Posts mit dem Label Demonstration werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Demonstration werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 12. April 2013

11.4.2013 - Erneut Eskalation vor PAZ Rossauer Lände bei Demonstration gegen FRONTEX-Abschiebung

[letzte Aktualisierung der Linksammlung am Artikel-Ende: 16.4.] 
Am Donnerstag, 11. April 2013, versammelten sich ab ca. 18 Uhr bis zu 120 Personen vor dem Polizei-Anhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände um gegen eine Sammel-Abschiebung nach Nigeria zu protestieren. Ein Aufruf ("Stoppt die Charter-Massenabschiebung nach Nigeria!") findet sich u.a. auf no-racism.net. Es kursierte die Information, die Abschiebung solle noch im Verlauf dieser Nacht erfolgen, mit einem Abtransport aus dem PAZ sei ab 22 Uhr zu rechnen. Über die Anzahl der Personen, die erst in dieser Nacht aus dem PAZ zum Flughafen überstellt werden sollen, gab es nur sehr unterschiedliche Angaben.

Letztlich wurden jedoch mindestens 3 Gefangenen-Transporter der Polizei bei der Abfahrt aus dem PAZ beobachtet. Es kam zu Blockadeversuchen und in der Folge zu aggressiven Räumungs- und Vertreibungsversuchen durch die Polizei, bestehend aus behelmten Unterstützungseinheiten (EE) sowie etwa einem dutzend WEGA-Beamt(innen?) - insgesamt wohl 70-80 sowie ein halbes Dutzend Zivil- und LVT-Beamte.

Über den Verlauf der Demonstration und des aggressiven Polizeieinsatzes wurde auf Twitter insbes. von @stopdep und @nochrichten live berichtet. Erst vor wenigen Monaten, am 5. Dezember 2012, kam es bei einer Demonstration gegen eine am selben Abend geplante Abschiebungen zu ähnlichen Vorfällen, bei denen die Polizei mehrere Personen mit Knüppelhieben und Pfefferspray verletzte. Damals berichteten die Massenmedien kein Wort, trotz zweier Presseaussendungen (Sozialistische Jugend und Refugee Camp Vienna), die diese Polizeiübergriffe gegen die Demonstration schilderten.

Zur Chronologie:
 
18:43, ggü PAZ Rossauer Lände

18:30 Ca. 80 Personen sind, teils mit Transparenten und Megaphon, auf dem Grünstreifen zwischen Berggasse und Türkenstraße zur Kundgebung versammelt. Das PAZ ist zur Rossauer Lände hin komplett mit Tretgittern, die nur an den Gehsteigenden noch etwas geöffnet waren, abgeriegelt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, hinter der Werbeplakatwand bzw. auf der Fläche daneben (mit Blick auf die Straße) war ein halbes Dutzend Zivil-Polizisten und Verfassungsschutz-Beamte postiert, die Notizen und Fotos machten und laufend über die Lage berieten und telefonierten. Um 19:51 Uhr traf schließlich auch LVT Wien-Chef Erich Zwettler persönlich vor Ort ein und unterhielt sich mit dem uniformierten Einsatzleiter.

19:00 Mittlerweile sind 110-120 DemonstrantInnen vor Ort. Bis ca. 21:00 bleibt die Lage äußerst ruhig, die Menge schrumpft leicht auf etwa 100 Personen.

19:16
19:45










 
ca. 21:25 Ein Gefangenentransporter kommt aus dem PAZ und fährt auf der Rossauer Lände Richtung Kundgebungsort - einige Leute laufen spontan auf die Straße, der Transporter biegt in hohem Tempo um die Kurve vor der Kundgebungsmenge in die Berggasse ab - und mehrere Straßen später Richtung Ring ein. Einige Personen strömen Richtung Ring, andere sind in die Berggasse gelaufen. Die meisten versammeln sich jedoch in großer Aufregung auf der Kreuzung Rossauer Lände / Türkenstraße und blockieren diese.

21:27 Nach kurzer Verwirrung riegeln PolizistInnen die Rossauer Lände ab, siehe Foto von @stopdep.

