Freitag, 7. Mai 2010

Rektoren und Bildungspolitik im Land der Vergangenheit

Die Rektoren (Innen gibt es bekanntlich keine) der österreichischen Universitäten beklagen in einer eigens einberufenen Pressekonferenz der uniko (Universitätenkonferenz) das "Geschwätz" der Politik und fordert Taten zur Verbesserung der Lage an den Hochschulen. "Konkret verlangen die Rektoren", so der Standard auf seiner heutigen Titelseite, "geordnete Zugangsregeln im gesamten Hochschulsektor", wobei dem uniko-Vorsitzenden Hans Sünkel "ein kombiniertes System der Anreize beziehungsweise der Abschreckung für Fächer" vorschwebt, "deren Absolventen dann 'beim AMS stehen'". Mal abgesehen von der Frage, warum die Uni freimütig behauptet, ihr Studienangebot würde in die Arbeitslosigkeit führen (was indes gar nicht stimmt, verglichen mit Bevölkerungsschichten ohne Hochschulabschluss): Ist das nicht genau das selbe erbärmliche Geschwätz, das die uniko angeblich kritisiert?

Zwar kritisiert die uniko auch, dass sich die Politik immer mehr vom eigenen Ziel, 2 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Hochschulen auszugeben, und ersetze konkrete Vorgaben und Ziele bei jedem neuen Papier durch immer mehr "schöne Worte", doch geht die Hauptstoßrichtung des Aufschreis der uniko eindeutig gegen "zu viele" Studierende, die man entweder von ihrem Wunschstudium abhalten müsse oder durch Zuckerbrot und Peitsche zum "richtigen" Studium zwingen müsse.

Das System klingt logisch - würde man einer Einheitspartei in einem östlicheren Teil Europas von vor mindestens 20 Jahren angehören. Natürlich wird jedeR Möchtegern-Theaterwissenschafts-, Wirtschaftswissenschafts- oder Publizistik-Student bereitwillig auf ein Feinmechanik- oder Biochemie-Studium umsteigen, wenn dies die visionären Leiter der Universitäten eines in der De-Industrialisierung befindlichen Landes verlangen.

Denn Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ist ja wahrlich nur ein "Mode"-Studium, das zum AMS führen wird. Schließlich leben wir ja in einer Region, die sich in der Phase der Industrialisierung und nicht in einer "Informations-", Kommunikations- oder "Wissensgesellschaft", wie dies zwar überall - erstaunlicherweise auch aus den Wirtschaftskreisen selbst - verlautbart wird. Übrigens auch heute etwa im Standard, der als Themenschwerpunkt die aktuelle Wirtschaftskrise als Ent-Industrialisierungskrise behandelt und unter anderem beschreibt, dass "Schwellenländer" gerade mit großen Investitionen drauf und dran sind, Europa auch noch die letzte Domäne seiner wirtschaftlichen Vorreiterstellung wegzunehmen: Wissenschaft und Forschung!

Und die Faktenlage bestätigt eindeutig die visionäre Haltung österreichischer Rektoren und Politiker: Ein Blick auf aktuelle Wirtschaftstrends bestätigt: Das LD-Verfahren, Autoindustrie und die verarbeitende Industrie generell sind gerade voll im Kommen - erneuerbare Energien, Web 2.0, über Internet und mobile Geräte vernetzte Medien und Informationsnetzwerke - das sind doch alles nur Modeerscheinungen, die nur in eine Sackgasse führen werden - so viel steht jetzt schon fest!

Aber die Rektoren und die Regierung sind ja immerhin von der Mehrheit des Landes gewählt, und die wissen daher natürlich am besten, was gut für uns ist - auf dem Wissensstand eines Österreichers, der von 1964 bis 1972 die Volks- und Hauptschule besucht hat ...
 
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