[August 2010] - [März 2011]
Am 7. April 2010 wurde das Doppelhaus Friesenbergstrasse 78/80 besetzt. Es war ein Glückstreffer. Nur wenige Tage zuvor waren die letzten Mieter des Hauses ausgezogen. Das Haus war alt, wurde in den 30er-Jahren gebaut. Aber es war in relativ gutem Zustand und nach wie vor bewohnbar. Türen und Fenster waren zwar alt, die Teppichböden nicht mehr ganz frisch (darunter befand sich Holzparkett), aber: es gab Strom und fließendes Wasser, die Badezimmer und Küchen waren zumeist intakt. Insgesamt 18 kleine 2-Zimmer-Wohnungen mit Bad-Küche-Vorraum. Also zogen die Leute ein. Rasch wurde auch der Keller einer squat-gerechten Nutzung zugänglich gemacht. Als hilfreich erwies sich dabei ein altes Schweizer Gesetz, das aus Gründen der Landesverteidigung nicht nur "Schutzräume" (Bunker) in Wohnhäusern vorsieht, sondern auch vorschreibt, dass die Holzlatten-Verkleidung der Kellerabteile relativ unkompliziert zu entfernen und als Bettgestell genutzt werden kann. Matratzen gab es ohnehin genug, ein ganzes Zimmer wurde damit vollgestopft (das Gästezimmer). Im Gästezimmer waren immer wieder Gäste aus dem In- und Ausland, darunter auch ich, zu Gast. Auch Obdachlose durften immer wieder im Gästezimmer übernachten, wobei man sich notgedrungen (das Matratzenlager sprach sich rasch herum) darauf einigte, jeden Obdachlosen maximal zwei Nächte übernachten zu lassen. Nicht zuletzt, da auch andere Gäste vorübergehend Unterschlupf finden sollten.
Bald konnte also im Keller eine Bar eröffnet werden, die "rikade bar" (bzw. "bar rikade") die - in Anknüpfung an die "Kalki" (2004-2010), deren "Inzest Bar" zum Treffpunkt der ganzen Szene wurde - jeden Mittwoch geöffnet hatte. Der Sonntag wurde zum Volxküchentag ernannt, an dem entweder Leute aus dem Haus oder Gäste das eine oder andere Dutzend Squatter bekochten.
Bis zum Sommer erhöhte sich die BewohnerInnenzahl auf etwa 15, 16 Personen, die sich in zwei Gruppen auf beide Gebäudehälften (je neun Wohnungen in insgesamt drei Etagen) aufteilten. Eine Siebdruck-Werkstatt wurde eingerichtet, samt wöchentlichem Workshop, an dem unter fachkundiger Anleitung gegen 20 CHF Aufwandsentschädigung (Siebe, Lösungsmittel, Farbe) T-Shirts, Flyer oder Plakate gedruckt werden konnten.
Der Umgang mit dem Eigentümer und den Kommunalbetrieben erwies sich als erstaunlich unkompliziert. Nachdem sich die Besetzung stadtweit herumgesprochen hatte, tauchten nach und nach Schornsteinfeger (Rauchfangkehrer ;)) auf, um den Kamin frei zu machen, Strom- und Wasserwerke kamen zum Zähler ablesen - bezahlt werden musste nie etwas. Der Besitzer trat nie in Kontakt mit den Besetzern. Verwaltet wurde die Liegenschaft von einem Immobilienunternehmen, das für die Besetzer nicht zu sprechen war. Auch gut.
Bis zum Sommer erhöhte sich die BewohnerInnenzahl auf etwa 15, 16 Personen, die sich in zwei Gruppen auf beide Gebäudehälften (je neun Wohnungen in insgesamt drei Etagen) aufteilten. Eine Siebdruck-Werkstatt wurde eingerichtet, samt wöchentlichem Workshop, an dem unter fachkundiger Anleitung gegen 20 CHF Aufwandsentschädigung (Siebe, Lösungsmittel, Farbe) T-Shirts, Flyer oder Plakate gedruckt werden konnten.
