Mittwoch, 19. Januar 2011

In Deckung gehen, die größte Menschenrechtsorganisation ist unterwegs!

In den letzten Tagen wurden mehrere Verhaftungen von nigerianischen Flüchtlingen, die teilweise seit 8 bis 10 Jahren in Österreich leben, bekannt. In einem Fall sprang ein Mann aus dem Fenster seiner Wohnung und verletzte sich schwer. Auch ein (weiterer) FC Sans Papiers-Spieler soll unter den Verhafteten sein. In einem anderen Fall wurde eine Frau, die von Menschenhändlern zur Prostitution gezwungen wurde, verhaftet, nachdem sie bei der Polizei eine Aussage gegen die Menschenhändler gemacht hatte. Die Polizei, befohlen von einer feigen und menschenverachtenden Politik, geht natürlich nicht gegen die Menschenhändler vor (diese sind ja gefährlich!) sondern gegen deren Opfer. Die Menschenhändler können also ungestört weiter machen, denn wer gegen sie aussagt wird von der österreichischen (!) Polizei (!) beseitigt (!). Dieses Vorgehen ist auch schon im Fall "abtrünniger" Tschetschenen bekannt, wo die tschetschenischen Auftraggeber von der österreichischen Polizei geschützt werden und politische Auftragsmorde folgenlos bleiben. Oder auf städtischer Ebene vom Bettelverbot, das sich angeblich gegen "organisiertes Betteln" wendet, aber in der Praxis nur gegen die Bettler selbst, nicht jedoch gegen etwaige Hintermänner angewendet wird.

"Menschenhandelsopfer, Brandanschlagsopfer, Fußballspieler und rund 30 mehr"

(Zitat: nochrichten.net)

Bei jenem Frontex-Abschiebeflug, der in der Nacht vom 19. auf 20. Jänner 2011 abgewickelt wird (vermutlich zwischen 0 und 1 Uhr) sollen dem Vernehmen nach insgesamt 15 (bis 20 oder 30) Personen abgeschoben werden. Ob ein Zusammenhang zu den Vorfällen im Wiener Tanzlokal "Congo" besteht, wo unter dem polizeiintern gebräuchlichen Schlagwort "Neger umhacken" mehrere afrikanisch-stämmige Personen beschimpft, schikaniert und unter fadenscheinigen Vorwürfen angezeigt wurden, besteht, ist nicht bekannt. Offenkundig ist aber das in letzter Zeit immer drastischere Vorgehen gegen Flüchtlinge mit dunkler Hautfarbe (von Populisten und Rechten pauschal als "Drogendealer" diffamiert) durch die Polizei (vgl. hierzu auch den kürzlich vor Gericht verhandelten Fall Mike Brennan).

Vor Gericht werden sich jene Beamte, die vor Ende des Verfahrens über humanitären Aufenthalt (beim MA 35 anhängig) vollendete Tatsachen geschaffen haben, jedoch nie verantworten müssen. Eine Verfahren zu "humanitärem Bleiberecht" hat keine aufschiebende Wirkung. Es ist zudem kein Recht, sondern wird nach freiem Ermessen der zuständigen (Weisungsgebundenen) Beamten gewährt oder auch nicht gewährt (oder das Verfahren wird überhaupt eingestellt, da die Polizei während des Verfahrens abschiebt).

kleine Demonstration - große Polizei

Am Vorabend des 19. Jänner wurde via Twitter und Facebook zu einer Demonstration um 17 Uhr vor dem Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände aufgerufen. Etwa 50 Personen folgten dem Aufruf. Medienberichte, denen zufolge der Aufruf vom Verein Purplesheep stammt, sind nicht wahr und werden vom Verein auf Facebook dementiert. Die Kundgebung war nicht angemeldet und wurde nach wenigen Minuten eingekesselt und nach 1,5 Stunden Polizeikessel aufgelöst. Nachdem die versammelten Personen die Straße vor dem PAZ Rossauer Lände betraten wurde sofort die Auflösung und Räumung angekündigt bzw. angedroht. Die Menge setzte sich daraufhin (wie üblich) in Bewegung, die Polizei forderte Verstärkung an und stoppte die Demonstration auf Höhe Hörlgasse 14, Ecke Liechtensteinstraße. Die Personalien der DemonstrantInnen sowie unbeteiligter PassantInnen (auch die NEWS-Redakteurin Corinna Milborn befand sich darunter) wurden aufgenommen, Anzeigen wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und die Straßenverkehrsordnung drohen. Strafrahmen: Im Wiederholungsfall bis zu 700 €.

Gezählte 14 VW-Kleinbusse, 8 Streifenwagen und 1 (unbenötigter) Gefangenentransporter waren im Einsatz. Nach Auskunft anwesender Personen soll ein Beamte gesagt haben, dass es sich bei diesem überdimensionierten Einsatz um eine "Übung" für die No-WKR-Demonstration am 28. Jänner handeln soll.

Klotzen, nicht kleckern, heißt es, wenn es um Einsätze der Wiener Polizei gegen Men
schenrechtsaktivistInnen geht - ein Engagement, das man beim (kaum vorhandenen) Vorgehen gegen organisierte Kriminalität (und damit mein ich nicht TierschützerInnen, sondern Auftragsmorde, Korruption und rechtsextreme Brandanschläge) vermisst.







In der Tat sind solch überdimensionierte Einsätze selten, jedoch nicht ungewöhnlich (auch in der ersten Hälfte des Jahres 2010 wurde besonders massiv gegen Anti-Abschiebungs-Demonstrationen vorgegangen, ein Mal war sogar ein großer Polizeibus im Einsatz, die Demonstranten wurden von einer Hundertschaft von Polizisten ab dem Schwedenplatz durch die Innenstadt gejagt). Bekannt ist aber auch, dass die Polizei vor Großereignissen tatsächlich kleinere Ereignisse zum Anlass für hartes Durchgreifen heranzieht. So etwa im Vorfeld der EM 2008.

Rassistische Wortmeldungen von Polizisten

Mehrere rassistische Wortmeldungen von Polizisten wurden dokumentiert. Eine Passantin fragt, um was es bei der Demo geht. Antwort des Polizisten: "Das sind Menschen die nicht wollen das kriminelle Ausländer abgeschoben werden." Polizist zu einem Demonstranten: "Wegen a bor Nega gehts es demonstriern?" (Quelle)

Weitere Informationen (siehe auch Links im Fließtext)

- Daniel Weber: DEMO gegen die Abschiebung von mindestens 3 Asylwerbern nach Nigeria (Bericht mit Fotos und Videos)
- NEWS: Neuer Skandal um Abschiebung: Opfer von Frauenhandel droht in Nigeria der Tod
- No-Racism.net: Proteste gegen Sammelabschiebung am 20. Jänner 2011
- wirbelwind.noblogs.org: Demonstration gegen geplante Abschiebung nach Nigeria
- nochrichten.net: Menschenhandelsopfer, Brandanschlagsopfer, Fußballspieler und rund 30 mehr: Sammelabschiebung nach Nigeria in der Nacht auf 20. Jänner – Protestaktionen und Polizeikessel. (besonders ausführlich!)
- Grüne Wien / Klaus-Werner Lobo: Opfer von Menschenhandel darf nicht abgeschoben werden! (OTS-Aussendung)
- Martin Juen: Polizeikessel bei Demonstration gegen Abschiebung | 19.01.2011 (flickr-Fotoalbum)
 
blank info