Mittwoch, 30. September 2009

KPÖ in Linzer Gemeinderat geprügelt

Nun haben die Vorfälle vom 1. Mai 2009, als Linzer Polizisten eine Demonstration der KPÖ auf der Linzer Landstraße, neben dem Volksgarten, zwischen Blumau und Goethestraße, einkesselte und nach etwa zwei Stunden auch noch auf die teils am Boden sitzenden Jugendlichen anstürmte, sie verprügelte und wahllos Teilnehmer verhaftete (siehe vorheriger Blog, Videos auf youtube), doch noch ein Nachspiel. Zwar nicht in der Art, wie es von einem funktionierenden Rechtsstaat zu erwarten wäre (nämlich, nicht zuletzt der eindeutigen Beweise auf Videomaterial von Beteiligten und auch Polizisten), nämlich dass die verantwortlichen und ausführenden Polizisten vor Gericht zur Verantwortung gezogen würden - nein, so weit ist der österreichische Rechtsstaat auch in seiner zweiten Republik, 64 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus und 54 Jahre seit Erlangung seiner Souveränität noch nicht. Ganz im Gegenteil: Jene Jugendlichen, die, nachdem sie zwei Stunden in Einkesselung zermürbt wurden und schließlich von auf sie los stürmenden Polizisten verprügelt wurde, wurden selbst vor Gericht gestellt: Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt! Merke: Wenn dich ein Polizist verprügelt - bewege dich nicht, lass es über dich ergehen, dann passiert dir auch nix! Vorausgesetzt du kannst dann noch geradeaus schauen und überlebst das Ganze! Darauf kannst du dich zwar nicht verlassen, aber wenn du überlebst, kommst du wenigstens nicht vor Gericht... wobei, selbst das ist nicht garantiert. Die Polizisten fingierten schließlich munter ihre Berichte und erfanden Aggressionen der Jugendlichen, die auf Videomaterial - die ganze Demo ist auf diversen Videos aufgezeichnet - nicht ansatzweise erkennbar waren. Und das reicht dann auch nicht immer, um einen Freispruch (schlimm genug, dass überhaupt Anklage erhoben wird!) zu erreichen: Entgegen jeder rechtsstaatlichen Logik und Pflicht wurde einer der fünf Angeklagten "im Zweifel" schuldig gesprochen, denn: "Ein Polizist würde sowas doch nicht erfinden" - und was sind schon Bild und Ton für Beweismittel? (Ich verweise an dieser Stelle an die Kurzgeschichte "Steckschwein's schwerster Fall" von Stermann & Grissemann; ein Fall, in dem alle denkbaren Beweise vorhanden sind - Zeugen, Bildaufnahmen, Tonaufnahmen, Geständnisse (wobei: Geständnisse von den Polizisten sind in diesem Fall natürlich nicht vorhanden), aber der Kommissar einfach nicht drauf kommen will, wer der Täter ist...).

Nun, Interessierten sind all diese Einzelheiten aus den Medien bestens bekannt. Im Internet finden sich zudem ebenfalls zahllose Möglichkeiten, die Ereignisse selbst nachzuvollziehen (siehe letzte Blogs über diesen Fall sowie dortige Links). Was weniger bekannt ist, sind vielleicht Aussagen von Linzer bzw. oberösterreichischen Politikern, vor allem von der ÖVP, die sich augenblicklich demonstrativ hinter die Polizei stellte und den kommunistischen Demonstranten via Medien teils Dinge unterstellten, die nicht mal die Polizei in ihren gefälschten Berichten (vor Gericht konnte sich niemand mehr "erinnern", was in den Berichten stand, die sie unterschrieben hatten - und Falschaussage sowie Geständnis kamen ja nicht infrage) erwähnte.

Die rechtlichen Folgen der 1. Mai-Ausschreitungen der Polizei sind also äußerst enttäuschend: Zwar wurden die Angeklagten Demonstranten bzw. zufällig Beteiligten bis auf einen Fall in erster Instanz frei gesprochen. Doch gab es keine Folgen für die Polizei, deren Vorgehen offensichtlich von höheren Stellen gedeckt wurde und wird, vermutlich sogar von diesen befohlen wurde. Ein noch schlimmeres Licht auf den Zustand der Exekutive und Justiz in Oberösterreich, respektive Linz, wirft dann noch die Tatsache, dass am Rande einer FPÖ-Veranstaltung am Urfahraner Jahrmarkt eine Schar rechtsextremer Jugendlicher am Hauptplatz eine Veranstaltung der SPÖ-"Kinderfreunde" attackierte - von Polizei weit und breit keine Spur. Der Polizei war natürlich bewusst, was für ein Publikum sich bei solch einem politischen Umfeld - FPÖ-Veranstaltung, KPÖ-Demo - in Linz herumtreibt, außerdem behauptet die Exekutive ja bei jeder Gelegenheit, die rechte Szene genauestens zu beobachten und kontrollieren, doch entschied man sich offensichtlich dafür, kein nennenswertes Polizeiaufgebot am Hauptplatz oder am Jahrmarkt einzusetzen, sondern stattdessen 200 kommunistische Demonstranten bei der Blumau zu schikanieren.

Doch gibt es, zumindest aus Sicht der Kommunisten, wenigstens eine positive Nachwirkung dieser für jeden an Demokratie und Rechtsstaat Glaubenden wirklich beunruhigenden Ereignisse: Erstmals seit 18 Jahren erreichte die KPÖ in Linz bei der jüngsten Gemeinderatswahl vom September 2009 wieder einen Sitz im Linzer Gemeinderat: Mit 1569 Stimmen, das sind 1,65 % aller gültig abgegebenen Wählerstimmen in Linz und 0,15 % mehr als bei der letzten Wahl.

Das haben die Linzer Polizei und alle, die diese uneingeschränkt bei allem was sie tut, unterstützen, nun davon: Einen KPÖ-Abgeordneten im Linzer Gemeinderat. Dass die in den Medien große Wellen geschlagen habenden Ereignisse vom 1. Mai, samt Gerichtsprozessen vor den Wahlen im Herbst, das ihre dazu beigetragen haben, kommt es doch nicht mal auf 150 zusätzliche Stimmen drauf an, dürfte wohl außer Frage stehen. Die unangenehme Wahrheit für alle Law & Order-Fanatiker und radikale Antikommunisten bzw. Rechtskonservative ist: Aus lauter Fanatismus KPÖ-Sympathisanten verprügeln bzw. den Verprüglern begeistert gratulieren und zujubeln ist alles andere als produktiv um die KPÖ als politische Kraft zu schwächen. Und wozu überhaupt schwächen, ist denn die KPÖ so stark? Sie war doch bisher gar nicht im Gemeinderat oder sonst wo vertreten! Aber wer verblendet und von (rechter) Ideologie getrieben ist, und noch dazu über Macht verfügt, neigt nun mal zu unverhältnismäßiger Aggressionsanwendung gegenüber den (vermeintlich) Schwächeren. Selbst, wenn dies mitunter gegenteilige als die gewünschten Effekte zur Folge hat.

Ich gratuliere der KPÖ daher, wenngleich ich persönlich kommunistischen Ideen aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen äußerst skeptisch gegenüber stehe, herzlichst zu ihrem Erfolg bei den Linzer Gemeinderatswahlen und hoffe, dass sie ihr Mandat sinnvoll und konstruktiv für linke, soziale und demokratische Politik nutzen!
 
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