Zweites Halbjahr
[in der Siebdruckwerkstatt]
[Bühnen-Deko]
[Keller: Durchgang + Chillout nach Umbau]
Friesi Filmfestival

Der Publikumszuspruch war äußerst zufriedenstellend. Beide (aus Holzpaletten) barrikadenartig (und teilweise mit Sofas ausgestatteten) aufgebauten Publikumstribünen dürften je etwa 20 bis 30 ZuseherInnen gefasst haben - und sollen laut Anwesenden die meiste Zeit voll besetzt gewesen sein (bzw. darüber hinaus). Endlich hat Zürich ein alternatives Filmfestival! Auf eine Fortsetzung in den nächsten Squats darf hoffentlich gehofft werden.
Frisiert
Eine Fortsetzung des Heftes auch in der Post-Friesi-Ära scheint wahrscheinlich, da das Heft szeneumfassend ausgelegt und nicht auf die Friesi beschränkt ist. Eine besondere Bedeutung kommt dem in einer Auflage von etwa 100 bis 150 Stück gedruckten Heft auch deswegen zu, da die Zürcher autonome und Squatter-Szene bis zum heutigen Tag extrem internetscheu, also so richtig "old school", ist. Obwohl über 20 Häuser in der Stadt besetzt sind, mehrere davon auch als Kultursquats gelten dürfen, findet sich nur wenig dazu im Internet. Eine bewusste Entscheidung freilich.
Das "FRISIERT" beinhaltet in der Heftmitte eine Monatsübersicht über unregelmäßige Veranstaltungen wie Konzerte, das Friesi Filmfestival, Diskussionsveranstaltungen und -cafés, Filmvorführungen, Soli-Partys und dergleichen aus dem Raum Zürich. Monatlich neu illustriert wird auch jene Doppelseite, die auf regelmäßige/wöchentliche Bars in Zürcher Squats hinweist. In der März-Ausgabe ist für jeden Wochentag eine Bar in einem anderen Haus angekündigt, wobei das Friesi ja im März eigentlich nicht mehr so oft Schauplatz einer Bar sein dürfte ...
Das Ende
Am 7. März 2011 wird mit den Abrissarbeiten begonnen. Erste Vorarbeiten am Gehsteig und im Garten waren bereits zu verzeichnen. Das Friesi wird durch einen "cocoon" genannten Yuppie-Neubau ersetzt.
Ausblick
Alles wird gut, dank der Friesi-Brut!
Da Hausbesetzer bekanntlich vom Himmel fallen, kann es keinen Ausblick geben. Der liebe Gott hats gegeben, der liebe Gott hats genommen. Oder waren es doch die Immobilienspekulanten und -verwerter?
Zitate
Zum Abschied noch ein paar Zitate - ohne Wertung - zum Friesi:
- Wochenzeitung (WoZ): «Eigentlich wollten wir vor dreissig Jahren genau dasselbe»
Wir kriegen ein Ultimatum gestellt und wissen, bis dann und dann müssen wir draussen sein. Im Gegenzug boykottieren wir den Auszug nicht, wie das in den achtziger Jahren der Fall war, wo es zu Zusammenstössen kam.
- Schweizer Volkspartei (SVP): Hausbesetzungen in Zürich Wiedikon
Mit der Hausbesetzerszene schwappt eine Welle linken Chaotentums in den den Kreis 3 über. [...] Mit einer Hausbesetzung einher geht immer auch eine Verslummung des Quartiers.
- Tagesanzeiger: Autonome griffen weiteren SVP-Politiker an
[...] Weiter kritisierte die SVP die polizeiliche Duldung von illegalen Hausbesetzungen. In solchen Liegenschaften bilde sich «eine gefährliche Brut»; einige der Demonstranten vom Freitag seien direkt aus dem besetzten Haus an der Friesenbergstrasse gekommen. Dem Stadtrat fehle der Wille, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Er müsse illegale Demonstrationen im «Keim ersticken» und Teilnehmer sofort verhaften.
Weiterführende Infos und sonstige Links: