Freitag, 23. Oktober 2009

Bestzung des Audimax (ein paar Links...)

Am Donnerstag, 22. Oktober 2009, um 12 Uhr, war eine Demonstration im Votivpark vor der Universität Wien angekündigt. In Flyern, die am Vortag u.a. in Hörsälen verteilt wurden, hieß es, dass es Solidarität mit den Studierenden und Lehrenden der Universität für angewandte Kunst geben muss, weiters wurden deren Forderungen unterstrichen und um Teilnahme an der Demo gebeten.

Chronologie:
DO, 22.10.09:
- 12 Uhr: Demonstration im Votiv-Park vor der Hauptuni, mehrere hundert Personen
- 13 Uhr: Besetzung des Audimax
- 16 Uhr: Polizei versperrt Zugänge
- 17 Uhr: Polizei zieht ab
- in der Folge richten sich die bis zu 2000 Besetzer nach und nach ein. Es werden Arbeitsgruppen eingerichtet, um weitere Aktionen zu planen und konkretere Forderungen auszuarbeiten, eine Pressestelle wird eingerichtet, über facebook, studivz und twitter wird kommuniziert und Aussendungen werden gemacht.

Etwas später wird auch eine Volksküche in Angriff genommen, mit Sach- und Geldspenden wird Einrichtung und Lebensmittel herangeschafft, freiwillige kochen in einem Großkochtopf Linsencurry, außerdem gibts später noch Salat und kiloweise Brot samt Margarine, Marmelade und diversen, offenbar als Einzelspenden eingegangenen Aufstrichen.

Mittlerweile ist auch die Aula besetzt - die Besetzung dort versandet aber aufgrund der Versperrung sämtlicher Eingänge, bis auf den "Haupteingang" am Schottentor, durch Securities. Diese Securities tummeln sich dann hauptsächlich in der Aula herum, etwa 10 bis 15 an der Zahl. An jedem Ein-/Ausgang sind jedoch ebenfalls mindestens 2 postiert. Mehrere Hörsäle werden als Schlafstätten auserkoren und ebenfalls besetzt.

Die ÖH unterstützt die Bewegung, die von keiner politischen Fraktion ausging, mittlerweile. Unter den ÖH-Fraktionen bilden sich mittlerweile Fronten: Die konservative "Service-Fraktion" AG meint, die Proteste eskalierten in Zerstörung und Gewalt und seien daher der falsche Weg, denn man könne ja auch so dem Minister seine Wünsche vortragen (!). Man solle besser Ministerium oder Bundeskanzleramt besetzen (als ob das funktionieren würde), denn so erreiche man nichts und behindere nur lernwillige Studenten. Die übrigen Fraktionen dürften meines Wissens nach (fast?) alle auf der Seite der Besetzer sein.

Plattformen der Bewegung:
- freiebildung.at
- Facebook
- Twitter/unibrennt

ausführlicher Pressespiegel, national und international:
- auf unet.at

Berichtübersicht:
(der Einfachheit halber verlinke ich hier von den Print/Online-Medien nur den Standard, da dieser eine sehr ausführliche, laufend aktuell gehaltene Berichterstattung bietet)

- derstandard.at, Tag 1 - eingebettete Standard-Journalisten, Sebastian Pumberger und Teresa Eder, halten die Außenwelt ständig am laufenden, updates im 10- bis 30-Minuten-Takt.
- derstandard.at, Tag 2

Fotostrecken:
- derstandard.at, Tag 1

Umfragen:
- derstandard.at - Ist die Besetzung gerechtfertigt?

Fernsehen:
Tag 1, DO 22.10.2009:
- Wien Heute, ORF 2, 19 Uhr (siehe YouTube)

Radio (vermutlich schwer unvollständig)
- FM4, 22.10., abends: Bericht und Interviewaufnahmen
- FM4, 23.10., 15 Uhr: Connected, 19 Uhr: Jugendzimmer
- Radio Energy hatte schon Donnerstag-Abend einen Reporter (mit Converse-Schuhen ^^) vor Ort, für eine Sendung Freitagfrüh vermutlich.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Das Unwissenschaftsministerium

Es ist schon merkwürdig, wie die Dinge in Österreich laufen. Sie laufen so merkwürdig, dass man als Österreicher oft gar nicht bemerkt, wie merkwürdig sie laufen. So wunderte und ärgerte es mich anfangs gar nicht wirklich, was aus dem Wissenschaftsministerium von Johannes Hahn tönte: Die Studentenzahlen steigen dramatisch, dagegen muss etwas unternommen werden.

Natürlich muss dagegen etwas unternommen werden, immerhin liegt Österreich in internationalen Statistiken bezüglich Studienanfänger und Akademikerquoten deutlich hinter den meisten EU-Ländern, und das soll ja auch so bleiben. Wo kämen wir denn hin, wenn alle Österreicher behaupten, sie seien klüger als ihre Regierung, und das auch noch nachweisen könnten?

Doch wie so oft agieren österreichische Politiker nicht nur gegen die Interessen derjenigen, für die sie zuständig sind, nein, sie agieren, anscheinend ohne es zu realisieren, auch gegen ihre eigene Interessen. Und damit meine ich nicht, dass es im Interesse des Wissenschaftsministers sein sollte, Wissenschaft und Bildung zu fördern - nein, diesen naheliegenden Schluss würde ich in der österreichischen Politik niemals zu ziehen wagen. Nein, ich meine natürlich den finanziellen Aspekt: Denn im Grunde geht es ja immer nur um die Marie: Selber will man sie haben, den anderen will man sie vorenthalten. Gut, offen bleibt, inwiefern Minister Hahn von Einsparungen in Bildung und Wissenschaft selbst profitieren würde - vermutlich handelt er ja nur als braver Parteisoldat im Sinne der ÖVP, die das Geld der Steuerzahler nun mal nicht für Bildung verschwendet sehen will, noch dazu, wenn das junge G'sindel sowieso entweder rechts oder links, aber nicht die gute, alte, anständige konservative Mitte wählt (warum bloß...?). Jedenfalls geht es ums Geld: Die Studenten sollen es nicht kriegen - eh schon wissen, Wirtschaftskrise und so!

Aber denken wir doch mal in dieser Logik weiter: Die Wirtschaftskrise wirft ihren Schatten voraus, auch auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Bedroht sind, wie eigentlich immer in den letzten Jahren, vor allem die arbeitsintensiven, produzierenden Betriebe, und zwar sowohl Hersteller von Konsum- als auch Investitionsgütern. Billige Arbeitskräfte sind woanders eben billiger. Und mit Lohndumpern wollen wir doch nicht ernsthaft in Konkurrenz treten? Es drohen also viele neue Arbeitslose mit geringer Bildung, die oft nur schwer eine neue Laufbahn einschlagen können - was ebenso mit großen Kosten von Arbeitslosengeld über Umschulungs- und Weiterbildungskosten verbunden ist. Gleichzeitig drängen natürlich weiterhin jährlich viele tausende Jugendliche neu auf den Arbeitsmarkt - nur ein kleiner Teil davon hat studiert. Gering qualifizierte Jugendliche treten in Konkurrenz mit gering qualifizierten Älteren. Das wird die Arbeitssuche für beide Gruppen wohl kaum erleichtern.

Dennoch gibt es tausende freie Arbeitsstellen, die häufig einen höheren Bildungsgrad erfordern. Vor allem in Hinblick auf von Österreich aus im Osten expandierende Unternehmen, wenngleich dieser Expansionskurs zumindest vorübergehend gebremst werden dürfte, werden gut ausgebildete Menschen förmlich aufgesogen. Voraussetzung natürlich: gute Sprachenkenntnis - am besten auch in einer osteuropäischen Sprache. Nur ein Beispiel, wo gut qualifizierte junge Menschen dringend gebraucht werden würden. Wo lernt man slawische bzw. osteuropäische Sprachen? An einer weiterführenden Schule in Österreich, womöglich in den (ost-)grenznahen Gebieten (also so gut wie überall, außer Vorarlberg, Salzburg und Tirol) - nein, natürlich nicht. Wir Österreicher lernen brav Latein, Französisch - und wenns sein darf auch Spanisch. Aber Tschechisch zur Matura? Ungarisch? Exotisch! Gibts so gut wie gar nicht! Also an die Uni - wo man die Sprache gleich in Kombination mit Landeskunde erlernen kann. Oder zumindest in einen Sprachkurs - aber zusätzlich wäre dann wohl auch ein Wirtschaftsstudium von Vorteil.

