Montag, 12. Juli 2010

Anti-Repressionsdemo in Wien, 12. Juli 2010 - Solidarität mit den drei U-Häftlingen...

Am Montag, 12. Juli, fand eine kurzfristig anberaumte und angemeldete Demo gegen Repression in Wien statt. Unter dem Titel "Gemeinsam gegen Repression - Solidarität mit den drei in U-Haft sitzenden Personen" wurde gegen jüngste Razzien und Festnahmen der Polizei protestiert, die in ihrer Vorgehensweise stark an die Tierrechts-AktivistInnen-Causa erinnern.

Am 6. Juli wurden drei WGs in Wien von der Polizei gestürmt, dabei wurden drei Personen in U-Haft genommen. Zeitgleich, gegen 16 Uhr Nachmittag, wurde das Vereinslokal des Kulturvereins Kaleidoskop (der sich übrigens ausdrücklich auch gegen Polizei-Repression wendet, vgl. Juli-Programm-Flyer) auseinandergenommen. Die Beschreibung der Vorgehensweise der Polizei bei dieser Razzia erinnert eher an Einbruchsdiebstahl: Türe eingetreten und Schloss aufgebrochen, Computer, Festplatten und auch der Tresor und die Handkasse wurden neben anderen Dingen (wie z.B. Seifenblasenlauge [!?]) mitgenommen. Informiert wurde auch nach der "Tat" niemand, immerhin ließ man die Feuerwehr die Türe wieder verschließen.

Warum?

Der Vorwurf, der den drei Verdächtigen gemacht wird, lautet, dass sie an einer Aktion gegen das Arbeitsmarktservice (AMS) am 29. Juni 2010 beteiligt waren, bei der Mülltonnen angebrannt wurden. Der Verein "Kaleidoskop" soll der Polizei zufolge als Vorbereitungs-, Ausgangs- und Lagerort der Aktion gedient haben.

Welche Aktion?

Obwohl die in der Stellungnahme von Kaleidoskop genannten Links zu "mehr Infos dazu" auf mittlerweile gelöschte Indymedia-Seiten verweisen, lassen sich - auch auf Indymedia - rasch andere Quellen finden. Die aussagekräftigste ist wohl diese hier (linksunten.indymedia.org), da hier sogar Fotos und ein Video (das verlinkte Video auf vimeo wurde zwar auch bereits gelöscht, doch findet sich das vermutlich selbe Video auch direkt auf einem indymedia-Server) der "Tat", einer Art Brandanschlag auf Mülltonnen im Eingangsbereich des AMS, beinhaltet. Diese Aktion nannte sich "BRANDZEICHEN SETZEN! - Direkte Aktion beim Arbeitsmarktservice Redergasse in Wien" Das AMS wurde demnach als "zentrales Organ des Kapitalismus" zum Ziel, da dort Menschen zur Ausbeutung am Arbeitsmarkt diszipliniert würden.

So what?

Unabhängig davon, wer die Tat begangen hat, wie man zu diesem Brandanschlag (anders kann das wohl nicht bezeichnet werden) steht und wie sinnvoll es ist, als Täter oder eingebundener Zeuge Fotos und ein Video zu machen und diese auch noch auf mehreren Webseiten hochzuladen, muss man letztlich nüchtern feststellen: Die "Brandzeichen"-Aktion gegen das AMS ist rechtlich gesehen reine (wenn auch vorsätzliche) Sachbeschädigung. Aber seit wann wird man wegen Verdachts auf vorsätzliche Sachbeschädigung tagelang in U-Haft genommen? Überseh ich da als Nicht-Jurist etwas? [Nachtrag: Danke an die Juristen unter uns ^^]

Und mit welcher Begründung wird die U-Haft länger als zwei Tage aufrecht erhalten? Tatwiederbegehungsgefahr? Fluchtgefahr? ...spätestens ab jetzt wirds merkwürdig! Und ein Vereinslokal - das praktischerweise fast ums Eck liegt - soll die Basis für diese Aktion gewesen sein? ...spätestens jetzt riechts nach § 278a - Bildung einer kriminellen Aktion! Offenbar zielt das Vorgehen der Polizei (Staatsanwaltschaft) auf diesen Paragraf hin ab. Sachbeschädigung als vergleichsweise banales Delikt reicht dem Staat nicht aus. Er will nicht die Tat ahnden, er will die politisch motivierten TäterInnen dauerhaft aus der Gesellschaft entfernen.

Ein solch energisches Vorgehen gegen politisch motivierte "Delikte" legt der Staat selten an den Tag, wenn die Täter gegen Minderheiten, Linke oder - ja, auch hier - den Staat vorgehen und agitieren. Ob es dabei die "richtigen" trifft, diese Frage stellt sich für die Behörden bei Linken gar nicht. Der Verein liegt ums Eck, die Leute sind links - ab in den Knast, da lässt sich schon was konstruieren... Notfalls reichen ja auch fehlende Beweise als Beweis, wie man im TierschützerInnen-Prozess staunenden Auges mitverfolgen darf.

