Dienstag, 20. Oktober 2009

Das Unwissenschaftsministerium

Es ist schon merkwürdig, wie die Dinge in Österreich laufen. Sie laufen so merkwürdig, dass man als Österreicher oft gar nicht bemerkt, wie merkwürdig sie laufen. So wunderte und ärgerte es mich anfangs gar nicht wirklich, was aus dem Wissenschaftsministerium von Johannes Hahn tönte: Die Studentenzahlen steigen dramatisch, dagegen muss etwas unternommen werden.

Natürlich muss dagegen etwas unternommen werden, immerhin liegt Österreich in internationalen Statistiken bezüglich Studienanfänger und Akademikerquoten deutlich hinter den meisten EU-Ländern, und das soll ja auch so bleiben. Wo kämen wir denn hin, wenn alle Österreicher behaupten, sie seien klüger als ihre Regierung, und das auch noch nachweisen könnten?

Doch wie so oft agieren österreichische Politiker nicht nur gegen die Interessen derjenigen, für die sie zuständig sind, nein, sie agieren, anscheinend ohne es zu realisieren, auch gegen ihre eigene Interessen. Und damit meine ich nicht, dass es im Interesse des Wissenschaftsministers sein sollte, Wissenschaft und Bildung zu fördern - nein, diesen naheliegenden Schluss würde ich in der österreichischen Politik niemals zu ziehen wagen. Nein, ich meine natürlich den finanziellen Aspekt: Denn im Grunde geht es ja immer nur um die Marie: Selber will man sie haben, den anderen will man sie vorenthalten. Gut, offen bleibt, inwiefern Minister Hahn von Einsparungen in Bildung und Wissenschaft selbst profitieren würde - vermutlich handelt er ja nur als braver Parteisoldat im Sinne der ÖVP, die das Geld der Steuerzahler nun mal nicht für Bildung verschwendet sehen will, noch dazu, wenn das junge G'sindel sowieso entweder rechts oder links, aber nicht die gute, alte, anständige konservative Mitte wählt (warum bloß...?). Jedenfalls geht es ums Geld: Die Studenten sollen es nicht kriegen - eh schon wissen, Wirtschaftskrise und so!

Aber denken wir doch mal in dieser Logik weiter: Die Wirtschaftskrise wirft ihren Schatten voraus, auch auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Bedroht sind, wie eigentlich immer in den letzten Jahren, vor allem die arbeitsintensiven, produzierenden Betriebe, und zwar sowohl Hersteller von Konsum- als auch Investitionsgütern. Billige Arbeitskräfte sind woanders eben billiger. Und mit Lohndumpern wollen wir doch nicht ernsthaft in Konkurrenz treten? Es drohen also viele neue Arbeitslose mit geringer Bildung, die oft nur schwer eine neue Laufbahn einschlagen können - was ebenso mit großen Kosten von Arbeitslosengeld über Umschulungs- und Weiterbildungskosten verbunden ist. Gleichzeitig drängen natürlich weiterhin jährlich viele tausende Jugendliche neu auf den Arbeitsmarkt - nur ein kleiner Teil davon hat studiert. Gering qualifizierte Jugendliche treten in Konkurrenz mit gering qualifizierten Älteren. Das wird die Arbeitssuche für beide Gruppen wohl kaum erleichtern.

Dennoch gibt es tausende freie Arbeitsstellen, die häufig einen höheren Bildungsgrad erfordern. Vor allem in Hinblick auf von Österreich aus im Osten expandierende Unternehmen, wenngleich dieser Expansionskurs zumindest vorübergehend gebremst werden dürfte, werden gut ausgebildete Menschen förmlich aufgesogen. Voraussetzung natürlich: gute Sprachenkenntnis - am besten auch in einer osteuropäischen Sprache. Nur ein Beispiel, wo gut qualifizierte junge Menschen dringend gebraucht werden würden. Wo lernt man slawische bzw. osteuropäische Sprachen? An einer weiterführenden Schule in Österreich, womöglich in den (ost-)grenznahen Gebieten (also so gut wie überall, außer Vorarlberg, Salzburg und Tirol) - nein, natürlich nicht. Wir Österreicher lernen brav Latein, Französisch - und wenns sein darf auch Spanisch. Aber Tschechisch zur Matura? Ungarisch? Exotisch! Gibts so gut wie gar nicht! Also an die Uni - wo man die Sprache gleich in Kombination mit Landeskunde erlernen kann. Oder zumindest in einen Sprachkurs - aber zusätzlich wäre dann wohl auch ein Wirtschaftsstudium von Vorteil.

Und hat schon mal jemand in der Regierung in Wien an die positiven, verzögernden Effekte für den Arbeitsmarkt gedacht, die ein drei bis fünfjähriges Studium mit sich bringt? Jeder Jugendliche, der heute ein Studium beginnt, entlastet den österreichischen Arbeitsmarkt in den Jahren der Wirtschaftskrise - und unterstützt den darauffolgenden Aufschwung mit seinen hochgradigen Kenntnissen.

Einziger Nachteil: Dermaßen bornierte Kaputtverwalter wird so jemand kaum wählen. Verhinderte Studenten im Übrigen aber auch nicht.
 
blank info