Und hat schon mal jemand in der Regierung in Wien an die positiven, verzögernden Effekte für den Arbeitsmarkt gedacht, die ein drei bis fünfjähriges Studium mit sich bringt? Jeder Jugendliche, der heute ein Studium beginnt, entlastet den österreichischen Arbeitsmarkt in den Jahren der Wirtschaftskrise - und unterstützt den darauffolgenden Aufschwung mit seinen hochgradigen Kenntnissen.

Einziger Nachteil: Dermaßen bornierte Kaputtverwalter wird so jemand kaum wählen. Verhinderte Studenten im Übrigen aber auch nicht.

Samstag, 17. Oktober 2009

Total Meschugge? SPÖ immer näher am blanken Wahnsinn...

Die SPÖ, die sich selbst, so zumindest ihre Führung, "auf dem richtigen Kurs" sieht, der den Menschen bloß "noch besser" vermittelt werden müsse, verliert nun scheinbar Stück für Stück auch noch die letzten verbliebenen Bezüge zur Realität und zu ihrer Ideologie. Nachdem die SPÖ schon bei der Regierungsbildung wie selbstverständlich auf sämtliche wichtige Ministerien (Innenministerium für Sicherheit und die umstrittenen "Ausländerfragen", Finanz für alles, was die Regierung tut) und auch auf den Anspruch, eine/n EU-Kommissar/in zu stellen, setzt sich diese vollkommene Ablehnung jeglicher Verantwortung und Perspektiven nun in der nächsten Instanz fort: Österreich soll einen EU-Kommissar bekommen. Die aktuelle Kommissarin, Benita Ferrero-Waldner, wurde von der ÖVP gestellt und trat einst als Konkurrentin zu dem von der SPÖ unterstützten Heinz Fischer im Präsidentschaftswahlkampf auf. Naheverhältnis zur SPÖ? Keines erkennbar. Auch der neue Vorschlag für einen EU-Kommissar, an dem die SPÖ wie eben erwähnt bisher keinerlei Interesse zeigte, kommt natürlich wieder von der ÖVP. Eine rein ÖVP-interne Debatte also, wer denn nun EU-Kommissar werden soll.

Aber was macht Bundeskanzler Faymann? Er mischt sich ein und setzt sich für Ferrero-Waldner ein. Nun bin ich ja nicht gerade in die innersten Regierungsangelegenheiten eingeweiht und ob es wirklich bloß eine Störaktion, um die ÖVP zu ärgern, sein soll, wie manche Medien mutmaßen, wage ich auch bezweifeln - denn wo wäre denn da der Sinn dahinter? Die ÖVP, ohne Chance dabei irgendeinen Vorteil zu erreichen, ärgern, damit sie wieder Grund hat, sich bei der SPÖ zu revanchieren (querlegen bei der Bildungsreform, Studiengebühren, Sozialfragen...)? Sind wir im Kasperltheater oder was? Ich mein, der SPÖ kann man mittlerweile alles zutrauen, da sie doch ohne jegliche erkennbare Perspektive total benommen durch die Politik- und Wahllandschaft taumelt, widersprüchliche, oft haarsträubende Aussagen und Ansagen von sich gibt und zwischen bedingungsloser, demonstrativer Unterstützung der ÖVP (Abschaffunf der verteilungspolitisch wichtigen Schenkungs- und Erbschaftssteuer) und pseudo-sozialistischen Prinzipien (Hacklerregelung, die vornehmlich Beamte betrifft, Studiengebühren, die den vorwiegend aus gut verdienenden Häusern stammenden Studenten ihres Beitrags zur Umverteilung enthebt) hin- und herpendelt und somit die Zurechnungsfähigkeit dieser Partei immer stärker in Frage stellt.

Die SPÖ unterstützt nun also eine ÖVP-Kandidatin in der Frage der Bestellung des nächstens österreichischen EU-Kommissars, statt einen eigenen Kandidaten aufzustellen oder das Thema einfach zu ignorieren, wo man doch der EU so gleichgültig bis ablehnend gegenüberstellt - zumindest laut dem letzten Nationalratswahlkampf, der nach den Wünschen Hans Dichands gestaltet wurde. Blöd halt, dass selbst Dichand die Richtungsverwirrung der SPÖ mittlerweile zu blöd wurde und nun die beiden Prölls, nach Vorbild der polnischen Kaczynski-Zwillinge, in die höchsten Funktionen der österreichischen Politik hieven will.