zunehmende (?) Repression unter Fekter - überall

Folgerichtig stellten die Initiatoren der Demo, dem Vernehmen nach das dem Verein Kaleidoskop übergeordnete Kunst-, Kultur- und Medien-Netzwerk KuKuMA, eine Verbindung zwischen anderen Repressionsfällen, insbesondere in Bezug auf Paragraf 278a, und den jüngsten Razzien her, wie etwa den harten Urteilen gegen Anti-Fekter-DemonstrantInnen in Salzburg, denen "schwere Körperverletzung" (jede Berührung mit einem Polizisten (was als Rempeln oder Schubsen ausgelegt werden kann und oft auch wird) ist rechtlich gesehen "schwere Körperverletzung", "leichte" gibt es hier nicht!) angedichtet wurde, die Gewaltorgie gegen 1. Mai-DemonstrantInnen in Linz 2009 (in der Folge wurde auch hier jenen, die man wahllos aus der Menge gezerrt hat, "Widerstand gegen die Staatsgewalt" und "Schwere Körperverletzung" vorgeworfen, jedoch wurden letzendlich alle frei gesprochen), der stundenlangen Einkesselung und Anzeigen-Sintflut gegen 673 Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer der NO-WKR-Ball-Demo, die bekanntlich auf "Anweisung von oben" derart massiv unterdrückt wurde, oder auch zuletzt die Vorfälle an der "Goodbye Daddy's Pride"-Demo... näheres zu diesen Zusammenhängen und eine Übersicht über jüngste Anti-Repressions-Demos und -Aktionen auf Indymedia.

Demo

--> mehr Fotos hier

[Bild rechts: Immer mit dabei, die Zivi-Kieberei...]
Die Demo selbst ist (zum Glück) in wenigen Worten abzuhandeln, da sie friedlich und ohne jeglichen Zwischenfall verlief. Die Polizei verzichtete ebenso auf Provokationen wie auch (selbstverständlich) die TeilnehmerInnen der Demo. Da die für 16 Uhr angekündigte Demo aber erst um 17 Uhr startete und nach 18 Uhr das PAZ Hernalser Gürtel erreichte, hatte es die Polizei etwas eilig, die DemonstrantInnen von der Straße zu bringen (entweder war die Demo planmäßig nur bis 18 Uhr angekündigt oder die Polizei wollte generell den (Abend-)Verkehr(sterror) am Gürtel nur so kurz wie möglich aufhalten), was aber reibungslos verlief - schließlich war die Wiese im Schatten des Gürtelbogens ohnehin attraktiver als das aufgeheizte Pflaster und eigentlich war, der Ankündigung zufolge, schon für 18 Uhr der Beginn der After-Soli-Party im TüWi geplant (wohin viele auch rasch abzogen).

Um 16 Uhr befanden sich erst wenige Personen, etwa ein bis zwei Dutzend, am Treffpunkt am Schottentor, vor der Uni. Erst gegen 16:30 schien das Potential einer kurzfristig anberaumten Soli-Demo an einem heißen Sommernachmittag in der zweiten Ferienwoche ausgeschöpft zu sein, als etwa 75 Personen da waren. Als die Demo kurz nach 17 Uhr los zog, waren es schließlich über 150 Personen, was für eine gute Organisation, Vernetzung und Vorbereitung spricht - wenn man diese Demo mit anderen, zumeist wesentlich länger und umfangreicher angekündigten, der jüngeren Zeit vergleicht. Ebenfalls (leider) keine Selbstverständlichkeit (wie man zuletzt am Bildungsaktionstag im Juni an der Kundgebung vor dem Parlament und der anschließenden Demo gesehen hat): es gab Transparente, und zwar einige und aussagekräftige. Auch Flyer gab es mehr als genug, mit denen insgesamt ca. mehrere Hundert interessierte Passanten informiert wurden.

Die durchgehend von mehr oder weniger vielen Personen gerufenen Parolen lauteten u.a. "Solidarität muss Praxis werden - Feuer und Flamme den Repressionsbehörden" und irgendwas, das mit mit "...Freiheit für alle politischen Gefangenen" endete (wobei auf Intervention einzelner das "politischen" aus der Parole entfernt wurde). Je näher die Demo zum PAZ Hernalser Gürtel zog, desto öfter waren auch Anti-Abschiebungs-Parolen zu hören, etwa gegen die "Festung Europa", "no border, no nation, stop deportation" und am Hernalser Gürtel schließlich auch - wir erinnern uns - "solidarité avec des sans papiers".

Das sichtbare Polizeiaufgebot war vergleichsweise gering. Ein halbes Dutzend Kleinbusse, ein paar Streifenwägen, ein paar Motorräder. Insgesamt vielleicht 50 bis 100 PolizistInnen. Kein Vergleich zu früheren, ähnlich großen Demos. Die Polizei hat vermutlich - wie auch ich - mit deutlich weniger DemonstrantInnen gerechnet. Eine kürzlich stattgefundene Anti-Rep-Demo in Wien, an der ich nicht war, soll etwa 50 Personen gezählt haben.

Die Demoroute: Vom Schottentor über die Alserstraße zum Landesgericht, gegen den Uhrzeigersinn 1,5 Mal ums Landesgericht, dann die Florianigasse und Skodagasse zur Josefstädter Straße, von dort schließlich zum Gürtel mit Ziel PAZ Hernalser Gürtel. Dort angekommen war die Demo gegen 18:20 Uhr, um 18:30 war die Fahrbahn auch schon wieder frei.
 
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