Mittwoch, 21. Juli 2010

2010: Linz ist wieder Provinz

Ein kleiner Rundumschlag nach fast einem Jahr Linz-Abstinenz

Ich will das hier ja gar nicht zu sehr ausbreiten, ich will auch gar nicht näher auf die Überschrift eingehen, ich sage nur rasch folgendes - es erscheint mir zu abstrus, als dass ich es für möglich gehalten hätte:

Ein Semester fast durchgehend in Wien verbracht (und das davor auch, die Semesterferien dann ganz wo anders). Man kommt nach Hause, in den schönen Linzer "Vorort", der den selben Namen trägt, wie dieser Blog (ja, genau: FMO!) - und verbringe nun diesen Dienstagabend erstmals seit langem wieder auf der geliebten "Ländn" - die Donaulände, neben dem blau leuchtenden Lentos.

Zuerst ist es ja nur ein harmloser Gedankenaustausch, zwischen mir und einem Freund, ob sich der architektonische Ideenreichtum in Linz wirklich schon mit bunt leuchtenden Betonklötzen erschöpft (schräg gegenüber des Lentos: das nun auch bunt, meistens blau bis violett, leuchtende Ars Electronica Center). Was dann folgt, wird aber immer merkwürdiger. Zunächst fragt man harmlos eine nahe sitzende Kleingruppe aus zwei Mädchen und einem Burschen nach einem Feuerzeug. Was kriegt man zur Antwort? "Ja, aber nur wennst uns hilfst, den Typen wieder loszuwerden. Bitte, hilf uns!" - ich halte das für einen Scherz der Drei, aber nein: "Bitte, hilf uns". Rasch stellt sich raus: die zwei Mädchen kennen den Typen nicht. Er sitz da und bedient sich an deren Getränkesortiment (Wein, Alk-Gemisch). Die Situation wird allmählich klar, man schlägt mal dem Typen vor, ob er denn nicht bitte gehen möge. Er steht auf, kontert, der Alkohol gehöre ihm, fragt, was das Problem sei, und beginnt sich aggressiv zu gebärden. Auch größte diplomatische Anstrengungen (wie: naja, irgendwie gehöre der Wein vielleicht ja doch nicht ihm, und vielleicht möge er denn eventuell einmal auch ein bisschen wo anders hingehen) zeigen keinen Erfolg. Im Gegenteil. Er tritt zuerst mit den Füßen ein paar Becher und Dosen Richtung Donau, dann wirft er die große gefüllte Plastikflasche hinten nach und packt schließlich die Weinflasche am Hals, schwingt ein bisschen damit herum, haut sie aber schließlich doch "nur" auf den Boden - direkt neben den Füßen eines der in Barfuß daneben sitzenden Mädchen. Der eigene, ruhige Ton ist nun nur noch schwer zu halten - man kann doch nicht ständig "gelassen" auf einen sein Aggressionslevel wie ferngesteuert konstant steigernden Menschen reagieren. Und einfach weggehen wäre nur auf den ersten Blick die vermeintlich "friedlichste" Lösung. Es wäre nicht nur feig, sondern unloyal, asozial, jenen gegenüber, die um Hilfe gebeten haben (nur, um mal ein bisschen auf gewisse "De-Eskalations-Strategien" einzugehen, die manch Unverbesserliche im Audimax, C1 und auch in der (B)Aula gepredigt haben). Zu diesem Zeitpunkt (als die Flasche flog) war aber schon ein weiterer Typ angekommen, der den anderen offenbar kennt und ihn sogleich mit "der ist schon ang'soffen" quasi pauschal entschuldigte. Nicht nur das: zunächst, bevor die Flasche flog, ging seine Argumentation noch in die Richtung "ich kenn euch nicht, weiß nicht, was da los ist, was ihr da macht - und überhaupt, wir räumen da neulich eure Glasscherben weg, was wollts ihr überhaupt" (offenbar zählen die beiden zu einer Art Straßenszene (in Linz sagt man vereinfacht einfach "Punks" dazu, könnte aber auch sein, dass sie eher dem (unsympathischeren, drogen- und aggresionslastigen Teil) der Freetekno-Szene angehören - die beiden Szenen überschneiden sich zumindest in Linz teilweise auch). Na wie auch immer: Als die Weinflasche zertrümmer war, gab es einen raschen Meinungsumschwung bei "Typ Nr. 2" - hat er doch gerade noch seine aufopfernde Scherben-Wegräumarbeit gelobt, schmeißt sein "Partner" wuchtig eine Flasche zu Boden) - ums kurz zu machen: Typ Nr. 1 wurde nun verbal stark von Typ Nr. 2 bedrängt. Sein bisher stark auf uns konzentrierter, aggressiver werdender, Fokus wird binnen ca. 30 Sekunden durch die verbale Torpedierung von der Seite zusehends von uns abgelenkt. Wir nützen die Chance, fliehen - und lassen uns 10 Meter weiter nieder ;) - was lernt man draus? Nix. Man muss hoffen, dass ein "Kollege" von solchen Typen auftaucht, der ihn zur Räson bringt.

