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Freitag, 12. April 2013

11.4.2013 - Erneut Eskalation vor PAZ Rossauer Lände bei Demonstration gegen FRONTEX-Abschiebung

[letzte Aktualisierung der Linksammlung am Artikel-Ende: 16.4.] 
Am Donnerstag, 11. April 2013, versammelten sich ab ca. 18 Uhr bis zu 120 Personen vor dem Polizei-Anhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände um gegen eine Sammel-Abschiebung nach Nigeria zu protestieren. Ein Aufruf ("Stoppt die Charter-Massenabschiebung nach Nigeria!") findet sich u.a. auf no-racism.net. Es kursierte die Information, die Abschiebung solle noch im Verlauf dieser Nacht erfolgen, mit einem Abtransport aus dem PAZ sei ab 22 Uhr zu rechnen. Über die Anzahl der Personen, die erst in dieser Nacht aus dem PAZ zum Flughafen überstellt werden sollen, gab es nur sehr unterschiedliche Angaben.

Letztlich wurden jedoch mindestens 3 Gefangenen-Transporter der Polizei bei der Abfahrt aus dem PAZ beobachtet. Es kam zu Blockadeversuchen und in der Folge zu aggressiven Räumungs- und Vertreibungsversuchen durch die Polizei, bestehend aus behelmten Unterstützungseinheiten (EE) sowie etwa einem dutzend WEGA-Beamt(innen?) - insgesamt wohl 70-80 sowie ein halbes Dutzend Zivil- und LVT-Beamte.

Über den Verlauf der Demonstration und des aggressiven Polizeieinsatzes wurde auf Twitter insbes. von @stopdep und @nochrichten live berichtet. Erst vor wenigen Monaten, am 5. Dezember 2012, kam es bei einer Demonstration gegen eine am selben Abend geplante Abschiebungen zu ähnlichen Vorfällen, bei denen die Polizei mehrere Personen mit Knüppelhieben und Pfefferspray verletzte. Damals berichteten die Massenmedien kein Wort, trotz zweier Presseaussendungen (Sozialistische Jugend und Refugee Camp Vienna), die diese Polizeiübergriffe gegen die Demonstration schilderten.

Zur Chronologie:
 
18:43, ggü PAZ Rossauer Lände

18:30 Ca. 80 Personen sind, teils mit Transparenten und Megaphon, auf dem Grünstreifen zwischen Berggasse und Türkenstraße zur Kundgebung versammelt. Das PAZ ist zur Rossauer Lände hin komplett mit Tretgittern, die nur an den Gehsteigenden noch etwas geöffnet waren, abgeriegelt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, hinter der Werbeplakatwand bzw. auf der Fläche daneben (mit Blick auf die Straße) war ein halbes Dutzend Zivil-Polizisten und Verfassungsschutz-Beamte postiert, die Notizen und Fotos machten und laufend über die Lage berieten und telefonierten. Um 19:51 Uhr traf schließlich auch LVT Wien-Chef Erich Zwettler persönlich vor Ort ein und unterhielt sich mit dem uniformierten Einsatzleiter.

19:00 Mittlerweile sind 110-120 DemonstrantInnen vor Ort. Bis ca. 21:00 bleibt die Lage äußerst ruhig, die Menge schrumpft leicht auf etwa 100 Personen.

19:16
19:45










 
ca. 21:25 Ein Gefangenentransporter kommt aus dem PAZ und fährt auf der Rossauer Lände Richtung Kundgebungsort - einige Leute laufen spontan auf die Straße, der Transporter biegt in hohem Tempo um die Kurve vor der Kundgebungsmenge in die Berggasse ab - und mehrere Straßen später Richtung Ring ein. Einige Personen strömen Richtung Ring, andere sind in die Berggasse gelaufen. Die meisten versammeln sich jedoch in großer Aufregung auf der Kreuzung Rossauer Lände / Türkenstraße und blockieren diese.

21:27 Nach kurzer Verwirrung riegeln PolizistInnen die Rossauer Lände ab, siehe Foto von @stopdep.

21:32
ca. 21:30 Die Polizei stürmt zum ersten Mal in die Menge und versucht diese - teils hängen sich die Leute zu Menschenketten ein - von der Straße zu drängen. Viele Personen versuchen stehen zu bleiben, woraufhin die Polizei zusehends aggressiver, lauter und gewalttätiger wird. Widerspenstige Menschenketten werden mit blitzartigen, sich wiederholenden, Knüppelstößen in den Hüftbereicht drangsaliert, wiederholt werden Personen beidhändig und mit voller Wucht gestoßen, wodurch es teilweise zu Stürzen kommt. Mehrere Personen mit Handy- und Digitalkameras, die diese Szenen Filmen, werden von einzelnen der behelmten Polizisten verfolgt, geschubst, gepackt und geschlagen. Dies zog wiederum immer mehr solidarische Menschen an, die diesen Polizisten folgte, sie verbal von ihren Übergriffen abzuhalten versuchte und dadurch zum Teil selbst wieder Ziel von weiteren aggressiven Polizisten wurden. So gab es in diesen etwa 5-10
21:35
Minuten gleich mehrere Hetzjagd-artigen Szenen, teilweise schien es, die Gruppenkommandanten hätten ihre Gruppen nicht unter Kontrolle. Ein besonders hartnäckiger Polizist, der sich in einen filmenden Aktivisten regelrecht verbiss, ihn verfolgte und attackierte, musste nach mehreren Minuten schließlich mit Körperkraft von einem seiner Kollegen 20-30 Meter zurück zum Rest der Truppe gebracht werden.

Dieses Video zeigt zunächst die Stürmung um ca. 21:30 und im Anschluss den weiteren Verlauf bis zur Kesselung am Ende:


21:40 Die Polizei hat die Menschenmenge auf mehrere Gehsteige der Rossauer Lände und Türkenstraße abgedrängt und ist in Reihen entlang der Gehsteige sowie am Mittelstreifen der Rossauer Lände aufgestellt (etwa 70-80 BeamtInnen, nach wie vor). Die Lage ist nun wieder ruhig, aber äußerst angespannt und durch das brutale Vorgehen der Polizei aufgeheizt. Auf Twitter wird berichtet: Betroffene schildert: Polizist fasst Demonstrantin bei Demo-Auflösung vor PAZ Rossauer Lände gewaltvoll an die Brüste um sie wegzuzerren!!.

21:46
21:43 Die Polizei verkündet nun per Megaphon Richtung Grünstreifen Berggasse-Türkenstraße, dass die Versammlung für aufgelöst erklärt wird. LVT-Chef Zwettler ist ebenfalls dort anwesend. 10 Minuten später erfolgt an der gleichen Stelle die zweite Durchsage. Die Polizei blockiert die Rossauer Lände zeitweise alleine.

22:00 Es gibt ansatzweise den Versuch, das PAZ Rossauer Lände zu umstellen, um alle Ausgänge im Blick zu haben. Es sind jedoch zu wenig Leute vor Ort und als kurz nach 22 Uhr eine Horde Polizisten beim hinaufstürmen der Rossauer Lände beobachtet werden kehren alle zum Kundgebungsort zurück.

Video auf ichmachpolitik.at zeigt ab Min. 0:40 wie Polizei brüllend auf Menge zustürmt und DemonstrantInnen gerempelt und weggezerrt werden.

ca. 22:10 Mehrere Reihen behelmter PolizistInnen stürmt die Rossauer Lände hinauf um die Straße für zwei Gefangenentransporter (die von mehreren Polizeifahrzeugen eskortiert werden) frei zu machen. Es kommt erneut zu tumultartigen Szenen, zahlreiche Personen versuchen vor die Transporter zu gelangen. Polizisten wenden nun auch Schlagstöcke und andere Formen der "unmittelbaren Zwangsgewalt" an um Personen von der Straße zu entfernen.
22:21, Kessel Türkenstr./R. Lände
22:15 Die Polizei versucht ihre Gruppen rund um die Kreuzung zu formieren und einen Kessel zuzuziehen. Da manche Gruppen trödelten gelang das nur zum Teil. Die meisten DemonstrantInnen rochen die Lunte rechtzeizig und brachten sich auf den umliegenden Gehsteigen (vorerst, später wurden Gruppen auch von den Gehsteigen abgedrängt) in Sicherheit. Etwa 30 Personen, die auf dem Gehsteig bzw. auf dem Grünstreifen Türkenstraße/Berggasse waren (wo vorhin per Megafon die Kundgebung aufgelöst wurde), wurden nun gekesselt. Rechtlich gesehen fast schon korrekt, wenn da nicht noch eine ganze Reihe von Personen, teils einige Minuten nach Beginn des Kessels, von Polizisten gepackt und zum Kessel gezerrt wurden. Mal ganz abgesehen davon, dass eine Auflösung einer Demonstration mit dem bloßen Argument eines flüssigen Verkehrs auf der Rossauer Lände verfassungsrechtlich - hier ist das Versammlungsrecht verankert - als äußerst zweifelhaft betrachtet werden muss.

