eingang am Schottentor durchgereicht werden und trafen nach dem ersten Aufruf nach und nach ein :)

20:43 Uhr
Via Skype-Liveaschaltung ist das Audimax mit dem HS 1 im NIG verbunden. Dort wird von Polizeigewalt am Eingang berichtet, das Gebäude sei von der WEGA umstellt worden. Die Zahl der BesetzerInnen schrumpft auf unter 50. [Update 20.4. 17:20:] Laut Augenzeuge lösten die Studierenden die Besetzung schließlich freiwillig auf, hätten "aber die Security mit der Information gefüttert, es hätten sich 10 Leute im Gebäude versteckt. WEGA durchkämmt also umsonst das gesamte Gebäude."

20:52 bis 21:03 Uhr
Polizei zieht Einheiten beim Hintereingang zusammen. Die Räumung des Audimax steht scheinbar unmittelbar bevor. Rund 80 PolizistInnen betreten das Gebäude ...

21:51 bis ca. 23 Uhr - Räumung
Jetzt beginnt die Räumung tatsächlich. Die Kommunikation mit den BesetzerInnen reißt ab. Die Ereignisse ab dem Betreten des Audimax durch die Polizei: Auf unverständliche Weise sagt der "Behördenvertreter" das übliche durch. Laut Gesetz muss den BesetzerInnen eine angemessene Frist zum freiwilligen Verlassen (ohne Personalienaufnahme!) gesetzt werden. Jedoch ist vom Beginn weg, mit Betreten/Versperren aller Audimax-Ausgänge durch die Polizei, kein Hinauskommen möglich. Rund 10 bis 15 Minuten darf NIEMAND den Saal verlassen. DANACH wird begonnen, tröpfchenweise Personen gegen Personalienaufnahme (= Anzeige folgt) über den Audimax-Gang zum Hinterausgang hinauszulassen. Allen Personen wird vorgeworfen, den besetzten Hörsaal nicht in der gesetzten Frist freiwillig zu verlassen haben - und werden deswegen angezeigt. Ein gut und vielfach erprobtes Instrumentarium der Wiener Polizei zur Kriminalisierung von Protesten.

Es gibt keine ernsthaften Zwischenfälle während der Räumung, er herrscht jedoch großer Ärger über das gesetzwidrige Vorgehen der Polizei. Ein Polizist wird von Studierenden nach dem Grund gefragt, warum niemand den Saal verlassen darf - man fragt ihn nach seiner Dienstnummer, dessen Herausgabe dieser jedoch verweigert. Als man ihn dabei mit Handykamera filmt packen Kollegen den Filmenden von Hinten und zerren ihn aus dem Audimax - was ein lautes Aufschreien der BesetzerInnen hervorruft. Doch man ist der Polizei hoffnungslos ausgeliefert.

Vor dem Hintereingang des Audimax versammeln sich nach und nach um die 200 bis 300 Personen, die alle Hinausbegleiteten lautstark begrüßen - darunter zahlreiche MedienvertreterInnen. Ein eigens aufgestellter Scheinwerferturm am Anhänger eines Polizei-Offroaders blendet alle Herausgehenden und garantiert der Polizei, dass ihre Handlungen nicht aus dem Dunklen heraus gestört werden. Es fliegen unter lauten Buh-Rufen dennoch einige Bananenschalen, als die Räumungseinheiten der Polizei als letztes das Audimax verlassen.

