Samstag, 30. Juli 2011

Hausprojekt reloaded: Schwarze Katze kapert Triester Straße 114

+++ Update: Sonntagvormittag (31.7.) wurde unangekündigt und unerwartet geräumt, laut Presseaussendung der BesetzerInnen (ASK) ohne Räumungsbescheid! Berichte dazu (Auswahl) am Ende des Beitrags +++

Nach über einem Monat Rätselraten (seit Ankündigung auf dem Blog der "Aktion Schwarze Katze", ask.noblogs.org) ist das Geheimnis nun gelüftet:
die Triester Straße 114 ist wieder besetzt! Das Haus wurde bereits im Oktober 2009, nur knapp drei Wochen vor Ausbruch der größten Uni-Proteste Österreichs mit der Besetzung der Akademie der Bildenden Künste durch Studierende und Lehrende, für zehn Tage besetzt. Damals wurde im Haus binnen kürzester Zeit ein soziales Zentrum mit starker künstlerischer Ausprägung eingerichtet, von der Stadt eine Woche lang "geduldet" und nach dem zweiten Wochenende am frühen Morgen geräumt. Seit Freitag, 29. Juli 2011, ist es wieder besetzt.

Lügen, auch gedruckt: Sprechrituale von Eigentümern leerstehender Immobilien

Wie immer bei einer Besetzung kommt von der Eigentümerseite her als erstes die Behauptung, das (meist seit Jahren) leer stehende Gebäude XY würde "sofort", "demnächst", "nächste Woche" oder "nächstes Monat" umgebaut/abgerissen/neu gebaut/renoviert/saniert/neu genutzt. Wie immer sind das reine Lippenbekenntnisse, die von Außenstehenden nicht überprüft werden können. JournalistInnen, sofern sie überhaupt auf die Besetzung aufmerksam werden, begnügen sich ebenso routiniert Jahr für Jahr aufs neue mit diesen Antworten der Eigentümer. Besonders professionell in diesem Spiel des routinierten Belügens ist die Stadt Wien, respektive die Abteilung des Wohnbaustadtrates Michael Ludwig. Aus dessen Büro hört man zu besetzten Liegenschaften in städtischem Eigentum nicht nur stets die Behauptung, es würden "fixe Pläne", die "bewilligt"/"beauftragt"/"geplant"/"finanziert"/"baureif" etc. für ein Grundstück/Immobilie vorliegen (vgl. sämtliche Stellungnahmen der Stadt Wien zu Besetzungen in den letzten Jahre) - nein! Um das Spiel über Jahre hinweg erfolgreich fortzuführen, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren, hat sich Ludwigs Abteilung noch etwas besseres einfallen lassen: Visualisierungen!

Besonders schön sieht man das am Beispiel der Triester Straße 114. Im Oktober 2009 hieß es dazu, die Stadt benötige das (seit 2007 leer stehende und in seiner Außenansicht aus der ORF-Sitcom "MA 2412" bekannte) Gebäude umgehend für ein neues Büroprojekt bzw. "Amtsräume". Zur Untermauerung wurde nach der Räumung eine große, anschauliche
Tafel an die Fassade des Gebäudes geheftet, mit einer kühnen Behauptung:

"Baubeginn: November 2009 - Geplantes Bauende: November 2011" (Foto vom 29. Juli 2011)

Na dann werfen wir doch einmal einen Blick auf den Baufortschritt!

auf den ersten Blick scheint sich nicht viel verändert zu haben ...














... ein Blick auf die Rückseite bestätigt den ersten Eindruck



Doch wirft man einen Blick auf das Innere des Gebäudes zeigt sich: der Fußbodenbelag wurde rausgerissen - ebenso alles, was jemals irgendwie an den Mauern befestigt war. Die Stadt halt also keine Kosten und Mühen gescheut, den Umbau vorzubereiten. Doch warum zögert sie, den Umbau endlich zu beginnen? Ob das alles in zwei Monaten noch zu schaffen ist?



















Das gleiche Vorgehen kann man nun auch beim Lobmeyr-Hof mitverfolgen. Wenige Tage nach der Räumung (und Interviews mit Stadtpolitikern der SPÖ, dass bereits bewilligte Baupläne vorliegen würden) wurde etwa ein Eintrag zum Lobmeyr-Hof auf wienweb.at am 15. Juli 2011 "aktualisiert" - und zwar indem eine Visualisierung des generalsanierten Lobmeyr-Hofs in der Zukunft eingefügt wurde. Mit Baubeginn wurde "voraussichtlich 2012" angegeben. Laut Insidern darf dies jedoch bezweifelt werden, da es entgegen der Behauptungen seitens der Stadt noch keinen genauen "Fahrplan" geschweige denn vergebene Aufträge an Baugesellschaften gebe. Fazit: Einer Besetzung soll wieder einmal mit dem Argument des bevorstehenden Umbaus die Legitimation entzogen werden. In Wahrheit scheint sich das "übliche" Szenario abzuzeichnen: Auf jahrelangen Leerstand folgt eine Besetzung folgt jahrelanger Leerstand.

andere fragwürdige Rituale: wenn die Polizei durchs Kellerfenster klettert ...

Kurz nachdem Freitagabend mehrere Dutzend BesetzerInnen durch ein offen stehendes Kellerfenster ins Haus gelangt sind, ein Staunen: zwei Polizisten stürmen das Treppenhaus hinauf, eine Stampede setzt sich in den zweiten Stock in Bewegung. Frage: Wie sind die Polizisten ins Haus gelangt? Und wie konnten sie so schnell von der neuerlichen Besetzung erfahren?

Ungeachtet dieser Fragen ist die rechtliche Lage klar: ohne Auftrag durch den Besitzer/die Besitzerin, hat die Polizei auf einem "privaten" Grundstück nichts zu suchen. HausbesetzerInnen können - das ist im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) klar definiert - nur mit einem Räumungsbescheid, der vom Eigentümer unterschrieben ist, aus einem Haus befördert werden. Klar bietet das SPG willkommene Schlupflöcher, allen voran die "Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung" - und das kann die Polizei definieren, wie sie will. Dennoch: Die Polizeistreifen des Bezirks Favoriten hatten keinen derartigen Auftrag. Auf welche Weise auch immer bekamen sie rasch von der Besetzung Wind und dürften offenbar in gleicher Weise wie die BesetzerInnen - vermutlich als Exekutivbeamte mit klaren Do's & Dont's sogar noch unbefugter - durchs Kellerfenster geklettert sein. Die Verwirrung war perfekt, die Ausflüchte der Beamten originell: "Wir ziehen da jetzt auch ein", war eine der Reaktionen auf den Hinweis, dass nach § 37 SPG eine Hausbesetzung nur mit Räumungsbescheid geräumt werden kann.