Und zum drüberstreuen liefert die Linzer SPÖ nun ihre politische Bankrotterklärung ab. Die vermeintlich neben Wien letzte große Bastion der sozialistischen Arbeiterschaft erklärt sich aufgrund der jüngsten Wahlergebnisse nun ebenfalls für überflüssig und beginnt mit ihrer Demontage sowie der Verteilung der Erbschaft: Allen voran gibt man gleich mal der FPÖ, die ihre Stimmen einer realitätsverweigernden SPÖ verdankt, das neu geschaffene Sicherheitsressort und betraut einen FPÖ-Politiker, dem beim Bundesheer wegen seiner rechtsextremen Kontakte die Offizierslaufbahn verweigert wurde, mit der Schaffung einer Linzer Stadtwache. Bravo, SPÖ! Die Erklärung dazu: Der Wählerwille wolle es so! Das ist natürlich eine feige Ausrede, die verschleiern soll, dass die Linzer SPÖ keine Lust mehr auf Realpolitik hat, aber zuminest in einem Satz möchte ich das doch noch widerlegen: Die FPÖ, die eine Stadtwache forderte, bekam trotz hoher Stimmengewinne WENIGER Stimmen als die SPÖ. Zählt man FPÖ und ÖVP-Wähler zusammen, da auch die ÖVP für eine Stadtwache eintrat, kommt man auf rund 42,5 % (siehe Wahlergebnis) Grüne, SPÖ und Kommunisten kommen demnach auf die übrigen 57,5% - und diese wünschten keine Stadtwache. "Der Wählerwille" war einer Stadtwache gegenüber also bestenfalls gleichgültig bzw. unentschlossen eingestellt. Der selbe Wählerwille wollte übrigens auch keinen Herrn Dobusch als Bürgermeister. Tritt er nun zurück?

Die Stadtwache soll nach dem nächsten Sommer ihren Dienst mit etwa 30 Mann (und Frau?) Personal aufnehmen. Es wird überlegt, ob ein bereits existierender privater Sicherheitsdienst beauftragt wird, oder stadteigenes Personal. Die SPÖ als neoliberale Law & Order Partei! Ist das der neue Kurs?

Ich bin schon sehr gespannt auf die ersten Zwischenfälle zwischen FPÖ-nahem Sicherheitspersonal und der überwiegend linksalternativen Linzer Jugend auf der Donaulände bzw. rund um Hauptplatz und Altstadt, wo viele Jugendliche mit Migrationshintergrund - zugegebenermaßen nicht immer in Gentleman-Manier, aber die fehlt genauso vielen nicht-migrationshintergründlichen Jugendlichen dort - ihre Freizeit mit Alkohol begießen. In überheblicher Verkennung der Verhältnisse vor Ort wird ein städtischer Sicherheitsdienst - der naheliegenderweise ideologisch eher der FPÖ und ihrem rechten Gedankengut nahe stehen wird und somit wenig von "Multi-Kulti" und linksalternativen Jugendlichen halten wird - in die Altstadt platzen, um dort für "Recht und Ordnung" zu sorgen und damit auf jeden Fall für große Schlagzeilen sorgen. Denn selbst die Polizei sah sich bereits wiederholt zu einem Rückzug aus der Altstadt gezwungen, etwa, als in einem vorwiegend von Schwarzafrikanern besuchten Lokal eine Verhaftung vorgenommen werden sollte (es kam zu einem großen Tumult, infolgedessen die Polizei in arge Bedrängnis geriet). Auch auf den ersten Zusammenstoß zwischen Stadtwache und Punks, die gerne am zentralen Taubenmarkt rumhängen, bin ich schon sehr gespannt.

Bürgermeister Dobusch, der sich wohl eher als Erneuerer und Kulturhauptstadtmacher in der Stadtchronik eingetragen sehen will, riskiert nun die Überschattung seiner durchaus nicht verachtenswerten Bilanz als langjähriger Bürgermeister von Linz mit einer Kapitulation vor der FPÖ - die nicht einmal 15 % der Wählerstimmen erhielt - der er die Sicherheitsagenda zuspricht und somit den sozialen Frieden der Stadt zugunsten einer Radau-Partei aufs Spiel setzt, ohne, dass er sich selbst dabei irgendeinen Gewinn versprechen könnte. Denn der Glaube, die FPÖ durch Einbeziehung in Regierungsverantwortung "entzaubern" zu können, sollte seit der Schüssel-Regierung deutlich überholt sein. Die Entzauberung währte nur wenige Jahre und war begleitet von massiven Schäden, die diese Partei in ihren Verantwortungspositionen Staat, Gesellschaft und Budget zugefügt hat. Mit Appeasement-Politik kann man populistische und rechtsextreme Hetze nicht entzaubern, das sollte spätestens seit dem zweiten Weltkrieg eine international bekannte und anerkannte Erkenntnis sein. Aber die ist in Linz vielleicht noch nicht angekommen, denn Linz wird nun wieder Provinz.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Österreichische Exekutive in der Krise

Wie bereits im vorigen Posting relativ deutlich zum Vorschein gekommen, zeigt auch dieser Fall die Rückständigkeit des österreichischen Rechtsstaates. Weisungsgebunden wie ein Staatsanwalt nun mal gegenüber dem vorgesetzten Innenminister ist, gab es im Zuge der 2008 veröffentlichten Emails des ehemaligen Innenministers Ernst Strasser, die Vorwürfe wegen Amtsmissbrauch zur Folge hatten, keine Ermittlungen. Jedenfalls nicht gegen den ehemaligen Innenminister, sehr wohl jedoch gegen unbekannte "Täter", die die vertraulichen Emails veröffentlichten.

Nun ist es natürlich so, dass vertraulicher Briefverkehr nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Aber die Veröffentlichung findet seine Rechtfertigung und Notwendigkeit eben in den Umständen des österreichischen Rechtsstaates: Wäre der Briefverkehr nicht veröffentlicht worden, hätte es nicht nur keine Ermittlungen gegeben, sondern auch die Öffentlichkeit wäre von diesem Missstand nie in Kenntnis gesetzt worden. Wie schon in vielen Fällen zuvor, etwa die "Affäre Kleindienst". Zur Erinnerung: Josef Kleindienst, einst FPÖ-Gewerkschafter, brach um die Jahrtausendwende mit der FPÖ und veröffentlichte Bücher. "Darin", so Die Presse, ist von FP-Politikern auf Fact-Finding-Mission im Bordell zu lesen. Oder von FP-Politikern, die sich illegal Informationen aus dem Polizei-Computer besorgen. Die ,Spitzel-Affäre' sorgte monatelang für Wirbel und endete damit, dass der ,Aufdecker' selber vor Gericht stand - und [nachdem er in erster Instanz schuldig gesprochen und zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde, Anmk.] freigesprochen wurde." (Die Presse, gh, Printausgabe vom 14. Juni 2007; online (abgerufen am 1. Oktober 2009))

Jedenfalls verjährten im Falle Kleindienst alle brisanten Vorwürfe gegen prominente Politiker, bevor sich die Staatsanwaltschaft damit beschäftigte. Selbes Muster auch heute: Jene Vorwürfe gegen Ernst Strasser, denen die Staatsanwaltschaft hätte nachgehen sollen, sind mittlerweile verjährt. Die Anzeigen wegen Amtsmissbrauch (gegen Strasser) und gegen die unbekannten "Aufdecker" gingen zeitgleich 2008 ein. Die Ermittlungen gegen die "Verräter" (so musste es von außen wohl wahrgenommen werden) wurden sofort eingeleitet, die Anzeige gegen Strasser soll angeblich, so der Staatsanwalt (laut orf.at am 1. Oktober 2009) "übersehen" worden sein. Die Verjährungsfrist bei Amtsmissbrauch: lächerliche fünf Jahre! Die Legislaturperiode einer Regierung: fünf Jahre!

Hat der Rechtsstaat noch irgendeine Chance, gegen Amtsmissbrauch vorzugehen, oder haben österreichische Regierungsangehörige nun auf Lebenszeit wegen vergangenen Amtsmissbräuchen nichts zu befürchten? Wie wärs mit einer Verlängerung der Verjährungsfrist oder mit einer Ausgliederung jener Stellen aus dem Innenministerium, die bei Vorwürfen wegen Amtsmissbrauches oder bei Vorwürfen gegen Exekutivbeamte zu ermitteln haben? Denn dass Ermittler bzw. Staatsanwälte aus dem Innenministerium, die dem Innenminister weisungsgebunden sind, nicht "gerne" gegen den Innenminister oder "Kollegen" ermitteln, sondern entsprechende Anzeigen lieber "übersehen" und einfach verjähren lassen, hat sich in der Vergangenheit oft genug gezeigt, zeigt sich auch in der Gegenwart und scheint überhaupt zur Praxis beim Umgang mit Anzeigen gegen Angehörige der Exekutive geworden zu sein.
 
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