Bis ca. 22:45 Uhr werden die gekesselten Personen im 1-2-Minutentakt einzeln zur Personalienaufnahme abgeführt. Dabei kommt es erneut zu einiger Aufregung, als eine Person von PolizistInnen hinter die Baustellenabsperrung gebracht wird und BeobachterInnen befürchten, es könnte zu Übergriffen kommen. Daraufhin werden auch die BeobachterInnen von einem Trupp PolizistInnen von der Ebene hinter den Plakatwänden verscheucht. In Befürchtung eines Kessels liefen die meisten Personen davon, ohne dass die Polizei direkt einschreiten musste.

Gegen 23 Uhr kann die Versammlung als aufgelöst betrachtet werden. Es gab dutzende Identitäts-Feststellungen und angeblich auch Verhaftungen (unbestätigt). Wie viele Personen in dieser Nacht tatsächlich abgeschoben wurden bzw. unmittelbar zuvor vom PAZ Rossauer Lände überstellt wurden, ist zur Zeit ebenso nicht klar.

Linksammlung: Videos und Berichte

Videos:
* welyman94 / Youtube: "Wiener Polizei geht gewaltsam gegen DemonstrantInnen vor." (12.04.) (Video vom Benutzer entfernt; Im Video war klar zu sehen, wie Polizisten sich auf einzelne DemonstrantInnen stürzen, an diesen zerren und versuchen diese hinter die eigenen Reihen zu bringen)
* Peter Romano Horn / ichmachpolitik.at: "11. April 2013 Rossauer Lände, Wien." (12.4.)
* RhabarberTV / Youtube: "Kundgebung gegen Massenabschiebung" (12.04.)

Berichte:
* Sozialistische Linkspartei (SLP): "Menschlichkeit im Kapitalismus? Massendeportation mit Polizeigewalt durchgeprügelt" (Bericht einer Aktivistin, 12.4.)
* Bernhard Jenny: gewaltbereit? die polizei. (12.4.)
* pizza.noblogs.org: repression überall (12.4.)
* Indymedia: Erich Zwettler - Leiter des Verfassungsschutz Wien (13.4.) 
* nochrichten.net: Protest gegen neuerliche Frontex-Sammelabschiebung nach Nigeria in Wien bzw. Radio Orange / cba.fro.at: Protest gegen Frontex-Sammelabschiebung nach Nigeria in Wien (13.4.) 

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Wien: Heftige Konfrontationen vor PAZ Rossauer Lände mit Polizei bei Versuch Abschiebungen zu verhindern (5.12.2012)

 [ Text: FMO, 6.12.2012 / alle Fotos (c) Daniel Hrncir ]

Am Abend des 5. Dezember 2012 versammelten sich gegen 19 Uhr zunächst etwa 30 Personen vor dem PAZ Rossauer Lände (Polizeianhaltezentrum, Schub-Gefängnis), um eine geplante Abschiebung nach Nigeria zu verhindern. Vermutlich wegen der vorangehenden Bildungsdemo waren bereits viele Polizei-Einheiten "bereit", und so füllte sich die Umgebung des PAZ Rossauer Lände rasch mit 10, 20 und schließlich 30 (!) VW-Bussen der Wiener Polizei. Etwa 200 PolizistInnen - also ca. 3 pro DemonstrantIn - "kümmerten" sich in der Folge um eine möglichst verzögerungsfreie Abschiebung. Lieber zigtausende Euro für das Durchboxen einer jeden Abschiebung mit Polizeigroßeinsätzen und Charterflügen investieren als den Leuten Asyl und eine Arbeitsbewilligung zur Selbsterhaltung zu geben. Eine interessante Umsetzung des "Leistungs"-Gedanken der österreichischen Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik! Sadismus muss einem schon was wert sein!

Polizei im Gewaltrausch

Auch die Zahl der Protestierenden wuchs auf etwa 70 Personen an, bis der erste Gefangenen-Transport Richtung Flughafen aus der Garagen-Ausfahrt fahren wollte. Die Menge versuchte am Gehsteig, die Ausfahrt zu blockieren, und als dies nicht gelang, versuchte man, die Transporter auf der Straße zu blockieren. Die Polizei ging dabei immer ruppiger vor.

Wie sich die Ereignisse im Detail zuspitzten, kann ich zur Zeit nicht genau rekonstruieren*, aber Fakt ist - das zeigen zum Teil Fotos und Videos, vor allem aber verschiedene Augenzeugenberichte bzw. Berichte von Beteiligten - dass die Polizei mit ungewohnter Gewalt gegen die unbewaffneten Protestierenden vorging. Es wurden Personen gewürgt bzw. im Würgegriff über die Straße gezerrt, von Blutergüssen, Schürf- und Kratzwunden erzählen andere. Laut einer Presseaussendung der SJ wurden auch Pfefferspray und Schlagstöcke gegen zum Teil noch SchülerInnen eingesetzt! Auch das Refugee Camp Vienna berichtet in einer Aussendung von Polizeigewalt.

Die Kommentare der PolizistInnen vervollständigen das Gesamtbild eines menschenverachtenden, zynischen Abschiebe-Apparats, der keine Skrupel hat, Menschen direkt ins Gefängnis des Herkunftslandes abzuschieben oder ihr Leben anderweitig aufs Spiel zu setzen, der lebensgefährlichen und oft traumatischen Flucht nach Europa Hohn spottend: "auf die frage "was soll das? warum so brutal?", die antwort: "weil ihr es verdient habt" ... auf die frage nach der dienstnummer, die antwort: "0664" (3mal!) und ein blödes grinsen", schildert eine Anwesende auf Facebook.

Wenn die Medien wegschauen


"Herkömmliche" Medien waren wieder mal keine vor Ort. Wenns die APA nicht weiß, macht sich auch sonst kein/e Journalist/in die Mühe, zu einer Spontandemo (über die Stunden im Voraus auch auf Facebook und Twitter durchaus öffentlich mobilisiert wurde) aufzubrechen. Klar, es gibt kaum noch "Reporter/innen" im klassischen Sinn - die auf der Straße Ereignisse beobachten, dokumentieren und zusammenfassend berichten. Das liegt an der Sparpolitik zwecks Gewinn-Maximierung bei Mediaprint, Raiffeisen- und anderen Konzern-Zeitungen (und leider nicht nur bei diesen), aber irgendwo müssen sich auch die JournalistInnen selber an die Nase greifen, denn das kann ja nicht sein, dass im Jahr 2012 PolizistInnen "unbeobachtet" SchülerInnen verprügeln - und niemand nimmt davon Notiz, auch wenn es noch so viele ZeugInnen gibt, denn wo kein "offizieller" Journalist, da keine glaubhafte Meldung (so offenbar das Credo) - meistens bleibt die Kronen Zeitung übrig, die ja ihre Informationen häufig direkt von der Polizei "zugesteckt" bekommt - bloß dann halt so, wie die Polizei gerne berichtet zu haben wünscht - die Krone liefert. Ein Armutszeugnis für den sich gern selbst beweihräuchernden "Watchdog der Demokratie".

Umso stärker empfehle ich daher jene JournalistInnen und Medien, die zwar nicht bei einem Medienkonzern arbeiten, dafür aber unabhängig agieren und keine Mühen scheuen, auch bei Schneeregen zu später Abendstunde und bei riskieren der eigenen Unversehrtheit jene Vorgänge zu dokumentieren, bei denen das offizielle Österreich, inklusive seine (Massen-)Medien, offenbar nur allzugerne wegschaut:




* eine ausführlichere Zusammenfassung der Ereignisse von jenem Journalisten, der von Anfang an dabei war und oben stehendes Video aufgenommen hat, findet man seit 6.12. hier: Richtigstellung von: Anti-Abschiebungs-Demo auf Rossauer Lände: Angeblich Polizeigewalt







Weitere Foto-/Video-/Textberichte:

- Daniel Hrncir: Abschiebung nach Nigeria (flickr)
- Daniel Weber: #NOBORDER Demo gegen eine Abschiebeaktion vor dem PAZ in #WIEN #stopdep (Fotos)
- neuwal.com / Daniel Weber: #NOBORDER Demonstration gegen eine Abschiebeaktion in #Wien (Artikel)
- vienna.at / Daniela Herger: Anti-Abschiebungs-Demo auf Rossauer Lände: Angeblich Polizeigewalt (Artikel)
- akin: PAZ Wien: Wieder Abschiebung durchgeprügelt

 

Donnerstag, 12. Juli 2012

Pizzeria Anarchia - Hausprojekt in der Leopoldstadt im Clinch mit Immobilienspekulanten

*** Ab 2. August gab es mehrere illegale Räumungsversuche, die jedoch allesamt abgewehrt werden konnten *** was von 2.-8. August geschah (Paul und Paula aus dem Haus geben Auskunft im Radio Stimme auf Radio Orange 94.0) *** stay informed on pizza.noblogs.org#pizzableibt ***

[letztes Update: 8. August 2012]

Bericht von WienTV.org vom 2. August (siehe auch W24-Bericht "Solidarität in der Mühlfeldgasse" vom 12. Juli)
 
 Seit der Räumung des "Epizentrums einer Bewegung" am 8. November 2011 ist es ruhig geworden in Wien - könnte man meinen. Mit einer Dauer von 26 Tagen und insgesamt wohl mehreren Tausend direkt erreichten BesucherInnen war es definitiv die in jeder Hinsicht größte Hausbesetzung in Wien seit der Erkämpfung des EKH ab 1990 als Gipfel des Wiener Ausläufers der 80er-Jahre-Bewegung (GaGa, Aegidigasse/Spalowskygasse, Opernballkrawalle 1988/1989).

Doch was geschah wirklich seit der Räumung des Epizentrums? Haben die AktivistInnen kapituliert, angesichts der Übermacht der Staatsgewalt, die am 8. November mit Räumpanzer und Hubschrauber anrückte und den Siebten Bezirk rund um die Lindengasse über mehrere Straßenblöcke komplett abriegelte und nur noch Kindergartengruppen hineinließ, während JournalistInnen "aus Sicherheitsgründen" 200 Meter Abstand halten mussten? Hat die Verhaftung von drei Amateur-FilmerInnen und -FotografInnen an der Demo am Abend der Epizentrum-Räumung ihr Ziel erreicht und die Menschen im erwünschten Ausmaß eingeschüchtert?

Natürlich nicht.

Rückblick: Wilde 13

Schon drei Tage nach der - sogar für einschlägige Krawallmedien als besonders friedlich empfundenen - Räumung des Epizentrums am 8. November und den anschließenden Demonstrationen gegen Mittag sowie am Abend, wurden nur zwei Parallelstraßen weiter die oberen Stockwerke des weitgehend leerstehenden Häuserensembles Westbahnstraße 13 besetzt. Offenbar hat die Besetzung des "Epizentrums" auch andere motiviert, etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Denn ausser der Nähe hatte die Besetzung, die eigentlich eine "stille" Besetzung sein hätte sollen, nicht viel mit dem Epizentrum zu tun. Das Gebäude verfügte über nur wenige und kleine Räume. Doch die Polizei des Bezirks wollte, nach den Erfahrungen mit dem Epizentrum, sofort Präsenz zeigen und Härte demonstrieren und begann bereits gegen 20 Uhr mit einer fast 24-stündigen Belagerung des Hauses, die mit einem illegalen Räumungsversuch (der Hauseigentümer konnte zu diesem frühen Zeitpunkt von der Polizei noch nicht eruiert werden und folglich auch keinen Räumungsauftrag unterschreiben) und einer von Krawallmedien als "Krawallnacht im sonst so friedlichen Öko-Bobo-Bezirk Neubau" titulierten Hausverteidigung gipfelte. Eine andere Krawallzeitung wunderte sich ebenfalls: die Polizei bewache nun das Haus - "Wozu, ist unbekannt."

Als das nach ein paar Tagen bereits aufgegebene Haus - der Galerist, der einige Wochen später das Foxhouse eröffnete (gegen den Abriss des Hauses hat sich nun eine Protestgruppe gebildet!), informierte die Polizei, als die BesetzerInnen sich ihm anvertrauten - von einem Polizeigroßaufgebot geräumt wurde, war keine Spur mehr von den BesetzerInnen. Die Kälte trug ihren Teil dazu bei, dass keine weiteren Besetzungen folgten.

Pizzeria Anarchia - Zwischennutzung mit Ablaufdatum?


Doch dann geschieht etwas völlig unerwartetes: die Pankahyttn (ein von der Stadt Wien als "Sozialprojekt" legalisierter "Squat", der weder mit der Besetzung des "Epizentrums" noch der "Wilden 13" zu tun hat) erhält - nicht zum ersten Mal - Besuch von einem Hauseigentümer. Er bietet den Leuten (die seit der Tolerierung ihres Hauses durch die Stadt eigentlich keine Besetzungen mehr machen) ein nahezu leerstehendes Haus im Zweiten Bezirk zu einer symbolischen Miete zuzüglich Betriebskosten an. Die Leute sind skeptisch, nach einigen Überlegungen entschließt man sich jedoch, das Angebot für beheizbare Räumlichkeiten im Winter doch anzunehmen - zu groß war die Wohnungsnot kurz vor Wintereinbruch unter den Jugendlichen.

Man entschließt sich, die Sache ruhig anzugehen. Keine große Ankündigung einer Raumeröffnung, keine Einweihungspartys - zumindest keine offiziellen. Im Haus leben noch drei Mietparteien mit unbefristeten Mietverträgen - von Anfang an war die an sich selbst gestellte Bedingung, in gutem Einvernehmen mit den MieterInnen im Haus auszukommen. Die ersten Tage und Wochen sind freilich trotzdem etwas chaotisch, es gibt wie immer viel zu wenig Räume um alle Leute unterzubringen, man kennt einander teilweise noch kaum, eine bunte Mischung junger Menschen aus verschiedenen Zusammenhängen - es dauert ein paar Tage, bis ein Verein (Name der Redaktion bekannt) gegründet und im Vereinsregister eingetragen werden kann, um einen Nutzungsvertrag zu unterzeichnen.

Nach ein paar Wochen Aufbau-, Orientierungs- und Kennenlernphase finden sich Personen zusammen, die das leerstehende (und ebenfalls angemietete) Pizza-Lokal im Erdgeschoß für Außenstehende zugänglich machen wollen. Es dauert noch bis Februar 2012, als sich der Sonntag als wöchentlicher Volxküche-Tag etabliert. Zunächst sind es noch 20, 30 Leute, die Sonntagabend zum gemeinschaftlichen Pizza backen und essen vorbeikommen, doch schon nach 2, 3 Wochen platzt das Lokal aus allen Nähten: 50 Leute, 70 Leute - die Nebenräume der ehemaligen Gaststätte werden nun ebenfalls eingerichtet. Im hintersten Raum entsteht ein Kostnixladen mit Kleidung und anderen Second Hand-Gegenständen, im mittleren Raum wird ein Infoladen samt Leinwand und Sitzgelegenheiten für das Kostnixkino, das bald darauf als Dienstags-Fixpunkt etabliert wird, eingerichtet. Ein weiterer Raum dient als erweiterter "Speisesaal" - das Platzproblem kann damit nachhaltig entschärft werden.

Woche für Woche für geht, immer mehr Menschen kommen, jede Woche viele neue Gesichter: SchülerInnen, StudentInnen, Lehrlinge, (junge) ArbeiterInnen, Arbeitslose, aber auch NachbarInnen und PassantInnen interessieren sich für das gemeinsame Pizza backen und was dahinter steckt. Manche kennen einander schon aus dem Epizentrum - jetzt hat man endlich Zeit und Ruhe, sich besser kennen zu lernen. Bisheriger Höhepunkt war wohl das DIY Straßenfest mit DJs, Konzerten, Volxküche uvm. in den Straßen um die PizzAria, zu dem die MayDay-Parade der Prekären am 1. Mai mitsamt rund 500 TeilnehmerInnen hinzog. 


Was steckt dahinter?

Aber was steckt nun wirklich hinter dem ganzen Ding? Welcher Hauseigentümer vermietet sein Haus zum Spottpreis an alternative Jugendliche? Warum sind nur noch drei Mietparteien im Haus?

Die Antwort führt uns direkt ins Herz der Bestie Immobilienspekulation (es gilt die Unmutsverschuldung), die es laut offiziellen Stellen der Stadt, insbesondere laut Propagandaminister von Steuerzahlers Gnaden, Inseratenkaiser und Faymann-Nachfolger in dieser Aufgabe, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, überhaupt nicht gibt. Dass die Stadt Wien in Wahrheit selbst tief im Geschäft mit der "Aufwertung" alten, günstigen Wohnraums drin steckt (mutwillige Zerstörung des Lobmeyr-Hofs in Ottakring im Auftrag der Stadt um Aufwertungspläne, die in etwa eine Verdoppelung der Miete zur Folge haben, schneller durchziehen zu können), ist ein offenes Geheimnis, das durch großzügiges Verteilen von Steuergeldern an praktisch alle reichweitenstarken Wiener Zeitungen, die ohnehin nur aufs Geschäft und nicht auf journalistische Sorgfalt achten, offenbar ganz gut unter der Decke gehalten werden kann. Gelegentliche Reportagen der Stadtzeitung Falter oder - noch mehr - in der Straßenzeitung Augustin sind die Ausnahme - und stoßen auf nur wenig Resonanz in der Öffentlichkeit.
Die Jugendlichen selbst machten sich ebenfalls keine Illusionen über die Motivation ihrer Einquartierung: "die vorgeblich wohltätige Motivation wurde von Beginn an angezweifelt. Als klar war, dass es in dem Haus noch verbleibende reguläre Mietparteien gab, war der eigentliche Hintergedanke nicht mehr schwer zu erraten: Menschen, denen nachgesagt wird, sie wären per se laut und würden viel Dreck machen, sollten das Leben für die anderen Bewohner_innen unerträglich machen, so dass diese “freiwillig” gehen oder sich mit einer geringen Abfindung zufrieden geben. Dieses Spiel wollte natürlich keine_r mitspielen."

Der Fall Mühlfeldgasse 12

Am 17. November 2011 erscheint in der Straßenzeitung Augustin der Artikel "Bestandsfreimachung - ein Unwort". Er beschäftigt sich mit dem Haus Mühlfeldgasse 12 in der Leopoldstadt - also vor dem Beginn der Zwischennutzung als "PizzAria". Ein Mieter erzählt darin davon, wie der Hauseigentümer, der das Haus vor drei Jahren geerbt habe, alle MieterInnen des Hauses "hinausgeekelt" habe. Durch das Dach regnete es plötzlich herein, es entstand Wasserschaden und Schimmel, doch der Eigentümer weigert sich, die nötigen Reparaturen durchzuführen. Doch drei Mietparteien mit unbefristeten Mietverträgen ließen sich nicht einschüchtern. Der Eigentümer verkaufte das Haus an die Castella GmbH - und seither häufen sich merkwürdige Vorfälle im Haus, auch gibt es regelmäßig Besuch durch "Detektivkanzleien", die mitunter spätnachts heftig an den Türen klopfen um die Leute danach zum Auszug zu überreden, vor einem "kalten Winter" zu "warnen" und ähnliches. Die Castella GmbH besitzt auch mehrere weitere Häuser, u.a. im Zweiten Bezirk, aus denen MieterInnen ähnliches berichten.

Es ist also naheliegend, anzunehmen, dass die fast kostenlose Zwischennutzung des Hauses durch alternative Jugendliche weniger eine Gutherzenstat denn ein weiteres Manöver zur "Bestandsfreimachung" des Hauses ist. Umso mehr sind die neuen, jungen BewohnerInnen darauf bedacht, ein gutes Verhältnis zu den noch im Haus befindlichen Mietparteien aufrecht zu erhalten, was im großen und ganzen auch ganz gut funktionieren soll. Unlängst beschwerte sich ein/e Mieter/in im Haus sogar darüber, dass die Jugendlichen jede Woche das Treppenhaus putzen - dies sei schließlich Aufgabe der (total untätigen) Hausverwaltung und im Mietvertrag werde schließlich dafür bezahlt.

... Medienaufmerksamkeit?

Umso bedauernswerter - und leider bezeichnend für das unterirdische Niveau Wiener Massenblätter - ist daher, dass Zdenko P. in einem gegen das alternative Zwischennutzungsprojekt gerichteten Artikel der Wiener Bezirkszeitung als Opfer bzw. Gegner der Jugendlichen dargestellt wird, obwohl er sich in Wahrheit nur über den Hauseigentümer aufregt. Die Bezirkszeitung zitiert - zufälligerweise? - dann auch noch den SPÖ-Bezirksvorsteher, der sich allen ernstes darüber beschwert, dass die "Hausbesetzer" [sic!] in der Sonne (!) am Gehsteig sitzen (!) - was die Nachbarn fürchterlich stören würde. Über die ans kriminelle grenzenden Praktiken der "Bestandsfreimachung" durch eine darauf spezialisierte Firma mitten in "seinem" Bezirk sagt er nichts - oder die Bezirkszeitung lässt diesen Teil bewusst aus. So oder so alles andere als ein unabhängiger Bericht, hinter dem entweder eine massive Vernachlässigung journalistischer Sorgfaltspflichten (dazu gehören etwa Recherche, z.B. dass es keine Hausbesetzung sondern eine Zwischennutzung auf Vertragsbasis ist) steckt. Von böser Absicht wollen wir natürlich nicht ausgehen. Es gilt die Unmutsverschuldung.

--> ein laufend aktualisierter Pressespiegel findet sich auf pizza.noblogs.org/pressespiegel

Montag, 14. Mai 2012

8. Mai 2012-Nachlese


Etwa 600 (eigene Schätzung) bis 1.000, 1.100 (nochrichten.net) DemonstrantInnen versammelten sich am 8. Mai 2012 ab 17 Uhr bei der Unirampe am Schottentor um, wie bereits im Vorjahr, gegen das "Heldengedenken" deutschnationaler Burschenschaften am Heldenplatz zu protestieren. Da auch dieses Jahr wieder ein "zivilgesellschaftliches" (wenn man so will) Bündnis aus u.a. SPÖ Wien, Grünen und Israelitischer Kultusgemeinde (IKG) eine Kundgebung am Heldenplatz anmeldete, war dieser zum zweiten Mal in Folge teilweise für GegendemonstrantInnen zugänglich. Bereits am Nachmittag wurden unter Anwesenheit hunderter ZuhörerInnen Reden abgehalten, darunter Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani und der neue Präsident der IKG, Oskar Deutsch, der im Anschluss mit koscherem Sekt auf die Befreiung Österreichs vom NS-Regime anstoßen ließ. Um etwa 18:15 Uhr zog die Demonstration los. Am Heldenplatz warteten gegen 19 Uhr laut nochrichten.net bereits rund 300 Personen auf die eintreffende Demo.

Je nach Quelle befanden sich also zwischen 900 und 1.400 (laut Polizei: 1.200) Personen auf den antifaschistischen 8. Mai-Kundgebungen und -Demonstrationen. Ab 16:30 Uhr herrschten großflächig Platzverbote - der Heldenplatz war zwar keine Sperrzone, wurde aber dennoch bis auf einen kleinen Teil vor der Nationalbibliothek hermetisch abgeriegt, was insbesondere älteren TeilnehmerInnen der Gedenkkundgebung Schwierigkeiten bereitete (vgl. Video von AUGE IUG) - von TouristInnen und Sonnenhungrigen ganz abgesehen, die zum "Schutz" der Burschenschafter knapp 4 Stunden vor Beginn deres Aufmarsches des Platzes verwiesen wurden. Davon völlig unbeeindruckt zeigten sich in etwa zur gleichen Zeit über 150 TeilnehmerInnen eines "Freeze"-Flashmobs am Stephansplatz, die an diesem denkwürdigen Datum ihrer unpolitischen Überzeugung bzw. politischen Gleichgültigkeit Ausdruck verliehen.
 

Auch Anonymous Austria nahm wieder an den Protesten teil - und ließ den Wiener Korporationsring (WKR), (Mit)veranstalter des Totengedenkens am Heldenplatz, auf ihrer "Heimseite" den "Helden der Roten Armee" - so eines der sich abwechselnden Motive - gedenken. Über 24 Stunden lang war wkr.at auf diese Weise offenbar hilflos der aufsehenerregenden digitalen Protestaktion ausgeliefert - so lange, dass die gehackte Seite schon in den Google-Suchergebnissen aktualisiert wurde (vgl. Bild oben).

zwischen 600 und 1.000 DemonstrantInnen in zwei Gruppen konzentriert - Antideutsche & K-Gruppen im Bild rechts hinten - Basisgruppen & alle Anderen im Bild vorne

Bis zum Eintreffen der Burschenschafter gegen 20 Uhr verließen jedoch bereits viele wieder den Heldenplatz, vor dessen mit elektronischer Musik bespielter Bühne sich genau niemand versammelte - lieber genoss man noch die letzten Sonnenstrahlen im letzten nicht abgesperrten Fleckchen Wiese des Heldenplatzes (nachdem die Polizei ab 16:30 alle Leute von den Wiesen vertrieben hatte). Das Polizeiaufgebot war wieder enorm, auch der Polizeihubschrauber (Kostenpunkt: 65 € pro Minute) kreiste über dem ach so unübersichtlichen Heldenplatz. Nicht zu Unrecht bemerken Gastkommentare in der bürgerlichen Presse die Unverhältnismäßigkeit, ja gar Absurdität des ganzen 8. Mai in Wien, wo der geschichtsträchtigste Platz der Stadt nicht zur Feier der Befreiung vom Nationalsozialismus genützt wird, sondern ewiggestrig uniformierte, mit Säbeln bewaffnete Burschenschafter unter gigantischem Polizeischutz regelrecht einmarschieren, um den toten deutschen Soldaten des Krieges zu gedenken:

>> Wenn die rechten Burschenschafter und einzelne schlagende FPÖ-Mandatare wirklich dem Ende des Dritten Reiches nachtrauern wollen, dann sollen sie das doch bitte in ihren Klublokalen oder sonst wo tun, aber nicht öffentlich auf dem Heldenplatz unter dem Schutz der Wiener Polizei und des Innenministeriums. << (Gerhard Zeilinger: Befreit den Heldenplatz endlich von diesem Spuk!, Der Standard, 10. Mai 2012)

>> Die einzige öffentliche Veranstaltung an diesem bedeutungsgeladenen Ort war kein Staatsakt, sondern eine " Gegenveranstaltung", bei der Vertreter der SPÖ, der Wiener Grünen, der Israelitischen Kultusgemeinde und des Personenkomitees "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" auftraten. Was aber heißt "Gegenveranstaltung"? Schreiben wir wirklich das Jahr 2012?
An diesem Tag wurde sogar, was äußerst selten geschieht, das große Burgtor gesperrt und das Areal hermetisch abgeriegelt. Das Platzverbot wurde vom Wiener Polizeipräsidenten damit begründet, dass "aufgrund zu befürchtender gewalttätiger Ausschreitungen anlässlich des Umzugs zum ' Totengedenken des Rings Volktreuer Verbände' (...) anzunehmen (ist), dass eine allgemeine Gefahr für Leben (!) oder Gesundheit mehrerer Menschen und für Eigentum im großen (!) Ausmaß (...) entstehen wird".

Wie gut, dass die Polizei uns vor diesen Umtrieblern schützt, könnte man sich da zunächst denken. Aber das dicke Ende kommt im Paragrafen 3 der Verordnung, denn dort wird klar, dass es just umgekehrt ist: Die " Totengedenkler" dürfen rein in den Sperrbezirk und alle anderen nicht. Die Polizei ist demzufolge also nicht dazu da, die Mehrheit vor einer Belästigung durch die Umtriebe dieses Häufleins Verirrter - Sieger sehen wahrhaft anders aus! - zu schützen, sondern dazu, die "Volktreuen" vor jenen zu schützen, die an diesem 8. Mai wieder einmal das internationale Ansehen Österreichs durch ihr Auftreten gerettet haben, darunter viele Jugendliche, die den großteils nicht viel älteren Polizisten in ihren Star-Wars-Anzügen überwiegend mit entwaffnender Gelassenheit und ebensolchem Humor begegnet sind. << (Peter Zawrel: 8.-Mai-Gedenktag: Schreiben wir wirklich das Jahr 2012?, Der Standard, 9. Mai 2012)

Am Heldenplatz

Zugang zum Heldenplatz vom Ring bei der Nationalbibliothek

Anders als im Vorjahr blieb das Burgtor dieses Mal aber vollständig geschlossen. Die Demo konnte durch das geöffnete Eisengitter-Tor neben der Nationalbibliothek am Ring zuströmen - auf der gegenüberliegenden Seite war auch eine Passage durch die Hofburg frei. Befürchtungen, die Polizei könnte die Menge - wie im Vorjahr - beim abströmen, zeitgleich/parallel zu den Burschenschaftern, hindern bzw. einkesseln, bewahrheiteten sich nicht
--> die diesjährige polizeiliche Sperrzone und ihre Begründung

Polizei zieht Tretgitter-Reihen wieder zusammen, Menge wich zurück
Die antifaschistische Kundgebung am Heldenplatz verlief weitgehend zwischenfallsfrei und spürbar ruhiger als im Vorjahr. Die Pufferzone zwischen den beiden "Veranstaltungen" war von der Polizei aber dieses Mal deutlich größer angelegt und mit doppelten Gitterreihen getrennt. Das sorgte dann auch für den einzigen Vorfall, als nach einem lauten Böllerknall der nicht-kommunistische Teil der Demo (Antideutsche und kommunistische Gruppen konzentrierten sich auf einen anderen Teil der Sperre und erhielten von der Polizei, die sich hinter und vor den KommunistInnen massiv konzentrierte, ungeteilte Aufmerksamkeit) an der ersten der beiden Sperrgitter-Reihen zerrte und diese um etwa 10 Meter nach hinten zog (vgl. nebenstehendes Bild) - die Polizei konnte dennoch schnell eingreifen und zog im Anschluss die Gitter wieder zusammen. Eine Person dürfte dabei über die Gitter gelangt sein und planlos Richtung Burschenschafter-Gedenken gestürmt sein, wurde dabei aber natürlich von der Polizei abgefangen. Die zwei Personen, die aufs Dach des Burgtors "gelangt" sind und dort herumliefen stellten sich übrigens als Beamte des Inlandsgeheimdienstes (BVT) heraus. Überhaupt war das Zivi- und Verfassungsschutz-Aufgebot dieses Mal noch größer als ohnehin - auf bis zu 50, 60 Beamte gehen die Schätzungen, wobei dieses Mal offenbar eine große Zahl unqualifizierter Beamter als Aushilfs-Zivis eingesetzt worden sein dürfte, die sich gar nicht erst die Mühe machten, unauffällig zu wirken und sich mit Kopfhörer im Ohr mit uniformierten Beamten austauschten. Positiv vermerkt wurde (auf Twitter), dass auch der Burschenschafter-Umzug dieses Jahr unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand bzw. genau so gefilmt wurde wie die Gegendemo.

Nachdemo

Nachdemo am Ring Richtung Burgtheater
Deutlich souveräner als im Vorjahr gewährte die Polizei, als die Burschenschafter nach ihrem Gedenken auf einer polizeilich abgesperrten und stark gesicherten Route via Minoritenplatz zur Mölker Bastei zurückkehrte, allen DemonstrantInnen den Zugang zur Ringstraße, von wo aus sich eine Nachdemo aus etwa 300 Personen in Bewegung setzte - weitere 100 bis 200 Personen kamen individuell (nachdem die Polizei im Vorjahr auf Höhe Lueger-Ring - wenn auch erfolglos - versuchte, die Demo aufzuhalten) bis zur Mölker Bastei bzw. Schottengasse. Die Polizei fuhr mit Mannschaftswägen vor, ein Teil begleitete die unangemeldete Nachdemo.

Polizeiaufgebot am Schottentor, bevor die Tretgitter "aktiviert" wurden
Was "souverän" bei der Polizei bedeutet ist allerdings eine andere Frage ... Wie schon im Vorjahr (vgl. "Eskalation bei Demo 8.Mai 2011 (Schottentor ca 22:00)") erfolgten im Verlauf der Nachdemo mehrere polizeiliche Übergriffe. Zunächst brach die Demo beim Burgtheater Richtung Innenstadt aus, wurde aber in der Löwelstraße, teils unter Einsatz von Gewalt, von der Polizei gestoppt, dabei gab es dem Vernehmen nach eine Perlustrierung bzw. vorübergehende Festnahme. Dabei dürfte ohnehin nicht ganz klar gewesen sein, wohin dieser Ausbruch führen sollte, da etwa die Teinfaltstraße, die direkt zur Schottengasse / Mölker Bastei geführt hätte, zu diesem Zeitpunkt nur mit der Standardbesatzung bewacht wurde (eine Reihe Tretgitter, ein quer gestellter Mannschaftswagen, eine Hand voll BeamtInnen). AktivistInnen, die darauf hinwiesen, wurden nicht wahrgenommen.

Überhaupt hatte diese (Nach-)Demo eine deutlich schwächere Kommunikationsstruktur als etwa die noWKR-Demos oder die 8. Mai-Demo vom Vorjahr - was wohl an der geringeren Mobilisierung und Vorbereitung im Vorhinein liegt. Hätten doppelt so viele Personen teil genommen, die untereinander mehr kommuniziert hätten, hätte dieser Tag in die Geschichte des 8. Mai in Wien eingehen können ... aber Wien ist nunmal weder Chicago noch Athen, und der 8. Mai ist nicht noWKR!

An diesem 8. Mai wirkten die meisten Leute eher unmotiviert, den Burschenschafter-Aufmarsch ernsthaft zu stören - man begnügte sich mit Ententanz (ein bisschen hin- und herwackeln und in die Kameras lächeln) vor den Polizeisperren. Demonstrationen werden offenbar von vielen immer noch als sinnentleertes Ritual nicht nur akzeptiert, man fühlt sich dabei offenbar auch ganz wohl. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass dieses Mal wieder viele zum ersten oder zweiten Mal auf einer antifaschistischen Demonstration dieser Größenordnung bzw. an diesem Datum waren - dafür muss man nur die TeilnehmerInnen-Zahlen der letzten Jahre miteinander vergleichen (mehr dazu im Abschnitt "Mobilisierung").

Nach dem Zwischenfall in der Löwelstraße zog die Demo - als wäre nichts geschehen (wäre man noch länger dort geblieben, wäre man womöglich gekesselt worden) - weiter. Bei Ankunft am Schottentor wurde die mit Polizeikette abgeriegelte Schottengasse nach einigen Minuten mit Tretgittern verstärkt. Die Burschenschafter wurden augenscheinlich auf anderen Wegen aus der Sperrzone gebracht. Kleingruppen, die es vom Schottentor (unter großen Umwegen) zu den anderen Seiten der Sperrzone in der Schottengasse schafften, wo sich Burschenschafter und Begleitung in Restaurants begaben oder auf Taxis warteten, wurden in Ruhe gelassen, sofern sie die von der Polizei für die Burschenschafter vorgesehene Ausfahrtsroute nicht behinderten. Diese - so stellte sich nach einer Weile heraus - befand sich in der Schreyvoglgasse/Teinfaltstraße.

Polizeiangriffe in Teinfaltstraße
 


Als eine Kleingruppe von etwa 10 bis 20 Personen dorthin vordrang war es nur noch eine Frage von Minuten, bis diese von der dort massiv konzentrierten Polizeipräsenz - darunter 20 bis 40 voll ausgerüstete WEGA-Beamte, angegriffen wurden. Als ich in der Teinfaltstraße eintraf, liefen mir gerade mehrere Personen entgegen - hinter ihnen jagten WEGA- und EE-Beamte hinterher. Etwa 9 oder 10 DemonstrantInnen wurden erwischt, für etwa 30 Minuten an eine Baustellenwand gestellt und perlustriert. Als etwa 20 Minuten später weitere Solidarische tröpfchenweise über die Rosengasse zur Teinfaltstraße kommen startet die WEGA die nächste Hetzjagd - in einer wilden Jagd werden die Leute zurück Richtung Löwelgasse getrieben, 3 oder 4 werden dabei erwischt und grob gestellt - einer wird dabei mehrmals mit dem Kopf gegen eine Glasscheibe gedroschen und dabei auch noch als "Scheiß Piefke" beschimpft. Aber was die Verbalausritte der Polizei betrifft, fangen wir besser gar nicht erst an aufzuzählen ... für ihre Gosch'n ist die Wiener Polizei ja ohnehin weltberühmt. Wer es wagt, sich an einen Beamten mit einer Frage zu wenden und dabei nicht mindestens genau so g'schert daherredet wie die Beamten selbst, kriegt als Antwort gleich ein "San sie überhaupt von do?".

Das muss wohl der "Wiener Schmäh" sein: Wiener Polizisten schützen die Faschisten - und beschimpfen Deutsche als "Scheiß-Piefke".

Auch das "lustige" Dienstnummern-Roulette erfuhr eine weitere Runde - noch ist nicht klar, ob die Betroffenen von Polizeigewalt tatsächlich echte Dienstnummern in Erfahrung bringen konnte oder ob die Polizisten wieder Zahlen in willkürlicher Reihenfolge ausfolgte. Was spricht eigentlich gegen Dienstnummern auf den Uniformen? Achja - Polizeigewalt könnte besser nachverfolgt werden ... das würde ja die Autorität des Staates untergraben, wenn die Polizei nicht mehr anonym prügeln könnte.

Eine spezielle Erwähnung verdient auch das mehrköpfige Fahrrad-Team der Polizei, das an diesem Abend eigens dafür eingesetzt wurde, FahrradfahrerInnen wegen irgendwelcher Kleinigkeiten abzufangen und anzuzeigen. Auch die Wiener Linien zeigten mit einer Schwerpunktkontrolle am Schottentor während des Demo-Treffpunkts bei der Uni-Rampe wieder einmal deutlich, wofür das Rote Wien von heute steht: "Der Heldenplatz den Deutschnationalen Burschenschaften - keine Gnade den SchwarzfahrerInnen unter den Fans der Befreiung Österreichs!"

Nachdem gegen 22 Uhr klar war, dass keine effektiven Blockaden aufrecht erhalten werden können, geschweige denn Perlustrierungen solidarisch verhindert werden können - sowohl wegen geringer Beteiligung, geringer Kommunikation als auch geringer Motivation - lösten sich die Proteste langsam auf.

Die Rechtshilfe berichtete von zwei oder drei Verhaftungen, die Teile der Nacht im PAZ Rossauer Lände verbringen mussten. Neben einer wie immer unbekannten und ungenannten Anzahl von durch Schlägen und Tritte (leicht) verletzter DemonstrantInnen melden offizielle Stellen, dass ein Polizist durch einen Flaschenwurf verletzt worden sei.

Mobilisierung - Top oder Flop?

Bei aller möglicher und berechtigter Kritik muss doch festgehalten werden, dass seit dem Auftreten der Bündnisse "Offensive gegen Rechts" und "jetztzeichensetzen" (Grüne, SPÖ Wien, IKG, Asyl in Not uvm.!) im Vorjahr deutlich mehr Menschen zu den Kundgebungen und Demonstrationen mobilisiert werden können als in den Vorjahren. Dazu kam 2011 auch die massive Mobilisierung durch HC Strache, der seinen Auftritt als Gastredner groß ankündigte und schließlich wegen "einem wichtigen Treffen" mehrere Tage (angeblich im Ausland) untertauchte, was in der Boulevardpresse tagelang als Top-Thema aufgegriffen wurde. Etwa 1.700, laut Polizei 700, sollen daraufhin zu den Demonstrationen erschienen sein (vgl. Bericht vom Vorjahr). Also etwa um ein Drittel oder die Hälfte mehr als 2012.

Zum Vergleich: 2010 gab es eine antideutsch geprägte Befreiungsdemo mit vielen Nationalflaggen und sowjetischen Hymnen, zu der sich etwa 250 bis 380 hinreißen ließen - die Demo ging vom Schwarzenbergplatz aus bereits am Nachmittag durch den Ersten Bezirk, fernab des Burschenschafter-Aufmarsches. 2009 versammelte sich eine antifaschistische Kundgebung mit etwa 100 TeilnehmerInnen im Sigmund-Freud-Park (Votivpark) neben der Universität Wien - und durchbrachen eine Polizeisperre, womit sie offenbar nicht nur die Polizei sondern auch sich selbst überraschten. Ein unsolidarisches "wie komm ich hier möglichst schnell wieder raus ohne verhaftet zu werden?" griff um sich, als Erfolg kann das wohl kaum gewertet werden.

Fazit: Mit dem Heldenplatz als Kundgebungsort und dank Straches PR-Aktion im Vorjahr, gelingt es (auch dieses Jahr) mehr Leute zu mobilisieren als je zuvor. Möchte man den Aufmarsch aber blockieren oder verzögern, müssten sich die Leute aber schon im Vorhinein (besser) organisieren, Bezugsgruppen bilden, mehr untereinander kommunizieren. Dann könnte es auch in Wien vielleicht schon beim nächsten Mal heißen: "8. Mai - Wien nazifrei!"

LINKS

[:Videos:]
- ORF, Wien Heute: Totengedenken und Gegendemonstration
- ORF, ZiB24: Geteiltes Gedenken an NS-Kapitulation
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - wer heute nicht feiert, hat schon verloren 
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - Richard Wadani
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde


[:Fotos:]
- Martin Juen: Totengedenken der Bruschenschaften & Gegendemonstration | Wien 08.05,2012

- cg-politics: 8. Mai - Wien, Heldenplatz #nowkr
- Daniel Weber: #NOWKR 8. Mai 2012 - Tag der Befreiung am Heldenplatz! 
- Die Presse: Proteste gegen das Totengedenken

[:Texte:]
- nochrichten.net: 8. Mai in Wien: Von Befreiungsfeiern zu lautstarken Störungen deutschnational/-völkischen Gedenkens.
- ÖSTERREICH: "Aufmarsch gegen Burschenschafter", 9. Mai 2012

Freitag, 20. April 2012

Chronologie der Rektorats- und Audimax-Besetzungen in Wien am 19. April 2012

[letztes Update: 20. April, 23 Uhr]
Einzigartige Szenen an der Uni Wien am 19. und 20. April 2012. Die seit langem angekündigte und gut vorbereitete Protestwoche der Internationalen Entwicklung (17. - 20. April) schlug sich in einer Besetzung des Rektorats um Punkt 11 Uhr Vormittag, einer Audimax- sowie einer kurzfristigen HS1 im NIG-Besetzung am Nachmittag nieder. Alle Besetzungen wurden noch am selben Tag geräumt, aus dem NIG wurde freiwillig abgezogen.

Chronologischer Rückblick

[die Links im Text beziehen sich in der Regel auf unibrennt-Tweets, die live vor Ort ausgeschickt wurden - teilweise bebildert]

eine umfassende(re!), sehr zu empfehlende, Video-Chronologie des Tages von WienTV.org / Daniel Hrncir ist nun online abrufbar:



10 Uhr
Treffpunkt für das "Rektoratsfrühstück" vor dem Rektorat der Uni Wien. Je ein Security "bewacht" die Eingänge des Rektorats sowie zum Festsaal. Nach einer halben Stunde sind etwa 100 bis 150 Protestierende vor Ort und frühstücken am Gang vor dem Rektorat.

11 Uhr
Ein Anzugträger klingelt an der Rektoratstüre, er wird hineingelassen. Studierende halten die Tür auf, im selben Augenblick stürmen immer mehr Studierende zur Tür, drängen den Security ab. Über 100 Leute dringen nun in die Räumlichkeiten des Rektorats vor und besetzen dieses.

11:20 Uhr
Ein Mitarbeiter stellt ein Ultimatum: 5 Minuten zum Verlassen des Büros oder polizeiliche Räumung. Auf die Forderungen der Studierenden wird nicht eingangen, der Rektor ist bereits geflohen, Gesprächsangebote oder Stellungnahmen von seiner Seite gibt es bis dahin nicht. Eine Sponsionsfeier, die zwischen 10 und 12 Uhr angesetzt war und in vollem Gange war, wird in den Arkadenhof verlegt.

11:25 Uhr
Polizeibeamte stehen vor der Tür des Rektorats und erkundigen sich nach etwaigen freiwilligen Abzugsplänen der BesetzerInnen. Mehrere Rebel Clowns kümmern sich um weitere konstruktive Gespräche mit der Polizei ...

11:30 - 11:40 Uhr
Polizei in Zivil und Verfassungsschutzbeamte stehen zu fünft im Vorraum des Rektorats, einer davon outet sich als "Behördenvertreter", als er kurz vor 11:39 Uhr die Räumung androht bzw. ankündigt.

11:48 - 12:02 Uhr
Die Infanterie (WEGA, EE) rückt an - die BesetzerInnen, es sind noch etwa 100, verschanzen sich im Prunksaal des Rektorats und verketten sich zu einer Sitzblockade - die Tür wird kurzzeitig geschlossen und zugehalten, von der Polizei aber schließlich aufgedrückt - in weiterer Folge (12:02 Uhr) werden die Flügeltüren abtransportiert (Foto).

ca. 12:07 Uhr
Die Räumung beginnt. Die BesetzerInnen skandieren Parolen wie "Wir besetzen bis der Rektor kommt, bis der Rektor kommt, bis der Rektor kommt"; in Bezug auf den filmenden Zivilbeamten (Verfassungsschutz?) ruft jemand "Wir kämpfen nur für unser Studium, wir sind nicht kriminell!"

12:29 Uhr
WEGA-Beamte tragen stets zwei, manchmal auch drei oder vier Personen auf einmal hinaus, bis mehrere Minuten Pause gemacht wird (vermutlich weil der filmende LVT-Beamte die Leute beim raustragen begleitet - die nächsten Personen werden immer erst hinausgetragen, wenn er wieder zurück ist. In diesem Tempo wurden binnen knapp 30 Minuten erst schätzungsweise 20 Personen hinausbefördert - inklusive einzelner "Freiwilliger" (die aber genau so mit einer Anzeige rechnen müssen), die wegen Prüfungen oder Toilettendrang von selbst hinausgingen.

13 Uhr
Es wird getwittert, dass gerade Sanitäter ins Rektorat gegangen seien. Ob sich diese um die "leichte Verletzung am Ellbogen" (angeblich eine Schnittwunde), die sich eine Rektoratsmitarbeiterin offenbar im Gedränge zwischen Polizei und Studierenden - angeblich als die Polizei die Tür zum Rektorats-Prunksaal aufgedrückt hat - zugezogen hat (es gab zu keinem Zeitpunkt vorsätzliche Übergriffe seitens der BesetzerInnen), ist mir nicht bekannt. Der Beginn der Besetzung liegt jedenfalls schon 2 Stunden zurück, die Mitarbeiterin wurde dabei definitiv nicht verletzt, da sie noch inhaltliche Gespräche mit Studierenden im Büro geführt hat, bevor die Polizei das Rektorat stürmte.

Fakt ist, dass auch BesetzerInnen "leichte Verletzungen" von sich getragen haben, dafür aber freilich keine Ambulanz zugezogen haben. Einige Studierende wurden von der WEGA - teils kopfüber - den Boden hinausgeschliffen; wer sich passiv, durch still stehen, gegen den Abtransport wehrte, bekam von der WEGA ein paar Hiebe mit Händen und Füßen auf diverse Körperstellen. Abgesehen davon war die Stimmung im Rektoratssaal aber relativ entspannt, mit manchen Beamten wurde gescherzt; eine Besetzerin ließ sich sogar von einem einzelnen Beamten, mit den Händen um seinen Hals (wie nach einer Hochzeit) hinaustragen, was für viel Gelächter auf beiden Seiten sorgte ;) Von einem freiwilligen Verlassen des Rektorats, wie von Polizei oder Rektorat gelegentlich behauptet, kann aber keine Rede sein. Die Umstände ließen keine andere Möglichkeit zu, als still sitzend den "Abtransport" abzuwarten ...

13:26 Uhr
Noch immer sind rund 20 bis 30 Personen im Rektorat. Auf der Treppe davor befinden sich etwa 150 bis 200 Solidarische, die alle hinausbeförderten lautstark bejubeln. Teilweise sind sie bis in das ganz hinten im Rektorat gelegene Zimmer hinein zu hören.

13:59 Uhr
Nachdem alle BesetzerInnen aus dem Rektorat befördert wurden, versammelte man sich vor der Universität und zog in einer Spontandemo zum Campus, wo für 14:30 seit langem der Treffpunkt für "kollektiven w-IE-derstand" angekündigt war. Der Campus wird um 14:19 Uhr erreicht.

Polizei-Großaufgebot vor der Uni: schätzungsweise 100 bis 200 BeamtInnen im Einsatz oder "im Hintergrund"













ca. 14:30
im Foyer des C1 versammeln sich 100, gegen Ende um die 200, Personen zum Aktionsplenum. Es wird diskutiert, wies weitergeht. Als das Plenum beinahe ins Endlosdiskutieren abzudriften droht setzt sich doch rasch die Erkenntnis durch, dass nun besser rasch das schon oft in Erwägung gezogene Audimax angesteuert wird, wo schließlich immer noch ausführlich weiter diskutiert werden könne, unter deutlich besseren Platz- und Akustiverhältnissen. Auch vor dem C1 warteten die ganze Zeit über 50 bis 150 Personen auf den "kollektiven w-IE-derstand".

15:30 Uhr
Die Demo zieht los. Sie darf aber nicht direkt zur Alser Straße hinaus, da die Polizei die Verbindungsgänge zwischen Hof 2 und den angrenzenden Höfen, insbesondere Hof 1, für alle Personen gesperrt hat. Sie muss daher via Garnisongasse hinaus. Als Grund nennt die Polizei eine Bundesheer-Angelobung, die im "Ostarrichipark" vor der Nationalbank (neben dem Campus/Alser Straße) abgehalten werden soll und die "nicht gestört werden darf".

Das sorgt für Unverständnis insbesondere bei jenen am Campus, die am Weg zu Lehrveranstaltungen, Prüfungen oder Billa sind. Als sich eine Studentin ungeduldig durchdrängt und von einer Polizisten festgehalten wird, pfeift sie ihr Vorgesetzter zurück: "einzelne Personen sind ok, die Demo ist eh schon in die andere Richtung unterwegs" [sinngemäß zitiert] - daraufhin verstehen die BeamtInnen selbst den Sinn ihrer Blockade nicht mehr wirklich: "oida wir san a kaschperltheater, i stö mi jetzt aufd seiten", sagt eine Beamtin daraufhin, wortwörtlich zitiert von @unibrennt.

15:50 Uhr
Die rund 300 Personen starke Demo, unterstützt durch eine Samba-Tromme-Gruppe, erreicht das NIG in der Universitätsstraße. Es gibt eine Hörsaaltour und Platzregen. Nachdem beides vorbei ist geht es - nach einer Runde ums Jonas-Reindl und kurzer Blockade der Kreuzung Schottentor - direkt ins Audimax. Polizei und Securities sind gezwungen, tatenlos zuzusehen.

ca. 16:15 Uhr
einige Minuten nach der Erstürmung des Audimax wird vom PC am Podium des größten Hörsaals Österreichs getwittert: #AUDIMAX BESETZT

Eine Psychologie-Prüfung muss abgesagt werden, was bei den schlecht vorbereiteten für Begeisterung sorgt, bei den gut vorbereiteten für Ärger und Frust. Die Prüfung wird um eine Woche verschoben.