Auf Du & Du mit dem LVT - oder: A Kiwara is ka Hawara

"Leider" war die Motivation der zur Verstärkung angeforderten KollegInnen etwas geringer: Bis auf ein oder zwei WEGA-Beamte (herbeigerufene Sektorstreife) zeigte niemand Lust, ebenfalls durchs Kellerfenster zu klettern. Nach über einer halben Stunde - es waren bereits 10 bis 15 Streifenwägen und VW-Busse vor Ort, sogar Polizeihunde wurden angeliefert - zogen die Einheiten wieder ab. Offenbar ging es nicht schneller, um auf dem Amtsweg zur selben Erkenntnis zu kommen, wie von den BesetzerInnen von Anfang an geäußert. Vermutlich wurde in dieser Zeit der für Hausbesetzungen zuständige LVT (Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) kontaktiert, die daraufhin die Polizei ablösten. Mehrmals wurde in den folgenden Stunden Zivilbeamte um das Haus vermutet - in der Finsternis und angeblich mit Kapuzenpullis bekleidet auf den ersten Blick kaum erkennbar. So oder so dürfte aber außer Frage stehen, dass das Haus von nun an beobachtet wird.

"Kumts aufa!" - wenn das Funkgerät nicht funkt, muss man schreien. Dem Aufruf zur Besetzung ("wir ziehen da jetzt auch ein") wollten die KollegInnen der beiden eingedrungenen Polizeibeamten nicht Folge leisten. Dennoch blieben sie über eine halbe Stunde lang.



unnötiger Polizeieinsatz: dabei ist das SPG (vgl. § 37 im Wortlaut und erläutert) eindeutig formuliert: ohne Räumungsbescheid keine Räumung!

ein kleiner Rückblick: "Hausprojekt" Triester Straße 114, 2. - 12. Oktober 2009

United Aliens TV

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Medienberichte 2009 (Auswahl):
- derstandard.at: Hausbesetzung bei der “MA 2412“ (Fotostory)
- diepresse.com: Wien: Hausbesetzung 2.0 in einer alten Schule
- hausprojekt.noblogs.org: Einträge im offiziellen Blog

Linksammlung & Pressespiegel Besetzung 2011
- offizieller Blog: http://ask.noblogs.org
- (29.7.) Indymedia: Triesterstraße 114 besetzt
- (30.7.) nochrichten.net:
Sommer, Sonne, Squatting Action: Triester Straße 114 besetzt!
- (30.7.) Radio Widerhall auf Radio Orange / cba.fro.at: Sendungsmitschnitt: Sommer, Sonne, Squatting

zur Räumung:
- (31.7.) ORF / orf.at: "MA 2412" war von Aktivisten besetzt
- (31.7.) Kronen Zeitung / krone.at: Besetzte "MA 2412" von Wiener Polizei geräumt
- (31.7.) ORF / Wien Heute: "MA 2412" am Rande der Stadt geräumt (02:01) (kurze Erwähnung auch am Ende der Zeit im Bild: Hausbesetzung von der Polizei aufgelöst (0:40)

Montag, 25. Juli 2011

. . . and the Squat goes on - zweiter und dritter Streich in Wien, Juli 2011

+++ [Einschub 29.7.] Reflektion zur neuen Hausbesetzungs-Welle in Wien auf Indymedia: Häuser besetzen sowieso? +++

Die Sommer, Sonne Squatting Action der Schwarzen Katze in Wien hat dieses Jahr noch gar nicht begonnen und trotzdem verzeichnet der Sommer 2011 (dank einer Gruppe rund um autonomizethecity.blogsport.eu) bereits seine dritte Hausbesetzung. Ein kurzer Rückblick:


(Rückblick auf die Besetzung auf WienTV.org moderiert von den Mäxchen der Zufällig generierten Zeichenketten)


Wir erinnern uns: Von 7. bis 14. Juli bzw. von Donnerstagnacht bis Donnerstagmorgen, fast eine Woche, war der Lobmeyr-Hof in Ottakring besetzt. 40 Personen wurden bei der polizeilichen Räumung aus dem Haus "befördert" - in den sechs Tagen zuvor waren jedoch jeden Abend zwischen 70 und 100 Personen im Hof, am Abend vor der Räumung schätzungsweise an die 150. Die Reaktionen der Nachbarn waren unterschiedlich: Eine Nachbarin brachte einen großen Teppich, eine andere eine Couch, ein weiterer forderte die Leute auf, durchzuhalten und sich nicht alles gefallen zu lassen. Am Tag der Räumung selbst dominierten jedoch verbitterte PensionistInnen - vgl. mein Bericht von der Räumung.

Als direkte Antwort auf die Räumung zog die geräumte BesetzerInnen-Gruppe samt Sympathisierenden zur Zentrale der Grünen in die Lindengasse, wo man sich auf ein Frühstück einladen ließ und in langen Diskussionen sämtliche vorhandene Standpunkte aufeinanderprallen ließ und ausdiskutierte. Es dominierte die Enttäuschung von den Grünen, die seit Herbst 2010 erstmals in der Stadtregierung sitzen und die Förderung und Legalisierung von Zwischennutzungen ins Koalitionspapier hineinverhandelt hatten. Für Sommer 2011 wurden zudem erste konkrete Ergebnisse - vor allem was die unklare Situation der Wagenplätze betrifft, von denen einer derzeit lange Zeit illegal in der Krieau situiert ist war (und derzeit in der Ausstellungsstraße auf dem ehemaligen Union Tennisplatz legal einquartiert ist, der Mietvertrag läuft jedoch Ende August aus; nachträgliche Korrektur/Anmerkung) und über den Winter "toleriert" wurde - eine dauerhafte Lösung ist bis heute, es ist schon fast August, noch immer nicht in Aussicht.

Nach der Verschnaufpause bei den Grünen - und nachdem es dort zusehends ungemütlich wurde - wurde am Abend des 20. Juli, nach dem für den Lobmeyr-Hof angesetzten Straßenfest im Gedenken an Carlo Giuliani, das ehemalige Militär-Kartographische Institut in der Krotenthallergasse 3, "mitten im Achten", in der Josefstadt, besetzt. Das Haus wurde bereits am nächsten Morgen freiwillig wieder verlassen, als bereits Polizei um den Block patrouillierte. Eine öffentliche Stellungnahme dazu gibt es nicht.

