Samstag, 30. Juli 2011

Hausprojekt reloaded: Schwarze Katze kapert Triester Straße 114

+++ Update: Sonntagvormittag (31.7.) wurde unangekündigt und unerwartet geräumt, laut Presseaussendung der BesetzerInnen (ASK) ohne Räumungsbescheid! Berichte dazu (Auswahl) am Ende des Beitrags +++

Nach über einem Monat Rätselraten (seit Ankündigung auf dem Blog der "Aktion Schwarze Katze", ask.noblogs.org) ist das Geheimnis nun gelüftet:
die Triester Straße 114 ist wieder besetzt! Das Haus wurde bereits im Oktober 2009, nur knapp drei Wochen vor Ausbruch der größten Uni-Proteste Österreichs mit der Besetzung der Akademie der Bildenden Künste durch Studierende und Lehrende, für zehn Tage besetzt. Damals wurde im Haus binnen kürzester Zeit ein soziales Zentrum mit starker künstlerischer Ausprägung eingerichtet, von der Stadt eine Woche lang "geduldet" und nach dem zweiten Wochenende am frühen Morgen geräumt. Seit Freitag, 29. Juli 2011, ist es wieder besetzt.

Lügen, auch gedruckt: Sprechrituale von Eigentümern leerstehender Immobilien

Wie immer bei einer Besetzung kommt von der Eigentümerseite her als erstes die Behauptung, das (meist seit Jahren) leer stehende Gebäude XY würde "sofort", "demnächst", "nächste Woche" oder "nächstes Monat" umgebaut/abgerissen/neu gebaut/renoviert/saniert/neu genutzt. Wie immer sind das reine Lippenbekenntnisse, die von Außenstehenden nicht überprüft werden können. JournalistInnen, sofern sie überhaupt auf die Besetzung aufmerksam werden, begnügen sich ebenso routiniert Jahr für Jahr aufs neue mit diesen Antworten der Eigentümer. Besonders professionell in diesem Spiel des routinierten Belügens ist die Stadt Wien, respektive die Abteilung des Wohnbaustadtrates Michael Ludwig. Aus dessen Büro hört man zu besetzten Liegenschaften in städtischem Eigentum nicht nur stets die Behauptung, es würden "fixe Pläne", die "bewilligt"/"beauftragt"/"geplant"/"finanziert"/"baureif" etc. für ein Grundstück/Immobilie vorliegen (vgl. sämtliche Stellungnahmen der Stadt Wien zu Besetzungen in den letzten Jahre) - nein! Um das Spiel über Jahre hinweg erfolgreich fortzuführen, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren, hat sich Ludwigs Abteilung noch etwas besseres einfallen lassen: Visualisierungen!

Besonders schön sieht man das am Beispiel der Triester Straße 114. Im Oktober 2009 hieß es dazu, die Stadt benötige das (seit 2007 leer stehende und in seiner Außenansicht aus der ORF-Sitcom "MA 2412" bekannte) Gebäude umgehend für ein neues Büroprojekt bzw. "Amtsräume". Zur Untermauerung wurde nach der Räumung eine große, anschauliche
Tafel an die Fassade des Gebäudes geheftet, mit einer kühnen Behauptung:

"Baubeginn: November 2009 - Geplantes Bauende: November 2011" (Foto vom 29. Juli 2011)

Na dann werfen wir doch einmal einen Blick auf den Baufortschritt!

auf den ersten Blick scheint sich nicht viel verändert zu haben ...














... ein Blick auf die Rückseite bestätigt den ersten Eindruck



Doch wirft man einen Blick auf das Innere des Gebäudes zeigt sich: der Fußbodenbelag wurde rausgerissen - ebenso alles, was jemals irgendwie an den Mauern befestigt war. Die Stadt halt also keine Kosten und Mühen gescheut, den Umbau vorzubereiten. Doch warum zögert sie, den Umbau endlich zu beginnen? Ob das alles in zwei Monaten noch zu schaffen ist?



















Das gleiche Vorgehen kann man nun auch beim Lobmeyr-Hof mitverfolgen. Wenige Tage nach der Räumung (und Interviews mit Stadtpolitikern der SPÖ, dass bereits bewilligte Baupläne vorliegen würden) wurde etwa ein Eintrag zum Lobmeyr-Hof auf wienweb.at am 15. Juli 2011 "aktualisiert" - und zwar indem eine Visualisierung des generalsanierten Lobmeyr-Hofs in der Zukunft eingefügt wurde. Mit Baubeginn wurde "voraussichtlich 2012" angegeben. Laut Insidern darf dies jedoch bezweifelt werden, da es entgegen der Behauptungen seitens der Stadt noch keinen genauen "Fahrplan" geschweige denn vergebene Aufträge an Baugesellschaften gebe. Fazit: Einer Besetzung soll wieder einmal mit dem Argument des bevorstehenden Umbaus die Legitimation entzogen werden. In Wahrheit scheint sich das "übliche" Szenario abzuzeichnen: Auf jahrelangen Leerstand folgt eine Besetzung folgt jahrelanger Leerstand.

andere fragwürdige Rituale: wenn die Polizei durchs Kellerfenster klettert ...

Kurz nachdem Freitagabend mehrere Dutzend BesetzerInnen durch ein offen stehendes Kellerfenster ins Haus gelangt sind, ein Staunen: zwei Polizisten stürmen das Treppenhaus hinauf, eine Stampede setzt sich in den zweiten Stock in Bewegung. Frage: Wie sind die Polizisten ins Haus gelangt? Und wie konnten sie so schnell von der neuerlichen Besetzung erfahren?

Ungeachtet dieser Fragen ist die rechtliche Lage klar: ohne Auftrag durch den Besitzer/die Besitzerin, hat die Polizei auf einem "privaten" Grundstück nichts zu suchen. HausbesetzerInnen können - das ist im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) klar definiert - nur mit einem Räumungsbescheid, der vom Eigentümer unterschrieben ist, aus einem Haus befördert werden. Klar bietet das SPG willkommene Schlupflöcher, allen voran die "Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung" - und das kann die Polizei definieren, wie sie will. Dennoch: Die Polizeistreifen des Bezirks Favoriten hatten keinen derartigen Auftrag. Auf welche Weise auch immer bekamen sie rasch von der Besetzung Wind und dürften offenbar in gleicher Weise wie die BesetzerInnen - vermutlich als Exekutivbeamte mit klaren Do's & Dont's sogar noch unbefugter - durchs Kellerfenster geklettert sein. Die Verwirrung war perfekt, die Ausflüchte der Beamten originell: "Wir ziehen da jetzt auch ein", war eine der Reaktionen auf den Hinweis, dass nach § 37 SPG eine Hausbesetzung nur mit Räumungsbescheid geräumt werden kann.

Auf Du & Du mit dem LVT - oder: A Kiwara is ka Hawara

"Leider" war die Motivation der zur Verstärkung angeforderten KollegInnen etwas geringer: Bis auf ein oder zwei WEGA-Beamte (herbeigerufene Sektorstreife) zeigte niemand Lust, ebenfalls durchs Kellerfenster zu klettern. Nach über einer halben Stunde - es waren bereits 10 bis 15 Streifenwägen und VW-Busse vor Ort, sogar Polizeihunde wurden angeliefert - zogen die Einheiten wieder ab. Offenbar ging es nicht schneller, um auf dem Amtsweg zur selben Erkenntnis zu kommen, wie von den BesetzerInnen von Anfang an geäußert. Vermutlich wurde in dieser Zeit der für Hausbesetzungen zuständige LVT (Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) kontaktiert, die daraufhin die Polizei ablösten. Mehrmals wurde in den folgenden Stunden Zivilbeamte um das Haus vermutet - in der Finsternis und angeblich mit Kapuzenpullis bekleidet auf den ersten Blick kaum erkennbar. So oder so dürfte aber außer Frage stehen, dass das Haus von nun an beobachtet wird.

"Kumts aufa!" - wenn das Funkgerät nicht funkt, muss man schreien. Dem Aufruf zur Besetzung ("wir ziehen da jetzt auch ein") wollten die KollegInnen der beiden eingedrungenen Polizeibeamten nicht Folge leisten. Dennoch blieben sie über eine halbe Stunde lang.



unnötiger Polizeieinsatz: dabei ist das SPG (vgl. § 37 im Wortlaut und erläutert) eindeutig formuliert: ohne Räumungsbescheid keine Räumung!

ein kleiner Rückblick: "Hausprojekt" Triester Straße 114, 2. - 12. Oktober 2009

United Aliens TV

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Medienberichte 2009 (Auswahl):
- derstandard.at: Hausbesetzung bei der “MA 2412“ (Fotostory)
- diepresse.com: Wien: Hausbesetzung 2.0 in einer alten Schule
- hausprojekt.noblogs.org: Einträge im offiziellen Blog

Linksammlung & Pressespiegel Besetzung 2011
- offizieller Blog: http://ask.noblogs.org
- (29.7.) Indymedia: Triesterstraße 114 besetzt
- (30.7.) nochrichten.net:
Sommer, Sonne, Squatting Action: Triester Straße 114 besetzt!
- (30.7.) Radio Widerhall auf Radio Orange / cba.fro.at: Sendungsmitschnitt: Sommer, Sonne, Squatting

zur Räumung:
- (31.7.) ORF / orf.at: "MA 2412" war von Aktivisten besetzt
- (31.7.) Kronen Zeitung / krone.at: Besetzte "MA 2412" von Wiener Polizei geräumt
- (31.7.) ORF / Wien Heute: "MA 2412" am Rande der Stadt geräumt (02:01) (kurze Erwähnung auch am Ende der Zeit im Bild: Hausbesetzung von der Polizei aufgelöst (0:40)
 
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