Was den BesetzerInnen nicht gelingt, besorgt das Rektorat: Die Uni kündigt an, dass am nächsten Tag (Freitag) das Hauptgebäude einschließlich Freitag bis Montag geschlossen bleibt und alle Termine entfallen, vgl. @koalakatze:

Niemand blockiert die Uni so effektiv wie das Rektorat, morgen keine lvs


Nach 13 Stunden effektivem Protest und einem Dauer-Polizeieinsatz, der wohl um die 300 BeamtInnen miteinbezogen haben muss (was bei vom Innenministerium veranschlagten Kosten von 25 € brutto pro Personalstunde um die 100.000 € steuermittelfinanzierte Gesamtkosten für das gewaltsame Unterdrücken von Studierendenprotesten bedeutet) verabschieden sich alle vom Ort des Geschehens und verweisen auf die Termine am Folgetag: 11 Uhr Pressekonferenz des Rektors, 13 Uhr Plenum der IE-Proteste am Campus. Außerdem gab es ein Sit-In in einer Erste Bank-Filiale, um dort, wo alles Geld "verschwindet", ein Plenum abzuhalten.

Am Montag, 23. April, lädt das Rektorat zu öffentlichen Gesprächen ... und wir sich dabei wohl einiges anhören müssen, insbesondere wegen der Sammlung der Daten der protestierenden Studierenden und deren behördlicher Verfolung im Auftrag des Rektorats!

Der @unibrennt-Twitter-Account hat im Zuge des Protesttages um weitere 200 Follower/innen zugelegt, nachdem erst kürzlich die 10.000 Follower-Grenze überschritten wurde. Wir gratulieren! :)

Pressespiegel

[folgt - in Arbeit!]

bis dahin: siehe
https://pad.riseup.net/p/IE-WIEN_PRESSESPIEGEL

Freitag, 13. April 2012

Aktion für Freifahrt am Freitag den 13. April - "Wien muss Tallinn werden!"

[letztes Update: 15.4.; alle Fotos (c) Michael Einkemmer Mitterer / Scans: FMO]

"Das F13-Netzwerk verwandelt bereits seit 2002 die mythischen
«Unglückstage», wie er mit dem Freitag, 13. April einmal mehr ins Haus steht, in Tage der überraschenden Straßenaktionen."

So wurde diesen Freitag, 13. April 2012, zur "Fahrscheinkontrolle einmal anders" aufgerufen. Ein rund 10 Personen starkes Kommando der Wiener Rebel Clown Army traf gegen 12:30 Uhr beim Treffpunkt vor der U4-Station Pilgramgasse ein. Unterwegs mit der U4 zur Station Landstraße/Wien Mitte wurden die Passagiere zur "Zahnsteinkontrolle" aufgefordert - wer (nach dem geschulten Auge der Clowns) Zahnstein aufwies, wurde mit einem Zuckerl bzw. ab Wien Mitte wahlweise auch mit einem Stamperl Schnaps belohnt. Andere Clown-Soldat/innen verteilten überhaupt gleich kleine weiße Zetterl mit handgeschriebenem "Wiener Linien-Ticket"-Schriftzug drauf.

An den Bahnsteigen der U-Bahn wurde - im Einklang mit den Lautsprecher-Durchsagen - für die Sicherheit der Fahrgäste gesorgt, beim Ein- und Aussteigen der Weg gewiesen, sowie zum "gehen auf der weißen Linie oder einer der anderen Wiener Linien" aufgefordert - "nur zu ihrer Sicherheit" natürlich. Im Gleichschritt, dem Marshmallow-Marsch, erreichte man bei der Station Wien Mitte das Tageslicht, wo bereits knappe 10 Wiener Linien-KontrollorInnen bzw. "Betriebsaufsicht" am Ausgang warteten, sowie rund 20 Augustin-VerkäuferInnen und Solidarische. Es wurden Flyer mit der Aufschrift "Wien muss Tallinn werden" (dort gibt es kostenlose Öffi-Nutzung ab 1. Jänner 2013) verteilt - diese waren jedoch bald vergriffen.


Die Wiener Linien-MitarbeiterInnen versuchten sich anfangs noch gegen das fotografieren und mitfilmen zu wehren (etwa mit der Begründung, in U-Bahn-Stationen sei das Filmen verboten - dabei hängen doch in allen Stationen hunderte, ja tausende Kameras) - verloren aber bald die Motivation, zumal insbesondere die Clowns auf keinerlei Anweisungen reagierten (zumindest nicht im Sinner der Wiener Linien) und mit Absperrband immer wieder Eingangs-Bereiche zu Stationen oder U-Bahnen (teilweise) absperrten.

Ernster Hintergrund der Aktionen ist die Ausgrenzung von sozial schwächeren aus öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Gefängnisstrafen als kontraproduktive (da für die öffentliche Hand noch teurer) Bestrafungsmaßnahmen: "... einen armen Menschen - der 100 Euro Strafe wegen Schwarzfahrens zahlen muss, die er nicht bezahlen kann - in ein Polizeigefängnis zu stecken, was der Gesellschaft 150 Euro pro Gefangenen pro Tag kostet, ist vollkommen absurd. ..."

Von Wien Mitte aus gings weiter Richtung Praterstern - stets begleitet von den zahlreichen Wiener Linien-MitarbeiterInnen, die jedoch weder Tickets kontrollierten noch sonst irgendwie einschritten (von ein paar übervorsichtigen Eingriffen an den Bahnsteigen abgesehen). Teilweise vermischten sich Clowns (in gelben Warnwesten!) und Wiener Linien-MitarbeiterInnen (in gelben Warnwesten!) - zahlenmäßig jeweils in etwa gleich viel - in den Haltestellen-Bereichen so sehr, dass für Außenstehende ein sehr merkwürdiger Eindruck entstanden sein muss ...

--> WienTV.org (Beitrag folgt in den nächsten Nachrichten am 17. April) und OKTO haben die Aktionen mitgefilmt

Am Praterstern stieß eine Gruppe "Hexen" dazu, die mit aufwändiger Kostümierung und Schminke, sowie Besen, auch noch sämtliche Securities des Bahnhofes anlockten, die sich den umherstehenden Wiener Linien-Angestellten in ähnlich ratlosen Blicken anschlossen. Der Billa wurde vorübergehend mit Absperrbändern gesperrt (zumindest der Ausgang), eine großangelegte Reinigungsaktion der Clowns wegen einer umgekippten Bierdose zog für viele Minuten die Aufmerksamkeit zahlreicher PassantInnen auf sich. Auch hier griffen die Securities nur kurz ein, da ihnen die Blödeleien der Clowns schlicht zu blöd wurden, um sich mit ihnen ernsthaft "anzulegen" ... Polizei war zu keinem Zeitpunkt anwesend, ernsthafte Zwischenfälle gab es keine.

ganz ohne Polizeieinsatz gehts dann wohl doch nicht ...
Nachtrag 15.4.: Bei der Weiterfahrt der "Hexen" vom Praterstern zu einem Videodreh im siebten Bezirk wurde die U-Bahn in der Station auf Betreiben der Wiener Linien und der Polizei an der Weiterfahrt gehindert, die (lauten, aber friedlichen) "Hexen" wegen des Vorwurfs, sie würden Sachbeschädigungen verursachen, mussten die U-Bahn verlassen. Der mehrstündige Einsatz der 10-köpfigen "Betriebsaufsicht"-Special Forces hat sich also doch noch eine Rechtfertigung verschaffen können.

Ebenfalls Teil des F13-Aktionstages war der freie Eintritt ins Wien Museum, wenn am Eingang ein "Augustin" vorgezeigt wurde.

F13-Abendprogramm

Ab 18 Uhr ging es mit Volxküche im Venster99 am Gürtel weiter. Dort, sowie nebenan im Einbaumöbel, fand ab 21 bzw. 22 Uhr die Anti-Inquisitionsparty statt. Im Rahmen dieser fand die beliebte Guten Tek-Reihe eine weitere Fortsetzung während nebenan das "Mario & Luigi DJ Team" mit "Special Guests" zum "8bit / Breakcore-Massaker" antritt (und das Einbaumöbel zum beben und bersten brachte). Verkleidete Hexen und Ziegenböcke erhielten einen Gratis-Cocktail an der Cocktailbar. Etwa 300 Leute kamen und tummelten sich bis frühmorgens in und vor den beiden selbstverwalteten Räumlichkeiten am Alser Gürtel. Auch im Tüwi wurde unter "F13"-Vorzeichen mit einer 80ies-Party gefeiert.