Nach einem weiteren Tag Pause wurde das leerstehende Haus der Barmherzigkeit in der Vinzenzgasse in Währing besetzt. Nach einer kurzen Nacht versuchten übereifrige Securities der Sicherheitsfirma Helwacht Türen und Fenster einzutreten, um die BesetzerInnen mit eigenen Händen aus dem Haus zu treiben. Nach einigem Hin- und Her akzeptierten sie schließlich widerwillig die Erklärung, dass es sich um eine Hausbesetzung handle und für eine Räumung ein rechtskräftiger Räumungbescheid nötig sei. Wenig später traf auch die erste Polizeistreife ein, gefolgt von weiteren sowie der WEGA-Sektorstreife. Da keine MedienvertreterInnen anwesend waren, genierte sich keine/r der BeamtInnen, übelste Gewalt- und sogar Mord-Drohungen Richtung BesetzerInnen zu schleudern (näheres siehe in der "Ergänzung" zu diesem Indymedia-Beitrag). Dieses "Spiel", um die BesetzerInnen herauszulocken, soll mehrere Stunden gedauert haben, bevor auch die Polizei einsah, dass ohne Räumungsbescheid nichts zu erreichen ist. Ein kurzer Beitrag dazu findet sich auch auf nochrichten.net.

Obwohl Samstag war und von den Eigentümern niemand zu erreichen war, "zauberte" die Polizei kurz vor Mittag tatsächlich einen Räumungsbescheid herbei - unterzeichnet vom Wiener Polizeipräsidenten Pürstl. Eine Kopie wollte man den BesetzerInnen nicht aushändigen, ja nicht einmal zum Lesen wollte man die "Verordnung" (also kein Räumungsbescheid?) aushändigen. Es blieb letztlich bei verbaler Gewalt, die BesetzerInnen überlegen nun, Aufnahmen der wüst schimpfenden BeamtInnen zu veröffentlichen sowie Dienstaufsichtsbeschwerden gegen das Vorgehen (z.B. Herumwacheln des angeblichen Räumungsbescheids, der vermutlich keiner war, und Verweigerung, diesen vorzuzeigen bzw. in Kopie vorzulegen) einzureichen.

Auch die Causa "Presseverbot" im Lobmeyr-Hof (bzw. die Manifestation der Verhaberung zwischen Kronen Zeitung, Wiener Wohnen/Stadt Wien und Polizei) lässt noch auf rechtliche Schritte warten. Bloß, weil es sich bei einer Hausbesetzung um einen "rechtlosen" Zustand handelt, bedeutet das nicht, dass Verfassungs- (Pressefreiheit) und Menschenrechte (psychische und physische Polizeigewalt) bei einer Räumung ausgehebelt werden dürfen. Updates in dieser Causa finden sich im Pressespiegel / Linksammlung zu meinem Beitrag zur Räumung. Auch die Video-Dokumentation (durch WienTV.org) des Presseverbots findet sich dort.

Sommer, Sonne, Squatting Action - Anarchie und Hausbesetzen!

Und so blicken wir erwartungsvoll in die nächste Phase der "Sommer, Sonne, Squatting Action", die mit einer Besetzung der Aktion Schwarze Katze am 29. Juli eingeleitet wird - the Beat goes on!

Donnerstag, 14. Juli 2011

Lobmeyr-Hof geräumt! Wiener Wohnen lässt sich durch WEGA bei "Verhandlungstermin" vertreten

letztes Update Linksammlung + eingebettete Videos zum "Presseverbot": 22. Juli 2011
Am Vormittag des Donnerstag, 14. Juli, wurde der seit 7. Juli besetzte Lobmeyr-Hof polizeilich und unangekündigt geräumt - angekündigt wäre eigentlich ein Verhandlungstermin mit dem städtischen Eigentümer "Wiener Wohnen" gewesen, doch diese ließen sich nicht blicken und gingen, für Nachfragen unerreichbar, auf Tauchstation. Nach knapp vier Stunden (Einsatzbeginn ca. 8:30, Abschluss der Räumung und Hofdurchsuchung kurz vor 12 Uhr) konnte der Einsatz beendet werden.

Mutmaßlich 100 bis 200 PolizistInnen, darunter die WEGA, wurden eingesetzt, um die etwa 30 bis 40 BesetzerInnen aus dem Hof, den Wohnungen und vom verbarrikadierten Dachgeschoß bzw. von den Dachgiebeln zu holen. Diese wurden "erkennungsdienstlich behandelt" (Ausweisleistung/Foto) und werden auf freiem Fuß angezeigt (was meist mangels Zuordenbarkeit der vorgeworfenen Delikte wie Sachbeschädigung auf einzelne Personen ohne Folgen bleibt). Dabei gab es mehrere Verletzte - von Schnitt- und Schürfwunden bis zu Würgemalen am Hals - die jedoch nicht ärztlich behandelt wurden (die Rettung wurde im Gegensatz zur Feuerwehr nicht zur Räumung beigezogen).

Selektive Pressefreiheit - Krone und FPÖ ok - ORF, Kurier & Co nicht

Die Pressefreiheit wurde willkürlich eingeschränkt: So durften kurz nach Räumungsbeginn nur noch Krone- und FPÖ-FotografInnen innerhalb des Hofes anwesend sein, während ein ORF-Kamerateam sowie JournalistInnen und FotografInnen von Kurier, Wiener Bezirkszeitung, WienTV.org sowie freiberufliche mit der Begründung, es sei "zu ihrer eigenen Sicherheit", nicht in den Hof gelassen wurden. Auch die Straßenabschnitte rund um den Hof wurden für alle Personen gesperrt, mit Ausnahme der Durchzugsstraße Wernhardtstraße. Oder wie eine Polizistin es formulierte:



Nach Hinausweisung eines WienTV-Kameramannes begründet der "Polizeijurist" (laut Polizeibeamten; tatsächlich jedoch LVT-Beamter) diese Maßnahme mit: "weil Wiener Wohnen das nicht wünscht":



im Anschluss stehen die Direktorin von Wiener Wohnen und die Pressesprecherin der Polizei Rede und Antwort ... oder auch nicht:



bei einer erneuten Nachfrage behauptet die Pressesprecherin, keinen (Krone-)Fotografen bemerkt zu haben. "Geheime" Aufnahmen von WienTV bezeugen anderes:



Schaulustige PensionistInnen wünschen BesetzerInnen Gaskammer, Haft und Tod

Grund zur Aufregung gab es für die NachbarInnen genug, versperrte doch die Polizei für Stunden die angrenzenden Straßen und Gehsteige, ließ parkende Autos abschleppen und große Feuerwehr-Fahrzeuge um den Hof kreisen (bis sie schließlich abgezogen wurden, da der Wind zu stark war, um die Drehleitern einzusetzen). Erstaunlich aber - selbst für Wiener Verhältnisse - das Verhalten einiger anwesender PensionistInnen, die als erste Reaktion immer "wer muss das alles zahlen - wir! - und die leben auf unsere Kosten" sagten, als zweite Reaktion zumeist bereits Aussagen wie, "der Hitler hätt die olle vergast", "eingsperrt g'herns olle" sowie beim Aufbau der Sprungkissen der Feuerwehr: "sollns doch aufm Asphalt aufschlagen", "mit Samthandschuhen werdn's angfasst" - verbunden mit der Aufforderung "Solln's es doch einfach ausm Fenster schmeißen". Merkwürdig auch die Aussage einer älteren Frau: "Sollen's doch in Griechenland demonstrieren gehen, da hättns ihnen längst a Bomben ins Gsicht gschmissen". Weitere Aussagen - es entwickelte sich ein munterer Dialog im größer werdenden Kreis der PensionistInnen - dieser Art hab ich bereits wieder vergessen - oder verdrängt. Als ein anwesender Kurier-Journalist die PensionistInnen um eine Stellungnahme zur Besetzung/Räumung bat, verweigerten alle die Aussage: "i hob amoi wos gsogt, des is völlig falsch zitiert worden."

Gewaltsame Räumung - von Wohnbaustadtrat Ludwig verleugnet

die Polizei - Freund und Helfer? (Foto: Daniel Hrncir)
Statt VertreterInnen von Wiener Wohnen bezogen ab ca. 8:30 Uhr PolizistInnen sowie die Spezialeinheit WEGA rund um den Hof Stellung, sperrten Gehsteige und Straßenzüge ab, ließen geparkte Fahrzeuge abschleppen, sagten (gegen die Außenmauer) mutmaßlich die Räumung durch und begannen unmittelbar darauf mit ebendieser (vgl. auch Chronik der Räumung). Wiener Wohnen hingegen ging auf Tauchstation, war den ganzen Vormittag über nicht zu diesem Fall zu erreichen. So viel zur Gesprächsbereitschaft der städtischen Wohnungsverwaltung.

Die Räumung lief für Wiener Verhältnisse in relativ "normalen" Rahmen ab. Zunächst wurden jene BesetzerInnen hinausgetragen, die im Hof übernachtet hatten. Dann folgten jene, die in nicht oder kaum verbarrikadierten Wohnungen schliefen oder sich in verschiedenen Gebäudeteilen aufhielten. Zuletzt folgte der Aufbruch der Barrikaden zum Dachgeschoß einer der Stiegen - dieser Teil dauerte mit Abstand am langsten. Wurden JournalistInnen von der Polizei anfangs noch mit "das dauert maximal eine Stunde" informiert, dauerte es schließlich bis ca. 11 Uhr, als auch die verbarrikadierten und am Dach verschanzten BesetzerInnen abgeführt werden konnten. Bis zum endgültigen "OK", dass sich niemand (außer den beiden Wohnparteien) mehr im 165 Wohnungen zählenden Hofkomplex befindet, dauerte es gar bis ca. 11:50 Uhr. Einzelheiten zur Räumung finden sich in alternativen Berichten (siehe Linksammlung am Blogpost-Ende) und als einziges kommerzielles Medium auch im Kurier, der einen engagierten Reporter vor Ort hatte.

Es gab massive Beschimpfungen und Drohungen seitens der räumenden WEGA-BeamtInnen, etwa solche, die Leute vom Dach runterzuschubsen, wenn diese nicht von selbst herunterkämen. Dass die Räumung vor allem jener Personen, die sich im Dachgeschoß, auf der Dachterasse sowie auf den Dachgiebeln verschanzt hatten, nicht ganz ohne Gewalt auskam, zeigen verschiedene Schürf- und Schnittwunden sowie Würgemale (!), die einige BesetzerInnen vor dem Hof den anwesenden FotografInnen zeigten. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, Kraft seines Amtes verantwortlich für die Wiener Wohnen Holding, behauptete gegenüber den Medien hingegen ungeniert, die BesetzerInnen hätten den Hof freiwillig verlassen (vgl. derstandard.at).

Nach Abschluss des Einsatzes gegen 12 Uhr machten sich die BesetzerInnen und SympathisantInnen auf den Weg zur Zentrale der Wiener Grünen in die Lindengasse - wo kurzerhand der Hof besetzt wurde. Es entwickelte sich eine intensiv, aber konstruktiv geführte Diskussion über Zuständigkeiten, Verantwortung, Politik unter Anwesenheit von bis zu 50 Personen. Siehe hierzu auch Indymedia.

Stadt investiert in Zerstörung des Hofes

Schon kurz nach Besetzungsbeginn letzte Woche bezahlte die Stadt Handwerker dafür, dutzende Fenster im Halbgeschoß mit Bohrmaschinen zu fixieren, sodass diese nicht mehr geöffnet werden können. Außerdem wurden sämtliche Eingangstüren im Hof zu den unbewohnten Stiegen mit Holzbrettern verbarrikadiert. Die Wohnungen selbst, die in den letzten drei Jahren bis Ende 2010 von ihren Mietern "befreit" wurden, wurden schon damals gründlich unbewohnbar gemacht: Sämtliche Sanitäreinrichtungen wurden aus den Mauern gerissen, einige Teile des Hofes wurden komplett unter Wasser gesetzt, was an aufgequellten Parkettböden und massivem Schimmelbefall erkennbar ist. Und erst kürzlich wurden für 1.700 € Handwerker dafür bezahlt, sämtliche Kellerfenster zuzuschweißen und Türschlösser auszuwechseln.

Und nun behauptet die Stadt, das Gebäude solle renoviert werden - nachdem sie es selbst jahrelang verfallen hat lassen und schließlich dermaßen grob beschädigt hat, dass eine solche Renovierung unnötig verteuert würde. Die Stadt behauptet zwar, alle ehemaligen Mieter hätten ein Rückkehrrecht erhalten, erwähnt aber gleichzeitig (laut krone.at) auch, dass "niemand" (!) von diesem Recht Gebrauch gemacht habe - bei einst 165 Mietparteien! Ehemalige Mieter selbst wissen angeblich nichts von einem Rückkehrrecht. Gerüchte in der Nachbarschaft besagen zudem, die Stadt habe gar kein Interesse, den Hof zu sanieren, sondern wolle ihn so lange verfallen lassen, bis er die Abbruchreife erreicht habe. Dafür spricht auch jene von Insidern stammende Information, dass bei der Stadt Wien entgegen der Behauptungen von Wohnbaustadtrat Ludwig in aktuellen Medienberichten (wo er ja auch behauptet, die Räumung sei freiwillig erfolgt) keinerlei Baupläne oder Ausschreibungen für Bauaufträge vorliegen. Auch ein Polizist sagte, laut BesetzerInnen auf at.indymedia.org, dass das Haus "ja eh ein Abbruchhaus" sei.

Und selbst, wenn Ludwigs Angaben stimmen würden, dass 2012 oder 2013 mit der Renovierung begonnen werden soll, so ist es umso fragwürdiger, warum die Stadt den Dialog mit den BesetzerInnen, die eine Zwischennutzung bis zum (Um)Baubeginn anstreben, konsequent verweigert bzw. vorgetäuscht wird, um letztlich unter großem finanziellen und materiellen Aufwand das Gebäude unbenutzbar zu machen und die NutzerInnen zu vertreiben. Von Gemeinschaftsräumen und einem großzügigen, begrünten Innenhof - wie sie der Lobmeyr-Hof aus dem Jahr 1901 aufwies - ist bei einem derartigen Genossenschaftsbau jedoch keine Rede mehr.

Linksammlung: Pressespiegel, Aussendungen, Materialien (Stand: 22.7.)

Stellungnahmen der BesetzerInnen
:
- (14.7.) Indymedia: Unsere Barrikaden können sie brechen, unseren Willen aber nicht, und schon gar nicht die Bande zwischen uns (erstveröffentlicht im BesetzerInnen-Blog)
-
(14.7.) Indymedia: Nach der Räumung des Lobmeyrhofes: Grünes Haus in der Lindengasse besetzt!
- (14.7.) Indymedia: Trotz Räumung: Ein Fest für Dieter Schrage
- (15.7.) Indymedia: [PA] Stellungnahme der BesetzerInnen zur Räumung des Lobmeyrhofes - Straßenfest für Dieter Schrage (OTS-Aussendung!)
- (17.7.) Indymedia: Nach der Räumung des Lobmeyr-Hofs - Eine kleine Reflexion einiger weniger Individuen
- (18.7.) Indymedia: Ein paar Gedanken zur Besetzung des grünen Hauses in der Lindengasse
- (19.7.) Reader (Indymedia): Für ein Autonomes Zentrum ... in Wien und überall! ("Eine Sammlung von Berichten und sonstigen Texten rund um die Besetzung des Autonomen Zentrums in Wien-Ottakring, Stand 19. Juli 2011")

Presseaussendungen und Stellungnahmen politischer Organisationen:

- (14.7.) KPÖ Wien: Zach protestiert gegen polizeiliche Räumung des Lobmeyr-Hof
- (14.7.) Grüne Wien: Wurzer zu Hausbesetzung: Gesprächsverweigerung von Wiener Wohnen ist unverständlich
- (14.7.) ÖH: Wien braucht mehr Freiräume!
- (14.7.) GRAS: Räumung des Lobmayrhof unsinnig und kulturfeindlich
- (15.7.) KPÖ Wien: Zensur und Presseverbot - Polizeichef Pürstl bricht abermals die Verfassung
- (15.7.) FPÖ Wien: FP-Mahdalik: "Wir sind kriminell" ;)
- (17.7.) Grüner Parlamentsclub: Wiener Wohnen gewährte nur Kronen Zeitung Zutritt bei Räumung des Lobmayrhofes

Print- und Onlinemedien, Blogs:
[- (11.7.) Josef Penninger, Gastkommentar im Standard (relevante Stellen Auszugsweise in Indymedia): Österreich braucht Spielplätze für Kreativität ("Wissenschaft und Kunst brauchen Freiräume für kreative Prozesse. Schaffen wir sie einfach, forderte Josef Penninger in seiner hier dokumentierten Eröffnungsrede des Carinthischen Sommers am Sonntag.")]
- (14.7.) derstandard.at: Hausbesetzung in Ottakring: Lobmeyrhof von Polizei geräumt
- (14.7.) oe24.at (Österreich): Hausbesetzung in Wien aufgelöst
- (14.7.) orf.at: Polizei löste Hausbesetzung auf
- (14.7.) krone.at: Polizei räumt von Aktivisten besetzte Wohnanlage in Wien (Artikel ok, LeserInnen-Kommentare wie immer unzensuriert in altbewährtem NS-Jargon)
- und nur das immergleiche von der APA abgeschrieben haben: Kleine Zeitung, Tiroler Tageszeitung, Die Presse u.a.
- (14.7.) streifzuege.org: Hausbesetzungen in Linz und Ottakring
- (15.7.) social-innovation.org, Andreas Exner: Wiener Polizei: Stammeln, Vertreiben, Zensurieren
- (15.7.) wienweb.at: Sanierung - Lobmeyrhof wird hergerichtet (Wiener Wohnen schlägt zurück?)
- (15.7./21.7. online) Radio Orange / cba.fro.at: Bericht vom AZ Ottakring und der brutalen überraschenden Räumung.
- (16.7.) Der Standard: Hausbesetzer nehmen Grüne in die Pflicht. Gemeinderätin kritisiert Umgang von Wiener Wohnen mit Lobmeyerhof-Besetzern. (nur Print, 16./17.7., S. 9)
- (17.7.) diefresse.com: die wiener p(r)olizei zeigt uns wieder mal wie ihre rechtsauffassung so ist.. (Polizei und Politik im Umgang mit Kulturprojekten in Ottakring)
- (20.7.) derstandard.at: Diskussion um Lobmeyr-Hof. Unsanfte Begleitmusik einer Renovierung
- (20.7.) fm4.orf.at: Lobmeyr-Hof: Streit um die Räumung
- (22.7.) Martin Juen: Räumung des Lobmeyr Hofes mit „Pressesperre“ und „Presseverbot“ | 14.07.2011

TV- und Videoberichte:
- (14.7.) ORF Wien Heute: Lobmeyerhof geräumt
- (14.7.) Daniel Hrncir / WienTV: Räumung des AZ Ottakring trifft auf Presseverbot (unglaubliche O-Töne der Polizei!)
- (14.7.) Krone TV: Polizei räumt von Aktivisten besetzte Wohnanlage in Wien
- (14.7.) vienna.at: Hausbesetzung in Wien-Ottakring von Polizei aufgelöst (kurzer Videobericht)
- (14.7.) WienTV: Besetzung grünes Haus (Interview mit Birgit Hebein und Martina Wurzer von den Grünen)
- (15.7.) WienTV: Wiener Wohnen und die Polizei verhindern Berichterstattung (Interview mit Direktorin von Wiener Wohnen und Pressesprecherin der Polizei)
- (16.7.) WienTV: Repression against journalists in Austria (Wiener Wohnen und Polizei gegen die Presse)
- (17.7.) WienTV: Krone ja! Kritische Medien nein!

Fotos:

- (14.7.) Martin Juen: mehr war nicht möglich - "pressesperre" durch wr. wohnen | wien 14.07.2011

Montag, 11. Juli 2011

Wiener Wohnen: Lobmeyr-Hof verfällt seit 21 Jahren, den Rest besorgt die Stadt ...

Vier Tage nach Beginn der Besetzung des Lobmeyr-Hofes in Ottakring (am 7. Juli) zeigt sich immer deutlicher, was der Eigentümer, die Stadt Wien (konkret deren untergeordnete Holding "Wiener Wohnen") für ein Spiel mit dieser in mehrfacher Hinsicht wertvollen Immobilie spielt.

Seit die Stadt den Hof vor 21 Jahren gekauft hat, lässt sie ihn verfallen. Rund 160 Wohnungen zählt der aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts stammende Komplex. Heute sind nur noch zwei Wohnungen vermietet, wobei ein Mieter bereits in Kürze auszieht, die letzte Partei weigert sich noch. Alle Wohnungen wurden nach Auszug ihrer Mieter - ein offenbar seit einigen Jahren andauernder Prozess - von der Stadt nicht mehr weitervermietet. Offiziell deswegen, damit der teilweise denkmalgeschützte Hof renoviert werden kann. Doch beim Lokalaugenschein in einigen der leer stehenden Stiegen müssen einem massive Zweifel an dieser Darstellung aufkommen. So wurden in fast allen besichtigten Wohnungen sämtliche Sanitäreinrichtungen (Waschbecken, Klo, Dusche, Heizkörper) systematisch herausgerissen und zerstört, verbliebene Anschlüsse und Abflüsse mit Bau-Schaum verstopft. Strom- und Wasser-Anschlüsse wurden (weitgehend) abgetrennt, doch offenbar nicht bevor einige Wohnungen ordentlich unter Wasser gesetzt wurden: Aufgeblähte Parkettböden und von Schimmel durchzogene Treppenhäuser und Zimmer sprechen eine eindeutige Sprache. Dazu kommt, dass die Stadt in Reaktion auf die Besetzung sämtliche Haus- und Hofeingänge sowie dutzende, teils neue (!) Fenster, mit Bohrmaschine und Brettern verbarrikadiert bzw. unöffenbar/zerstört hat. Sieht so der Umgang mit einer Immobilie aus, deren Erhalt und Erneuerung angestrebt wird? Falls ja, muss man hier von einem sehr unökonomischen Vorgang sprechen: es würden Kosten für die Reparatur von selbst angerichteten Schäden anfallen.

So oder so ähnlich sieht eine Wohnung im Lobmeyr-Hof nach Auszug des letzten Mieters und Übergabe an "Wiener Wohnen" aus - Wasserschaden häufig inklusive.

Stadt gentrifiziert selbst

Realistischer - und ähnliche Vorgänge in der Vergangenheit sowie ein Blick auf die Nachbarschaft via Satellitenbild (Google Maps) bestärken diese Annahme - erscheint jedoch, dass der Hof (unter kräftigem eigenen Zutun) so lange verfallen und vermodert werden lassen soll, bis er abrissreif ist. Dann kann die leere - und umso wertvollere Immobilie - einer neuen Verwertung, respektive "Aufwertung" entgegenblicken. Mit Pool auf dem Dach - wie bei den angrenzenden Neubauten zu sehen - wäre diese neue Wohnanlage wohl kaum für eine dem sozialen Wohnbau angemessenen Miete zwischen 5 und 10 € pro m² zu haben. Ein Blick in die Umgebung und in den Lobmeyr-Hof zeigt ganz deutlich: Die Stadt Wien beteiligt sich ganz ungeniert an der Gentrifizierung ("Aufwertung") eines Gebiets mit guten öffentlichen Verkehrsanschlüssen in Ottakring. Die Stadt Wien betreibt im Namen der WählerInnen der SPÖ eine Politik, die günstigen, gut ausgestatteten, lebenswerten und für alle leistbaren Wohnraum durch Hochpreisimmobilien auf bzw. über Marktniveau ersetzt. Ein weiteres Beispiel, dass die Stadt Wien in Ottakring gentrifiziert, also die niedrigen (und vor allem für Zuwanderer attraktive) Immobilienpreise in die Höhe treibt, um als Grundstücksbesitzer häufig selbst ordentlich mitzuschneiden, ist das als Kulturinitiative "verkaufte" jährliche Festival "SoHo in Ottakring" (vgl. dazu auch folgenden Beitrag im Gentrificationblog)


Fragt sich nur: Wozu braucht es eine städtische, durch Steuermittel finanzierte Wohnbaugesellschaft, wenn diese wie ein gewinnorientiertes Privatunternehmen Grundstücke ohne Rücksicht auf die Quartier-Bevölkerung zu Geld macht?

Die Forderung nach autonom - gemeinschaftlich - verwalteten Frei- und Wohnräumen ist eine Reaktion auf diese Politik, die der Stadtbevölkerung in Millionenschweren Werbekampagnen "sozial gerechten" Wohnbau vorgaukelt, in Wahrheit aber nur als verlängerter Arm der Bau- und Immobilienunternehmen handelt.

Eine laufend aktualisierte Linksammlung zur Besetzung des Lobmeyr-Hofes findet sich weiterhin im vorigen Beitrag in diesem Blog.

Freitag, 8. Juli 2011

Lobmeyr-Hof in Wien-Ottakring besetzt!

Seit kurzem - und seit 7. Juli öffentlich bekannt - ist der Lobmeyr-Hof (Roseggergasse 1-7) in Wien-Ottakring besetzt [Anmerkung: am 14. Juli wurde geräumt]. Der in etwa 50 bis 100 Wohnungen zählende Hof, einst Vorzeigeobjekt des sozialen Wohnbaus, steht derzeit bis auf zwei Mieter/innen - die sich über die unerwartete Unterstützung erfreut zeigen - komplett leer. Grund dafür ist, dass die Stadt Wien ("Wiener Wohnen") den Hof komplett leer haben will, um ihn - und hier gehen die Angaben auseinander - "aufzuwerten" (aufstocken, Wohnungen zusammenlegen, Lifte einbauen und schließlich zur doppelten Quadratmeter-Miete an eine andere Klientel neu vermieten) oder gar abzureißen (Haus verfallen lassen, bis der teilweise Denkmalschutz aufgrund von "Abbruchreife" hinfällig ist), um einem Neubau-Projekt (kolportiert wird u.a. der Bau eines Einkaufszentrums) Platz zu machen. Und das in einer Zeit, in der in Wien trotz internationaler Finanz- und Immobilienkrise (wohl eher: gerade deswegen) die Eigentums- und Mietpreise immer steiler in die Höhe schießen. Der Grund liegt auf der Hand: Immobilien sind eine sichere, inflationsunabhängige, Geldanlage. Da helfen auch noch so viele den sozial gerechten Wiener Wohnungsbau bejubelnde Inserate von Wohnbaustadtrat Ludwig in allen Boulevard-Zeitungen nicht, um diesen Umstand, dass Mietwohnungen in Wien immer teurer und für immer breitere Schichten der Bevölkerung unleistbar werden. Zeitgleich stehen rund 80.000 Wohnungen leer - viele davon nur, da sie als Spekulationsobjekt nur gewinnbringend gehandelt werden können, wenn keine Mieter drinnen sind. Ganz egal, wie gut der Zustand der Wohnungen ist und je besser die Lage, desto leerer und teurer die Objekte ...