21:32
ca. 21:30 Die Polizei stürmt zum ersten Mal in die Menge und versucht diese - teils hängen sich die Leute zu Menschenketten ein - von der Straße zu drängen. Viele Personen versuchen stehen zu bleiben, woraufhin die Polizei zusehends aggressiver, lauter und gewalttätiger wird. Widerspenstige Menschenketten werden mit blitzartigen, sich wiederholenden, Knüppelstößen in den Hüftbereicht drangsaliert, wiederholt werden Personen beidhändig und mit voller Wucht gestoßen, wodurch es teilweise zu Stürzen kommt. Mehrere Personen mit Handy- und Digitalkameras, die diese Szenen Filmen, werden von einzelnen der behelmten Polizisten verfolgt, geschubst, gepackt und geschlagen. Dies zog wiederum immer mehr solidarische Menschen an, die diesen Polizisten folgte, sie verbal von ihren Übergriffen abzuhalten versuchte und dadurch zum Teil selbst wieder Ziel von weiteren aggressiven Polizisten wurden. So gab es in diesen etwa 5-10
21:35
Minuten gleich mehrere Hetzjagd-artigen Szenen, teilweise schien es, die Gruppenkommandanten hätten ihre Gruppen nicht unter Kontrolle. Ein besonders hartnäckiger Polizist, der sich in einen filmenden Aktivisten regelrecht verbiss, ihn verfolgte und attackierte, musste nach mehreren Minuten schließlich mit Körperkraft von einem seiner Kollegen 20-30 Meter zurück zum Rest der Truppe gebracht werden.

Dieses Video zeigt zunächst die Stürmung um ca. 21:30 und im Anschluss den weiteren Verlauf bis zur Kesselung am Ende:


21:40 Die Polizei hat die Menschenmenge auf mehrere Gehsteige der Rossauer Lände und Türkenstraße abgedrängt und ist in Reihen entlang der Gehsteige sowie am Mittelstreifen der Rossauer Lände aufgestellt (etwa 70-80 BeamtInnen, nach wie vor). Die Lage ist nun wieder ruhig, aber äußerst angespannt und durch das brutale Vorgehen der Polizei aufgeheizt. Auf Twitter wird berichtet: Betroffene schildert: Polizist fasst Demonstrantin bei Demo-Auflösung vor PAZ Rossauer Lände gewaltvoll an die Brüste um sie wegzuzerren!!.

21:46
21:43 Die Polizei verkündet nun per Megaphon Richtung Grünstreifen Berggasse-Türkenstraße, dass die Versammlung für aufgelöst erklärt wird. LVT-Chef Zwettler ist ebenfalls dort anwesend. 10 Minuten später erfolgt an der gleichen Stelle die zweite Durchsage. Die Polizei blockiert die Rossauer Lände zeitweise alleine.

22:00 Es gibt ansatzweise den Versuch, das PAZ Rossauer Lände zu umstellen, um alle Ausgänge im Blick zu haben. Es sind jedoch zu wenig Leute vor Ort und als kurz nach 22 Uhr eine Horde Polizisten beim hinaufstürmen der Rossauer Lände beobachtet werden kehren alle zum Kundgebungsort zurück.

Video auf ichmachpolitik.at zeigt ab Min. 0:40 wie Polizei brüllend auf Menge zustürmt und DemonstrantInnen gerempelt und weggezerrt werden.