--> auch in Zukunft: Freitag der 13. ist Aktionstag! dranbleiben: http://www.f13.at

Mittwoch, 8. Februar 2012

Zürcher Polizei bricht Häuserfrieden - Uwaga am 8. Februar 2012 geräumt

letztes Update: 21.2.2012
Zürich, 8. Februar 2012. Das "Uwaga", ein seit 19. Oktober 2011 besetztes Gewerbeareal in der Brandschenkestraße 60-64, zwischen Bahnhof Enge und Bahnhof Sellnau, wird geräumt. Laut AktivistInnen soll dies ein klarer Fall einer "Räumung auf Vorrat" sein - was aufgrund der anhaltenden großen Wohnungsnot und einem eskalierten Häuserkämpf seit 1989 gemäß Verordnung des Stadtrates nicht mehr passieren sollte.

Die Eigentümerin des leerstehenden Gebäudes, die Agruna AG, argumentiert die Notwendigkeit der Räumung mit "Probebohrungen". Andererseits hat das Unternehmen bereits von Anfang an versucht, den BesetzerInnen das Leben im Haus schwer zu machen und das Beispiel der seit Jahren besetzten "Binz" zeigt, dass es für Probebohrungen keines Abrisses Bedarf - zumal der angedachte, noch nicht umsetzungsreife Neubau-Projekt-Plan frühstens in zwei Jahren begonnen werden kann. Ein Räumungsbescheid wird am 23. Januar vom Grünen Polizei-Stadtrat Daniel Leupi unterschrieben, der Räumungstermin für den 8. Februar um 8 Uhr morgens festgelegt.

Für viele BesetzerInnen und AktivistInnen in Zürich ist das ein klarer Bruch der 1989 ausgerufenen Befriedung des Häuserkämpfes. Mit Ausnahme der "Wohlgroth"-Räumung 1993 gab es seither keine größeren Zwischenfälle bei Räumungsaktionen - meist sind die Häuser bereits verlassen, wenn der - in der Regel großzügig zuvor angekündigte - Räumungstermin erreicht wird, da der Eigentümer nur eine Abriss-Genehmigung erhält, wenn ein projektierter Neubau bewilligt ist und Bauarbeiten unmittelbar bevorstehen. Dieses Mal wurde nach Meinung vieler AktivistInnen klar gegen diese seit 23 Jahren bewährte Praxis verstoßen.

"Aus diesem Grund ist es notwendig endlich wieder einmal ein besetztes Haus zu verteidigen, von drinnen und draussen, was leider in Zureich etwas aus der Mode gekommen zu sein scheint…" heißt es in einem Aufruf zur Verteidigung des Hauses, der am 6. Februar auf Indymedia.ch veröffentlicht wurde. Der Aufruf fand jedoch nur wenig Gehör, was zum einen an den tiefwinterlichen Temperaturen, zum anderen auf mangelnde Kommunikations- und Vernetzungsarbeit in der Anfangsphase der Besetzung zurückzuführen sein dürfte.

Räumung

Wie angekündigt rückte die Polizei gegen 8 Uhr morgens zur Räumung aus. Ein Augenzeuge schildert das, was nun passiert, detailliert auf Indymedia: Rund 30 Personen hatten sich aus Solidarität vor dem Gebäude versammelt und errichteten notdürftig Barrikaden, als 25 PolizistInnen in voller Kampfmontur die Brandschenkestrasse heraufzogen. Diese beginnen umgehend auf Distanz eine Salve Gummischrot auf die Leute abzufeuern. Die Ansammlung zerstreut sich. Mehrere Personen befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch am Dach - auch sie verlassen das Gebäude jedoch unerkannt noch vor dem Eindringen der Polizei. Der Gummischrot-Einsatz wird zunächst mit den "Steineschmeißern vom Dach", auf die ausschließlich gezielt sein worden soll, erklärt. In einer anderen Mitteilung an die Presse werden die Barrikaden als Ursache und Ziel genannt. Widersprüchlichkeiten in der Kommunikation der Polizei mit der "Außenwelt", die sich wie ein roter Faden wohl nicht nur durch diesen Polizeieinsatz ziehen - vgl. auch "Erklärungen", warum der Abriss nicht mit den Richtlinien der Polizei für Räumungen in Konflikt stehen soll im Abschnitt "... polizeiliche Desinformation".

Gummischrot säen ...

Mit nur 30 bis 50 PolizistInnen wurde das Uwaga in zwei Stunden geräumt - während Räumungen vergleichbar großer Besetzungen in Wien etwa 100 bis 250 BeamtInnen eingesetzt werden. Der (scheinbare) Vorteil dieses Vorgehens für die Polizei liegt also auf der Hand. Dass die Reaktionen auf Gummischrot anders ausfallen als auf "sanftes Abdrängen" - man denke nur an den vergangenen September mit vier Krawallen an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden wegen ein paar aufgelöster „illegaler“ Partys am Stadtrand - wird ignoriert, geleugnet oder als „zusammenhangslos“ abgestempelt.

Medien und Bevölkerung Zürichs halten Gummischrotgewehre - die der Polizei in den meisten „westlichen Demokratien“, inklusive Deutschland und Österreich, verboten sind - offenbar widerspruchslos für ein angemessenes Kommunikationsmittel im Umgang mit Leuten, die leerstehende Flächen und Gebäude bewohnen und mit öffentlichen Werkstätten, Küchen und Veranstaltungen beleben.

Merkwürdig ist in diesem Fall jedoch, dass das "Erstaunen" jedes Mal groß ist, wenn in Zürich Krawalle ausbrechen. „Woher kommt bloß diese Gewaltbereitschaft bei der Jugend?“ lautet dann jedes Mal die offenbar auch noch ernst gemeinte Frage der JournalistInnen und der Bevölkerung.

Keine Versammlungsfreiheit für GesellschaftskritikerInnen

Versammlungsfreiheit gibt es in Zürich de facto nicht. Jedenfalls nicht für Menschen, die nach Freiräumen verlangen, Abschiebungen (Ausschaffungen) ablehnen oder sonst irgendwie ihre Unzufriedenheit mit den herrschenden Zuständen in Stadt, Kanton und Land äußern wollen. Wird eine Demo spontan, ohne Anmeldung bei (und Genehmigung durch) die Polizei abgehalten, muss man auf eine diskussionslose, gewaltvolle Beseitigung aus dem Stadtbild vorbereitet sein. Das Ergebnis: friedliebende Menschen bleiben lieber zu Hause - zur Demonstration kommt oft nur, wer für „Krieg“ mit der Polizei gerüstet ist oder diesen zumindest in kauf nimmt, was der Polizei im Nachhinein natürlich die Rechtfertigung ihrer Gewaltanwendung erleichtert.