Frei- und Grünräume der Öffentlichkeit zugänglich machen

Das Problem: eine/r der beiden Mieter/innen möchte seinen Mietvertrag nicht auflösen, alle anderen Mieter wurden, so Nachbarn, teils mit unsanften Methoden hinausgedrängt. Diese Methoden und der Umstand, dass es in Wien zu wenige Freiräume gibt und überhaupt kein autonomes Wohn- und Kulturzentrum, veranlasste die BesetzerInnen zur Besetzung des Lobmeyr-Hofes. Dort sollen ab nun mit Unterstützung solidarischer und interessierter Menschen Volksküche, Infoladen, Mediathek, Projekträume, Frauenraum und Kindersalon entstehen, der Spielplatz im Innenhof sowie die dortigen großzügigen Grünflächen sollen der Öffentlichkeit (die Nachbarschaft ist dicht verbaut) wieder zugänglich gemacht werden.

Macht Rot-Grün mit Legalisierung von Zwischennutzungen ernst?

Seit die Polizei die Besetzung am 7. Juli bemerkt hat, stattete sie den BesetzerInnen drei Besuche ab. Ab dem zweiten, am Morgen des 8. Juli, war auch eine Vertreterin von Wiener Wohnen dabei, die mit den BesetzerInnen in Verhandlungen trat. Doch jegliche Kompromissbereitschaft wurde von Anfang an abgeschmettert, das Haus müsse umgehend verlassen werden, die Polizei ergänzte, dass jegliche "Irritation" Grund zur Räumung sei. Letztlich liegt es aber an Wiener Wohnen als Eigentümer, mit den BesetzerInnen eine Lösung zu finden. Laut rot-grünem Koalitionspapier sollen leerstehende Räumlichkeiten, so es die Besitzer wünschen, einer Zwischennutzung zugeführt werden. Das rot-grün regierte Wien könnte als Eigentümer des Lobmeyr-Hofs mit gutem Beispiel voran gehen und mit den BesetzerInnen eine Zwischennutzung bis zur Klarheit über die Weiternutzung des Hofes bzw. bis zum etwaigen (Um)Baubeginn vereinbaren. Wie dies in der Praxis möglich ist, zeigen internationale Beispiele wie etwa die seit 1990 rot-grün regierte Stadt Zürich. Dort werden Hausbesetzungen als Zwischennutzungen so lange toleriert, bis der Eigentümer einen rechtskräftigen Abriss- oder Bautitel in den Händen hält. Stadt und Polizei halten es dort für wenig sinnvoll, ohnehin leer stehende Häuser in kostspieligen Großeinsätzen zu räumen, um sie danach erst recht wieder leer stehen zu lassen. Empörten Hausbesitzern, denen eine Räumung ihrer leerstehenden Häusern gar nicht schnell genug gehen kann, hält die Zürcher Polizei das Merkblatt Hausbesetzungen entgegen, wo genau festgehalten wird, wann die Polizei räumt und wann nicht.

Die Besitzer behaupten zwar gerne, dass eine Räumung rasch nötig sei, da Bauarbeiten "unmittelbar" bevorstünden, doch der Wahrheitsgehalt liegt in der Regel nahe Null, wie man bei früheren Besetzungen in Wien gesehen hat - so steht etwa das 2009 spektakulär geräumte Haus in der Triester Straße ("MA 2412"-Haus) nach wie vor ungenutzt leer, nachdem die Räumung mit bevorstehenden Bauarbeiten für ein Büroprojekt argumentiert wurde. Ähnlich in der Burggasse 2: das Haus in Top-Lage, das etwa 10 Jahre lang leer stand, wurde mehrmals besetzt und in Großeinsätzen geräumt - mit Bauarbeiten wurde erst dieses Jahr, 2011, begonnen.

Von einer Tolerierung oder gar Unterstützung der Zwischennutzung seitens der Stadt kann derzeit jedoch nicht gesprochen werden. Der wohl nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag der Vertreterin von Wiener Wohnen, die BesetzerInnen könnten doch einfach die Donauinsel nutzen, dort gebe es genügend Freiraum, wurde von den BesetzerInnen als wenig konstruktiv erachtet.

Wiener Wohnen verbarrikadiert Türen und Fenster

Wiener Wohnen zerstört neu eingebaute Fenster und günstigen Wohnraum

Da die BesetzerInnen auf die "Vorschläge" der Vertreterin von Wiener Wohnen nicht eingehen konnten, veranlasste diese, Nägel mit Köpfen zu machen - oder besser gesagt: Schrauben. Ein Handwerker-Team wurde angefordert, das unter Beisein der Polizei alle (!) Fenster des Hofes im Erdgeschoß mit Bohrmaschine zuschrauben ließ. Dabei wurden einfach die Fensterrahmen durchbohrt, die vielfach neu eingesetzten Fenster mit ihrer Fassung zusammengeschraubt. Dieses Vorgehen spricht doch eher gegen die Behauptung, das Haus würde später renoviert und weiter vermietet werden - wenn bereits renovierte Fenster gedankenlos zerstört werden. Sämtliche Eingangstüren wurden mit Brettern zusammengeschraubt.




Nach Auszug der Mieter werden die Wohnungen von der Stadt gründlich unbewohnbar gemacht


Haus bleibt besetzt

Derzeit stehen vor den beiden noch benützbaren Eingängen (es gibt zwei Wohnungs-Mieter sowie ein Blumengeschäft im gesamten Hof-Komplex) zwei PolizistInnen, die niemanden hineinlassen sollen [Anmerkung: am selben Abend, ca. 20 Uhr, wurden diese abgezogen]. Die BesetzerInnen bitten dennoch um rege Unterstützung von Außen - Fakt ist: die Zahl der BesetzerInnen wird immer größer, die Volxküche nimmt ihren Betrieb auf und Schlafplätze sind ohnehin schon eine Weile eingerichtet und nahezu unbegrenzt erweiterbar. Lebensmittel und nützliche Dinge aller Art können und sollen vorbeigebracht werden, einfach nach BesetzerInnen an den Fenstern Ausschau halten, irgendwie hat noch jede/r reingefunden ;) Nachtrag: die VoKü platzt schon jetzt aus allen Nähten - Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge, Kabeln und Lampen usw. sind jetzt (u.a.) gefragt; außerdem: ein erstes Interview aus dem Hof (ichmachpolitik.at).

In der Nachbarschaft und auf Indymedia wird derzeit der Text "Warum wir im Lobmeyr-Hof sind" verbreitet. Zeitgleich wurde übrigens auch in Linz ein Haus besetzt. Auch dort verlangt die Jugend nach einem neuen autonomen Zentrum.

Auch in Linz wurde besetzt: hauszweiundvierzig.blogsport.eu

Links (letztes Update: 15.7. - alles ab der Räumung im neuen Beitrag vom 14.7.)

Mitteilungen der BesetzerInnen:

- (seit 4.7.) offizieller Blog: http://autonomizethecity.blogsport.eu
- (4.7.) Indymedia: AUTONOMES ZENTRUM / AUTONOMOUS CENTRE (Ankündigung deutsch/english)
- (7.7.) Indymedia-Termin: Platz ist da! (Ankündigung der Eröffnung)
- (8.7.) Indymedia: Adresse des AZ Wien-Ottakring (frühzeitige Bekanntgabe der Adresse nach Entdeckung durch Polizei / also in english)
- (8.7.) Indymedia: Warum wir im Lobmeyr-Hof sind (Text aus dem Vorjahr + neuer Text als "Ergänzung" mit Hintergrund der Besetzung, Forderungen/Pläne/Wünsche)
- (9.7.) platzda.blogsport.eu: Hausbesetzung für ein Autonomes Zentrum in Wien (Vorstellungen / Wünsche / Forderungen)
- (10.7.) Indymedia: [Fotos] Autonomes Zentrum Wien Ottakring im besetzen Lobmeyr-Hof
- (10.7.) Indymedia: Have you ever squatted the heart of the beast?
- (12.7.) Indymedia: verfassungsschutz im besetzten lobmeyerhaus (Kurznachricht) + [Besetzung Lobmeyr-Hof] Stadt Wien ordert Barrikaden an - mit Fotos (Kurznachricht)
- (12.7.) Indymedia: Dringender Aufruf: Solidarität mit der Besetzung des Lobmeyr-Hofes! Kommt vorbei, nutzt alle Kanäle, um eine Räumung zu verhindern! (Lagebericht)
- (12.7.) Indymedia: Offener Brief aus dem AZ Ottakring im besetzten Lobmeyr-Hof

alternative Medien:

- (8.7.) ichmachpolitik.at: Interview im Hof (Video)
- (8.7.) cba.fro.at (Radio Orange): Hausbesetzung in Wien: Neues „Autonomes Zentrum Ottakring“ (Telefon-Interview um 17 Uhr)
- (8.7.) nochrichten.net: Neues „Autonomes Zentrum Ottakring“ – Lobmeyrhof besetzt. (Blog)
- (8.7.) Martin Juen: Hausbesetzung Lobmeyrhof – Roseggergasse 1-7 | Wien 08.07.2011 (Blog, u.a. Verhandlungen mit Wiener Wohnen + Fotoset auf flickr)
- (9.7.) Martin Juen: Hausbesetzung Lobmeyrhof – Roseggergasse 1-7 – ein update | Wien 09.07.2011 (+ weiteres Fotoset auf flickr)
- (10.7.) Martin Juen: Hausbesetzung Lobmeyrhof – Roseggergasse 1-7 – weiteres update | Wien 10.07.2011
- (10.7.) storiesfromaustria: Immer wieder diese Hausbesetzungen... (mit kurzem Video, siehe Ende dieses Blogposts)
- (11.7.) cba.fro.at (Radio Orange): Hausbesetzung in Wien: Autonomes Zentrum Ottakring – Besetzung und Belebung geht weiter. (Telefon-Interview mit Besetzer: Stand der Dinge, Projekte, Visionen ...)
- (12.7.) it's politics, stupid!: squatted in ottakring (Fotos vom 11.7.)
- (12.7.) ichmachpolitik.at: Lagebericht vom AZ Ottakring (Lobmeyerhof) vom Montag den 11.7.2011 (Video)
- (12.7.) diebin.at: Ferienzeit ist Squatting-Zeit: Autonome Zentren jetzt!
- (12.7.) schaetzchen.blogsport.de: wiener hausbesetzung
- (12.7.) Martin Juen: Hausbesetzung Lobmeyrhof – Roseggergasse 1-7 – Zusammenfassung | Wien 12.07.2011 (mit Updates vom Abend, sehr empfehlenswerter Tagesüberblick!)
- (13.7.) Commons und solidarische Ökonomie: Zwei neue Hausbesetzungen
- (13.7.) Daniel Weber: Auf Kurzbesuch im Autonomen Zentrum #az16 #lobmayrhof (Besucherbericht :))
- (13.7.) WienTV.org: AZ Ottakring (10min-Reportage! -> Spontandemo von Schrage-Gedenken zum Lobmeyr-Hof, zahlreiche Interviews mit Kulturschaffenden und Lokalpolitikern von Rot und Grün)

kommerzielle und Massenmedien, Presseaussendungen:

- (10.7.) Kronen Zeitung: Ottakring: Autonome besetzen Lobmeyr-Hof (Randnotiz, Faksimile)
- (11.7.) derstandard.at: Hausbesetzungen in Wien und Linz
- (11.7.) viennaonline: Aktivisten besetzen Lobmeyr Hof (mit Video und Interview)
- (12.7.) OTS-Aussendung der GRAS: Forderung an Rot-Grün: Unterstützen statt Lobmayrhof räumen! (Erinnerung an "Agentur für Zwischennutzung")
- (13.7.) OTS-Aussendung der GAJ: Keine Räumung des Lobmeyr-Hofs
- (13.7.) OTS-Aussendung der Grünen Wien: Grüne Wien solidarisch mit BesetzerInnen des Lobmeyrhofs (Utl.: Zwischennutzung erwünscht)
- (13.7.) wienweb.at: Ottakring: Autonome kapern Lobmeyr-Hof


 
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