Donnerstag, 6. Dezember 2012

Wien: Heftige Konfrontationen vor PAZ Rossauer Lände mit Polizei bei Versuch Abschiebungen zu verhindern (5.12.2012)

 [ Text: FMO, 6.12.2012 / alle Fotos (c) Daniel Hrncir ]

Am Abend des 5. Dezember 2012 versammelten sich gegen 19 Uhr zunächst etwa 30 Personen vor dem PAZ Rossauer Lände (Polizeianhaltezentrum, Schub-Gefängnis), um eine geplante Abschiebung nach Nigeria zu verhindern. Vermutlich wegen der vorangehenden Bildungsdemo waren bereits viele Polizei-Einheiten "bereit", und so füllte sich die Umgebung des PAZ Rossauer Lände rasch mit 10, 20 und schließlich 30 (!) VW-Bussen der Wiener Polizei. Etwa 200 PolizistInnen - also ca. 3 pro DemonstrantIn - "kümmerten" sich in der Folge um eine möglichst verzögerungsfreie Abschiebung. Lieber zigtausende Euro für das Durchboxen einer jeden Abschiebung mit Polizeigroßeinsätzen und Charterflügen investieren als den Leuten Asyl und eine Arbeitsbewilligung zur Selbsterhaltung zu geben. Eine interessante Umsetzung des "Leistungs"-Gedanken der österreichischen Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik! Sadismus muss einem schon was wert sein!

Polizei im Gewaltrausch

Auch die Zahl der Protestierenden wuchs auf etwa 70 Personen an, bis der erste Gefangenen-Transport Richtung Flughafen aus der Garagen-Ausfahrt fahren wollte. Die Menge versuchte am Gehsteig, die Ausfahrt zu blockieren, und als dies nicht gelang, versuchte man, die Transporter auf der Straße zu blockieren. Die Polizei ging dabei immer ruppiger vor.

Wie sich die Ereignisse im Detail zuspitzten, kann ich zur Zeit nicht genau rekonstruieren*, aber Fakt ist - das zeigen zum Teil Fotos und Videos, vor allem aber verschiedene Augenzeugenberichte bzw. Berichte von Beteiligten - dass die Polizei mit ungewohnter Gewalt gegen die unbewaffneten Protestierenden vorging. Es wurden Personen gewürgt bzw. im Würgegriff über die Straße gezerrt, von Blutergüssen, Schürf- und Kratzwunden erzählen andere. Laut einer Presseaussendung der SJ wurden auch Pfefferspray und Schlagstöcke gegen zum Teil noch SchülerInnen eingesetzt! Auch das Refugee Camp Vienna berichtet in einer Aussendung von Polizeigewalt.

Die Kommentare der PolizistInnen vervollständigen das Gesamtbild eines menschenverachtenden, zynischen Abschiebe-Apparats, der keine Skrupel hat, Menschen direkt ins Gefängnis des Herkunftslandes abzuschieben oder ihr Leben anderweitig aufs Spiel zu setzen, der lebensgefährlichen und oft traumatischen Flucht nach Europa Hohn spottend: "auf die frage "was soll das? warum so brutal?", die antwort: "weil ihr es verdient habt" ... auf die frage nach der dienstnummer, die antwort: "0664" (3mal!) und ein blödes grinsen", schildert eine Anwesende auf Facebook.

Wenn die Medien wegschauen


"Herkömmliche" Medien waren wieder mal keine vor Ort. Wenns die APA nicht weiß, macht sich auch sonst kein/e Journalist/in die Mühe, zu einer Spontandemo (über die Stunden im Voraus auch auf Facebook und Twitter durchaus öffentlich mobilisiert wurde) aufzubrechen. Klar, es gibt kaum noch "Reporter/innen" im klassischen Sinn - die auf der Straße Ereignisse beobachten, dokumentieren und zusammenfassend berichten. Das liegt an der Sparpolitik zwecks Gewinn-Maximierung bei Mediaprint, Raiffeisen- und anderen Konzern-Zeitungen (und leider nicht nur bei diesen), aber irgendwo müssen sich auch die JournalistInnen selber an die Nase greifen, denn das kann ja nicht sein, dass im Jahr 2012 PolizistInnen "unbeobachtet" SchülerInnen verprügeln - und niemand nimmt davon Notiz, auch wenn es noch so viele ZeugInnen gibt, denn wo kein "offizieller" Journalist, da keine glaubhafte Meldung (so offenbar das Credo) - meistens bleibt die Kronen Zeitung übrig, die ja ihre Informationen häufig direkt von der Polizei "zugesteckt" bekommt - bloß dann halt so, wie die Polizei gerne berichtet zu haben wünscht - die Krone liefert. Ein Armutszeugnis für den sich gern selbst beweihräuchernden "Watchdog der Demokratie".

Umso stärker empfehle ich daher jene JournalistInnen und Medien, die zwar nicht bei einem Medienkonzern arbeiten, dafür aber unabhängig agieren und keine Mühen scheuen, auch bei Schneeregen zu später Abendstunde und bei riskieren der eigenen Unversehrtheit jene Vorgänge zu dokumentieren, bei denen das offizielle Österreich, inklusive seine (Massen-)Medien, offenbar nur allzugerne wegschaut:




* eine ausführlichere Zusammenfassung der Ereignisse von jenem Journalisten, der von Anfang an dabei war und oben stehendes Video aufgenommen hat, findet man seit 6.12. hier: Richtigstellung von: Anti-Abschiebungs-Demo auf Rossauer Lände: Angeblich Polizeigewalt







Weitere Foto-/Video-/Textberichte:

- Daniel Hrncir: Abschiebung nach Nigeria (flickr)
- Daniel Weber: #NOBORDER Demo gegen eine Abschiebeaktion vor dem PAZ in #WIEN #stopdep (Fotos)
- neuwal.com / Daniel Weber: #NOBORDER Demonstration gegen eine Abschiebeaktion in #Wien (Artikel)
- vienna.at / Daniela Herger: Anti-Abschiebungs-Demo auf Rossauer Lände: Angeblich Polizeigewalt (Artikel)
- akin: PAZ Wien: Wieder Abschiebung durchgeprügelt

 
 
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