Da sich diese Strategie der Zürcher Polizei selbst erfüllt - je mehr Gewalt, desto mehr Gewalt - wird sie auch nach über 40 Jahren nicht infrage gestellt. Die krawall-lüsternen Medien betonen meist die Gewaltbereitschaft der Jugend und zitieren bereitwillig die berechenbaren Kommentare konservativer und rechter PolitikerInnen, die jede Gelegenheit nutzen, nach mehr PolizistInnen und mehr Befugnissen für die Polizei zu rufen. Schon nach dem zweiten Krawall im September 2011 forderte man von seiten der SVP FDP gar die Besetzung Zürichs durch die Armee, das u.a. dem Gratisblatt „Blick am Abend“ eine große Schlagzeile wert war. Die Frage, wessen Kinder sich aus welchen Gründen in Zürichs Innenstadt der Polizei in die Schusslinie stellen, wird selten gestellt und nie beantwortet. Das Gerücht, dass jugendliche „Chaoten“ und „Randalierer“ von einem anderen Planeten (wenn nicht gar aus Deutschland!) kommen, hält sich jedenfalls hartnäckig.

Räumung nach zwei Stunden beendet

Die Räumung des Uwaga geht indessen zügig voran. Auf dem vereisten Vorplatz des Haupteinganges nehmen PolizistInnen mit Vorschlaghammer Anlauf auf die Türe - und rutschen auf der Eisfläche aus. Sie brechen schließlich die Türe auf und lösen die Alarmanlage des Gebäudes aus - die erst nach etwa eineinhalb Stunden abgeschaltet werden kann. Die vielen Barrikaden an allen Seiten des Gebäudes verlieren angesichts des Eindringens durch den Haupteingang jede Bedeutung. Nur das Vordringen in die obersten Stockwerke verzögert sich dem Anschein nach. Lautes rumpeln und das Donnern des Vorschlaghammers sind noch bis Mittag zu hören.

Nach knapp zwei Stunden „erobert“ die Polizei das Dach. Kurz darauf wird die Räumung für abgeschlossen erklärt. FotografInnen und Kameraleute, die zuvor mit Verweis auf „Steine vom Dach schmeißende“ BesetzerInnen etwas abgedrängt wurden, wurden nun von Pressesprecher der Polizei, Mario Cortesi herbeigerufen, um an einer Besichtigung des Inneren des Gebäudes teilzunehmen - „auf eigene Gefahr“, wie es nun heißt. Man betritt das mit Scherben bedeckte Foyer des Gebäudes, von der steinernen Treppe sind fast nur noch die mit Steinplatten-Resten und Glasscherben bedeckten Betonträger übrig - über diese geht es in die oberen Stockwerke - nicht alle MedienvertreterInnen trauen sich. Beim Anblick der Barrikaden, herumliegender Möbel, Gerümpel und Kleidung, bemalter und bekritzelter Wände, wird über das „Schöner Wohnen“-Verständnis der BesetzerInnen gescherzt. Der Tages-Anzeiger veröffentlicht eine Reihe von Fotos aus dem Inneren des Gebäudes - unter anderem hat jemand einige Setzlinge im Haus zurückgelassen ...

Medien vs. polizeiliche Desinformation

Eine Fernsehjournalistin schüttet Cortesi ihr Herz aus: die HausbesetzerInnen seien unfreundlich und arrogant gewesen, als sie das Haus erreichte und die große Kamera auspackte. „Man kooperiere nicht mit Journalisten“, hat man ihr angeblich gesagt - und ihre Dreharbeiten behindert. Cortesi lächelt ihr zustimmend zu und erklärt schließlich die Polizei-Version der Dinge: Das Haus würde nun „unbewohnbar gemacht“, ein Sicherheitsdienst werde das Haus für „2, 3 Tage“ bewachen und anschließend würden die Abbrucharbeiten beginnen. Ob das Haus denn nun weiterhin leer stehe? „Nein, nein“, antwortet der Sprecher mit Verweis auf das „Merkblatt für Hausbesitzer“ - das wäre ja gar nicht erlaubt - es müsse einer der drei auf dem Merkblatt genannten Punkte vorliegen, damit geräumt werden dürfe. Es würde bald mit dem Bau eines „neuen Projektes“ begonnen werden - welches, wusste er jedoch nicht. Die anwesenden drei, vier JournalistInnen nicken verständnisvoll. Auf meinen Einwand hin, dass das Haus „angeblich“ noch zwei Jahre leer stehen würde, reagiert der Sprecher verneinend: das seien nur Gerüchte, die ich offenbar den HausbesetzerInnen entnommen hätte.

Als danach noch zwei, drei JournalistInnen den Polizisten in Rüstung und mit dem roten Megafon befragen, erzählt dieser voll überzeugter Gewissheit, dass das Haus „noch heute“ abgerissen würde und es für den Abbruch „keine Genehmigung brauche“ - während der Pressesprecher zehn Minuten zuvor noch erklärte, dass gemäß den „drei Punkten“ auf seinem Merkblatt Genehmigungen vorliegen müssten. Totale Verwirrung also, zumal auf Aspekte wie die Probebohrung, die vor einem Neubau wegen des unter dem Gebäude liegenden Bahntunnels durchgeführt werden müssen und das Gebäude voraussichtlich weitere zwei Jahre leer stehen wird bzw. das Grundstück im Falle eines Abrisses noch längere Zeit brach liegen würde, gar nicht erst eingegangen wurde. "Wir führen nur Befehle aus".

Uwaga geht - die Leute bleiben

Rund 30 Personen lebten nach Eigenangaben zuletzt im mehrere tausend Quadratmeter großen Gebäude. Dutzende Matratzen in bewohnt (und überstürzt verlassen wirkenden) Zimmern des weitläufigen Gebäudes bezeugen dies. In der großen Volxküche stehen noch Lebensmittel herum, überall liegt Kleidung, Handy-Ladegeräte und anderer Hausrat. Wer die Leute sind, die in dem Haus seit 19. Oktober gewohnt hatten, wollen sie nicht verraten. Lediglich von einem Occupy-Aktivisten ist zu erfahren, dass auch von ihnen „ein paar“ Leute im Haus gelebt haben - und sie sich diese Delogierung mitten im Winter keinesfalls gefallen lassen möchten.

die VoKü nach der Räumung ...
Insgesamt war es eine bunte Mischung aus Menschen, die in dem Haus lebten, was auch zu diversen Kommunikations- und Organisationsproblemen führte, die in den letzten Monaten manchmal kritisiert wurden. Doch man habe aus diesen Erfahrungen viel gelernt und für 2012 hatte man sich bereits viel vorgenommen, was die vielfältige Nutzung und Bespielung des Hauses betrifft - der nahezu unbegrenzt scheinende Raum wurde bereits von vielen für Werkstätten und Ateliers benutzt (vgl. auch Mediencommuniqué vom 25. Januar), weitere Einrichtungen waren geplant. Wie es nun weitergehen soll ist nicht klar - nur, dass es weitergehend wird.

Anmerkung: ein bis zwei Videos der Räumung sollen demnächst folgen und werden hier ehestmöglich verlinkt

Nachtrag 9.2.
- die Gratiszeitung "Blick am Abend" berichtet am 8.2. (S. 10) auch von folgendem, an keiner anderen Stelle erwähnten, Vorfall: "Nach der Räumung flüchteten die Besetzer laut einem Leserreporter über die Geleise der Sihltalbahn, kamen zurück und demolierten auf dem Hürlimann-Areal einen abgestellten Streifenwagen."
- "Freunde des Uwaga-Kollektivs" fordern "
Solidarität für das Uwaga-Kollektiv" (Indymedia Schweiz)

Nachtrag 10.2.
- In der Nacht auf 9.2. wurde in "Solidarität mit dem Uwaga Kollektiv und allen BesetzerInnen" das Haus von Stadtrat und Polizeidepartement-Vorsteher Daniel Leupi "besucht", es seien "Sprays und brennende Container" hinterlassen worden, denn "ihr Häuserkampf ist Teil von unserem Klassenkampf!", wie es im (angeblichen) Bekenner-Posting auf Indymedia heißt
 
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