Ähnliches bewies sich ca. 2 Stunden später vor der Stadtwerkstatt, die, kurz nach 24 Uhr, bereits am Schließen war. Auch für einen Werktag ungewöhnlich. Verkürzte Ferienöffnungszeiten? Jedenfalls sitzen nun alle, das sind ca. 30 Leute, auf der Treppe vis-a-vis des AEC. Zuerst ein kleiner Hundekampf (unfreiwillig natürlich, ein Hund war nicht angegurtet und hat im Anblick eines bestimmten anderen Hundes offenbar die Nerven verloren) - die zweite Auflage, wie uns wer aufklärte - dann, kaum in ein "eigenes" Gespräch zurückgefunden, der nächste Auftritt unten auf der Bühne: Ein großer, schlanker, aber muskulöser Mann, lange schwarze, zusammengebundene Haare, Mann, macht einen auf "Joker" (aus Batman). Er schreit laut herum, zumeist in Richtung eines zweiten, etwas kleineren, schüchterneren jungen Mannes, der ihm angeblich bei seiner Arbeit helfen solle und "den ganzen Tag nichts getan" habe. Er beschimpft ihn, fordert ihn zwischendurch aber immer wieder auf, er solle ihm helfen. Ja, wobei eigentlich? Beim rauftragen eines Tischen, eines Eis-Ständers und einer Tomaten-Topfpflanze (!) auf der ersten Zwischenebene der Treppenkonstruktion. Zwischendurch fiel ihm auch was runter, auch Sessel sollten noch raufgetragen werden, und irgendwie ging die Steinbedeckung der schräg zur Treppe verlaufenden Seitenmauer zu Bruch - außerdem wusste man nie so ganz, ob er die Sachen jetzt einfach raufträgt oder ob er sie doch lieber einfach runterwerfen will (eine Bierflasche und ein paar Dosen flogen diesen Weg schon) Von lautem, Lachen begleitet, wie man es eher aus Cartoons oder Actionfilm-Parodien kennt, machte zog der Typ sein Ding durch. Wichtige Anmerkung: Er war offenbar Mitarbeiter (seine große Gürteltasche deutet auf Kellner hin) in der Stadtwerkstatt, schrie selbst auch mal "I orweit do". Anmerkung Nr. 2: Ca. 10 Minuten vor seinem "Auftritt" waren zwei Bar-Mitarbeiterinnen, die den Laden dicht machten, unterwegs und haben sämtliche Glasflaschen eingesammelt und alle anwesenden Grüppchen freundlich darum gebeten, die Flaschen und sonstigen Müll mitzunehmen, da die Stadtwerkstatt sonst "wieder" eine Anzeige kriege.

Übrigens: Auch auf dieser Uferseite saß ein Grüppchen mit Hunden ("Menschen mit Hunden" als neues Synonym für "[Pseudo?]Punks"?) - und schimpfte heftig auf drei unserer Freunde, denen beim Nachhausegehen eine Flasche runterfiel. Die Beschimpfungen wurden noch dreckiger, als sie sich zu rechtfertigen begannen, sie hätten das doch nicht absichtlich gemacht. Die Moral wird dann am schirchsten, wenn man glaubt, irgendeine Moral vertreten zu müssen. So gesehen frage ich mich, wie effektiv die neue Punk-Politik in Linz [gibts das überhaupt?] ist, wo man Punks offenbar zu Putzpersonal umerziehen will - und raus kommen aggressive Sauberkeitsfaschisten (die dann ja selber auch nicht immer so sind, wie sies von anderen lautstark einfordern - aber das ist ja der Punkt bei dieser Ordnungsmoraloffensive, die hier eher unschöne Früchte zeigt).

ach ja, die Provinz

Und jetzt zum provinziell eigentlich relevanten Teil - das da oben waren nur bisher in diesem Ausmaß und in dieser Dichte ungekannte Aspekte eines werktäglich-abendlichen Linz an den beiden Uferseiten.

Es ist Dienstagnacht. Mitternacht. Die Straßenbahn stellt - wie alle anderen öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt - ihren Dienst ein. Es gibt keine Nachtlinien - obwohl die letztes Jahr eingeführt wurden (aber offenbar nur für die Wochenenden, und übrigens ohnehin nur auf 3 Strecken). Man geht zum "Nahversorger", einem Billig-Laden, der als einzigen Öffnungszeitenhinweis "täglich ab 19 Uhr geöffnet" aufweist. Natürlich geschlossen (obwohl ich mich erinnern kann, dass der werktags immer bis 2 und an Wochenenden noch länger offen hatte). Man geht also - wie gesagt - zur Stadtwerkstatt - kurz nach Mitternacht - am Schließen. Auch hier hatte man werktags üblicherweise bis 2 Uhr oder länger geöffnet. Aber gut, es sind ja Ferien, alle in Italien, Mallorca, Kroatien und Türkei - oder was, etwa nicht?

Na dann geht man halt mal was essen... das ist in Linz grundsätzlich schon nicht einfach (wenn man nicht gleich ins Restaurant will), aber am Abend besonders schlimm. Im Gegensatz zu Wien gibt es nicht ansatzweise diese Dichte an Imbissbuden, schon gar nicht diese Vielfalt (oh ja, im Vergleich zu Linz sind die Wiener Kebab- und Würstelbuden samt vereinzelten Nudel-Buden extrem vielfältig - je nach Standort unterschiedliche Zutaten, Größen, Varianten...) - aber in Linz: ein Kebabstand am Hauptplatz, drei, mittlerweile alle vom selben miesen Anbieten, an der Landstraße. Ein Lichtblick beim Schillerplatz, aber von der Donau ist das dann schon 20 Gehminuten entfernt. Von den Würstelständen reden wir gar nicht. Mies, teuer. Jener Stand, wo das Essen am wenigsten mies ist, gilt in Linz dann den Connaisseuren als "Gourmet". Da die Stände in der Innenstadt alle mies sind, hat logischerweise jeder einen anderen Stand als "besten" in Erinnerung. Da man dann aber doch nicht ständig über die (enttäuschende) Qualität der Würstelstände reden will, einigt man sich üblicherweise darauf, den "Warmen Hans" (wohl aufgrund seiner mutigen Namensgebung) als "Kult" und "Feinschmecker-Tipp" zu bezeichnen. Wenn man dort aber einen Bosna bestellen will, kriegt man nur einen "Bosna-Burger", der in etwa so attraktiv ist, wie die "Semmel mit Bratwurstschnecke" bei Billa. Der letzte gute Bosna-Stand im Innenstadtbereich war meiner Ansicht nach jener, der vor dem (damals noch nicht gebauten) Lentos stand und in einem blauen Container untergebracht war. Klingt vielleicht nicht besonders verlockend - aber es war der beste. Das was man jetzt in Linz überall kriegt ist immer das selbe - bloß: es wird gefühlte drei Mal jährlich um 10 Cent teurer. Mittlerweile steht die kleine Bosna irgendwo bei € 2,10 oder drüber. Angefangen hat das ganze bei 20 Schilling bzw. 1,4 €. Schwacher Trost: Die Bosna schmeckt hier wenigstens nach Bosna - auch wenn es bessere geben könnte. In Wien hat sich die Kunst des Bosna-machens noch nicht wirklich durchgesetzt - und man hat sicher nicht bei den Meistern abgeschaut. Seltene Ausnahmen ausgenommen.

Allerdings: Unter 3 € geht in Wien gar nix. Während du in New York für 3 € in etwa drei Hot Dogs mit Ketchup, Senf und Sauerkraut essen kannst, kriegst du in Wien dafür nur einen - aber so groß, dass man fast eine Familie damit einen halben Tag ernähren könnte. Etwas weniger, dafür etwas besser, wär hier durchaus keine schlechte Idee. Und wozu liegt eigentlich in jedem Würstelstand das ganze Sauerkraut herum? Ums neben die Wurst zu patzen? Warum ist noch niemand außerhalb der USA auf die Idee gekommen, Sauerkraut - was typisch deutsch/bayrisch/österreichisches gibts kaum - in den Hot Dog zu... gut, hier müsste man sagen: stopfen; aber eigentlich sollte man das Brötchen ja aufschneiden, wie beim Bosna - für den allerdings schon eine Zwiebel-Curry-Sauce vorgesehen ist.

Soviel mal zur Ausgangslage ;) Um rasch zum Punkt zu kommen: es hatte alles zu. Alles, was selbst in Linz üblicherweise (auch werktags) nicht vor 4, oder gar nie, geschlossen hat, hatte schon vor 1 Uhr zu. Der "Warme Hans", der lahme Kebabstand am Hauptplatz (vom zweiten lahmen Kebabhaus red ich gar nicht, das ist die Worte nicht wert, ist mir egal ob der offen hatte oder nicht... da steht sogar ein Glückspielautomat drin... schon alleine das... aber um den gehts mir eigentlich gar nicht... nein, das ist einfach nicht die Rede wert), der McDonalds sowieso und weiter als das wollten wir auch nicht mehr gehen. Letzte Hoffnung: Der Leberkas-Pepi (ja, der heißt wirklich so!) - und tatsächlich: die Gestrandeten der Nacht finden sich beim Leberkas-Pepi ein, um sich noch ein paar Leberkas-Semmerl in den Mund zu schieben, bevor sie, so wie ich, glücklich mit einer Paste aus toten Tieren gefüllt, nach Hause fahren (oder gehen, wenn man in Linz wohnt und sich kein Taxi leisten kann). Ich habe ja das Glück, dass meine Heimatgemeinde das (Anrufsammel-)Taxi zahlt (machen fast alle Nachbargemeinden von Linz). Sprich: Ich fahre wenns sein muss alleine mit dem Taxi heim - den Rest zahlt die Gemeinde. So hab ich das zumindest verstanden. Und das erklärt dann auch, warum ein Taxifahrer wegen einer Person, die nur lahme 4,4 € auf 11 Kilometer zahlt, überhaupt nach hause bringen sollte.

Ja, es ist schön, wieder in Linz zu sein. Und wer glaubt, nach den Schilderungen am Anfang müsste ich mich ja schon auf die Bürgergestapo freuen, der irrt. Die Stadtwache, die Dobusch nach einer gewonnenen Wahl (vor der er eine Stadtwache ausgeschlossen hatte) grundlos der FPÖ, samt gesamten neuen Sicherheitsressort, quasi als Spielplatz für Hobby-... [überlegts euch selber was, hab keine Lust mir von der Partei, die das "freie Wort" des "einfachen, kleinen Mannes" hochhält eine Klage wegen meiner Meinung aufhalsen zu lassen. Und ja, die verklagen auch Blogs. Und ja, womöglich auch diesen, kleinen, unbedeutenden, irrelevanten] geschaffen hat. Eines kann aber gesagt werden: Jenem Mann, den SPÖ-Dobusch grundlos ein eigens geschaffenes Sicherheitsressort samt dutzende Mann (und Frau?) starker Stadtwache schenkt, wurde einst beim Bundesheer eine Offiziers-Karriere verweigert, aufgrund seiner Nähe zu rechtsextremen Kreisen. Viele würden ja behaupten, sowas gibt es doch nicht, dass man beim Bundesheer "zu rechts" sein kann. Aber ja, es scheint tatsächlich möglich, auch mal einen positiven Eindruck vom Bundesheer zu gewinnen. Das wäre eigentlich ein schöner, positiver Schlussatz, doch ich bevorzuge, zu betonen, dass ich der festen Meinung bin, dass eine Stadtwache A) prinzipiell und B) unter den tatsächlich schlechtest-denkbaren personellen Umständen die Lage in Linz nur verschlimmern, ja vielleicht sogar zum eskalieren bringen wird. Man stelle sich mal vor, wie von der FPÖ zusammengestellte Patrouillen mit Persilschein von der Stadt die Straßen "sicher" machen werden. Zeitungsberichte verlauten ja bereits, dass Dobusch nun doch allmählich etwas zurücksteckt und der Stadtwache, die nun irgendwie "Ornungsdienst" oder so heißen soll, weniger Rechte und weniger Waffen geben will. Das verstärkt den Eindruck, der FPÖ lediglich ein Spielzeug zum Wählerfang am rechten Rand zu geben, allerdings nur.
 
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