17:24 Uhr
die Forderungen der BesetzerInnen werden getwittert:
1. Beibehaltung des Ie Studiums
2. Abschaffung der und mehr prüfungstermine bei der
3. Keine Studiengebühren (Senatssitzung 26.4)

17:29 Uhr
Securities versuchen nun, die Zugänge zum Audimax zu blockieren, was ihnen aber nicht gelingt. Lediglich der Haupteingang kann versperrt werden, was aber ausschließlich "brave" Studierende betrifft. Mit der Weile werden auch die übrigen Eingänge ins Uni-Hauptgebäude von Securities und Polizei gemeinsam versperrt.

ca. 18:13 Uhr
Am Hintereingang zum Audimax-Gang versammelt sich eine Menge, der es gelingt, die Türen aufzudrücken.

18:18 Uhr
Die Polizei rückt an und versperrt den Hintereingang mit zwei Fahrzeugen und einem Dutzendfachen an BeamtInnen.

versperrte Zugänge zum Audimax, Fotos von 18:14, 18:18 und 18:25 Uhr























19:23 Uhr
Ein Gesprächsangebot des Rektors für die Tage nach (!) der entscheidenden Senatssitzung am 26. April wird dem Audimax übergeben. Gleichzeitig wird ein Ultimatum zum Verlassen des Audimax bis 20 Uhr angekündigt. Das Plenum diskutiert und nach langem Hin- und Her entschließt man sich - mit Blick auf frühere Erfahrungen - nicht auf dieses Angebot einzugehen. Ein Antwortschreiben wird verfasst und um ca. 20:40 Uhr dem Plenum zwecks letzter Korrekturen vorgetragen.

19:25 Uhr
Ein Teil der verzweifelt auf Einlass wartenden Menge vor dem Audimax begibt sich zu einem Spontandemo-Versuch (Foto) auf den Ring (kurze Ringblockade), wird aber binnen Minuten von der Polizei abgedrängt.

19:50 Uhr
Etwa 100 Personen (rund 50 bleiben weiterhin vor dem versperrten Audimax-Eingang) ziehen auf die Universitätsstraße und demonstrieren spontan zum NIG, wo der Hörsaal 1 eingenommen wird.

20:19 Uhr
Hilferuf aus dem Audimax: Es gibt nix zu essen, nix zu trinken ... "Belagerungszustand"! Der Verfassungsschutz hält die Lage für die Polizei von innen unter Beobachtung und garantiert so die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung vor wahnwitzigen Terroranschlägen der radikalisierten Studierendenmeute (vgl. unibrennt-Tweet 20:22 Uhr).

ca. 19 bis 21 Uhr
Immer wieder gelangen Leute auf unerklärlichen Wegen ins Audimax ;) irgendwann bemerkt die Polizei jedoch die Schwachstelle und blockiert sie. Schätzungsweise 30 bis 50 Personen dürften so nachträglich ins Audimax gelangt sein. [Update 20.4.:] Der Liveticker (!) der Gratiszeitung Heute (!) berichtet um 20:52 Uhr davon, dass der Schleichweg durch den Keller von der Polizei entdeckt wurde und nun bewacht wird. Lebensmittelspenden durften über den gesperrten Audimax-Eingang am Schottentor durchgereicht werden und trafen nach dem ersten Aufruf nach und nach ein :)

20:43 Uhr
Via Skype-Liveaschaltung ist das Audimax mit dem HS 1 im NIG verbunden. Dort wird von Polizeigewalt am Eingang berichtet, das Gebäude sei von der WEGA umstellt worden. Die Zahl der BesetzerInnen schrumpft auf unter 50. [Update 20.4. 17:20:] Laut Augenzeuge lösten die Studierenden die Besetzung schließlich freiwillig auf, hätten "aber die Security mit der Information gefüttert, es hätten sich 10 Leute im Gebäude versteckt. WEGA durchkämmt also umsonst das gesamte Gebäude."

20:52 bis 21:03 Uhr
Polizei zieht Einheiten beim Hintereingang zusammen. Die Räumung des Audimax steht scheinbar unmittelbar bevor. Rund 80 PolizistInnen betreten das Gebäude ...

21:51 bis ca. 23 Uhr - Räumung
Jetzt beginnt die Räumung tatsächlich. Die Kommunikation mit den BesetzerInnen reißt ab. Die Ereignisse ab dem Betreten des Audimax durch die Polizei: Auf unverständliche Weise sagt der "Behördenvertreter" das übliche durch. Laut Gesetz muss den BesetzerInnen eine angemessene Frist zum freiwilligen Verlassen (ohne Personalienaufnahme!) gesetzt werden. Jedoch ist vom Beginn weg, mit Betreten/Versperren aller Audimax-Ausgänge durch die Polizei, kein Hinauskommen möglich. Rund 10 bis 15 Minuten darf NIEMAND den Saal verlassen. DANACH wird begonnen, tröpfchenweise Personen gegen Personalienaufnahme (= Anzeige folgt) über den Audimax-Gang zum Hinterausgang hinauszulassen. Allen Personen wird vorgeworfen, den besetzten Hörsaal nicht in der gesetzten Frist freiwillig zu verlassen haben - und werden deswegen angezeigt. Ein gut und vielfach erprobtes Instrumentarium der Wiener Polizei zur Kriminalisierung von Protesten.

Es gibt keine ernsthaften Zwischenfälle während der Räumung, er herrscht jedoch großer Ärger über das gesetzwidrige Vorgehen der Polizei. Ein Polizist wird von Studierenden nach dem Grund gefragt, warum niemand den Saal verlassen darf - man fragt ihn nach seiner Dienstnummer, dessen Herausgabe dieser jedoch verweigert. Als man ihn dabei mit Handykamera filmt packen Kollegen den Filmenden von Hinten und zerren ihn aus dem Audimax - was ein lautes Aufschreien der BesetzerInnen hervorruft. Doch man ist der Polizei hoffnungslos ausgeliefert.

Vor dem Hintereingang des Audimax versammeln sich nach und nach um die 200 bis 300 Personen, die alle Hinausbegleiteten lautstark begrüßen - darunter zahlreiche MedienvertreterInnen. Ein eigens aufgestellter Scheinwerferturm am Anhänger eines Polizei-Offroaders blendet alle Herausgehenden und garantiert der Polizei, dass ihre Handlungen nicht aus dem Dunklen heraus gestört werden. Es fliegen unter lauten Buh-Rufen dennoch einige Bananenschalen, als die Räumungseinheiten der Polizei als letztes das Audimax verlassen.

Was den BesetzerInnen nicht gelingt, besorgt das Rektorat: Die Uni kündigt an, dass am nächsten Tag (Freitag) das Hauptgebäude einschließlich Freitag bis Montag geschlossen bleibt und alle Termine entfallen, vgl. @koalakatze:

Niemand blockiert die Uni so effektiv wie das Rektorat, morgen keine lvs


Nach 13 Stunden effektivem Protest und einem Dauer-Polizeieinsatz, der wohl um die 300 BeamtInnen miteinbezogen haben muss (was bei vom Innenministerium veranschlagten Kosten von 25 € brutto pro Personalstunde um die 100.000 € steuermittelfinanzierte Gesamtkosten für das gewaltsame Unterdrücken von Studierendenprotesten bedeutet) verabschieden sich alle vom Ort des Geschehens und verweisen auf die Termine am Folgetag: 11 Uhr Pressekonferenz des Rektors, 13 Uhr Plenum der IE-Proteste am Campus. Außerdem gab es ein Sit-In in einer Erste Bank-Filiale, um dort, wo alles Geld "verschwindet", ein Plenum abzuhalten.

Am Montag, 23. April, lädt das Rektorat zu öffentlichen Gesprächen ... und wir sich dabei wohl einiges anhören müssen, insbesondere wegen der Sammlung der Daten der protestierenden Studierenden und deren behördlicher Verfolung im Auftrag des Rektorats!

Der @unibrennt-Twitter-Account hat im Zuge des Protesttages um weitere 200 Follower/innen zugelegt, nachdem erst kürzlich die 10.000 Follower-Grenze überschritten wurde. Wir gratulieren! :)

Pressespiegel

[folgt - in Arbeit!]

bis dahin: siehe
https://pad.riseup.net/p/IE-WIEN_PRESSESPIEGEL
 
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