ca. 22:10 Mehrere Reihen behelmter PolizistInnen stürmt die Rossauer Lände hinauf um die Straße für zwei Gefangenentransporter (die von mehreren Polizeifahrzeugen eskortiert werden) frei zu machen. Es kommt erneut zu tumultartigen Szenen, zahlreiche Personen versuchen vor die Transporter zu gelangen. Polizisten wenden nun auch Schlagstöcke und andere Formen der "unmittelbaren Zwangsgewalt" an um Personen von der Straße zu entfernen.
22:21, Kessel Türkenstr./R. Lände
22:15 Die Polizei versucht ihre Gruppen rund um die Kreuzung zu formieren und einen Kessel zuzuziehen. Da manche Gruppen trödelten gelang das nur zum Teil. Die meisten DemonstrantInnen rochen die Lunte rechtzeizig und brachten sich auf den umliegenden Gehsteigen (vorerst, später wurden Gruppen auch von den Gehsteigen abgedrängt) in Sicherheit. Etwa 30 Personen, die auf dem Gehsteig bzw. auf dem Grünstreifen Türkenstraße/Berggasse waren (wo vorhin per Megafon die Kundgebung aufgelöst wurde), wurden nun gekesselt. Rechtlich gesehen fast schon korrekt, wenn da nicht noch eine ganze Reihe von Personen, teils einige Minuten nach Beginn des Kessels, von Polizisten gepackt und zum Kessel gezerrt wurden. Mal ganz abgesehen davon, dass eine Auflösung einer Demonstration mit dem bloßen Argument eines flüssigen Verkehrs auf der Rossauer Lände verfassungsrechtlich - hier ist das Versammlungsrecht verankert - als äußerst zweifelhaft betrachtet werden muss.

Bis ca. 22:45 Uhr werden die gekesselten Personen im 1-2-Minutentakt einzeln zur Personalienaufnahme abgeführt. Dabei kommt es erneut zu einiger Aufregung, als eine Person von PolizistInnen hinter die Baustellenabsperrung gebracht wird und BeobachterInnen befürchten, es könnte zu Übergriffen kommen. Daraufhin werden auch die BeobachterInnen von einem Trupp PolizistInnen von der Ebene hinter den Plakatwänden verscheucht. In Befürchtung eines Kessels liefen die meisten Personen davon, ohne dass die Polizei direkt einschreiten musste.

Gegen 23 Uhr kann die Versammlung als aufgelöst betrachtet werden. Es gab dutzende Identitäts-Feststellungen und angeblich auch Verhaftungen (unbestätigt). Wie viele Personen in dieser Nacht tatsächlich abgeschoben wurden bzw. unmittelbar zuvor vom PAZ Rossauer Lände überstellt wurden, ist zur Zeit ebenso nicht klar.

Linksammlung: Videos und Berichte

Videos:
* welyman94 / Youtube: "Wiener Polizei geht gewaltsam gegen DemonstrantInnen vor." (12.04.) (Video vom Benutzer entfernt; Im Video war klar zu sehen, wie Polizisten sich auf einzelne DemonstrantInnen stürzen, an diesen zerren und versuchen diese hinter die eigenen Reihen zu bringen)
* Peter Romano Horn / ichmachpolitik.at: "11. April 2013 Rossauer Lände, Wien." (12.4.)
* RhabarberTV / Youtube: "Kundgebung gegen Massenabschiebung" (12.04.)

Berichte:
* Sozialistische Linkspartei (SLP): "Menschlichkeit im Kapitalismus? Massendeportation mit Polizeigewalt durchgeprügelt" (Bericht einer Aktivistin, 12.4.)
* Bernhard Jenny: gewaltbereit? die polizei. (12.4.)
* pizza.noblogs.org: repression überall (12.4.)
* Indymedia: Erich Zwettler - Leiter des Verfassungsschutz Wien (13.4.) 
* nochrichten.net: Protest gegen neuerliche Frontex-Sammelabschiebung nach Nigeria in Wien bzw. Radio Orange / cba.fro.at: Protest gegen Frontex-Sammelabschiebung nach Nigeria in Wien (13.4.) 

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Wien: Heftige Konfrontationen vor PAZ Rossauer Lände mit Polizei bei Versuch Abschiebungen zu verhindern (5.12.2012)

 [ Text: FMO, 6.12.2012 / alle Fotos (c) Daniel Hrncir ]

Am Abend des 5. Dezember 2012 versammelten sich gegen 19 Uhr zunächst etwa 30 Personen vor dem PAZ Rossauer Lände (Polizeianhaltezentrum, Schub-Gefängnis), um eine geplante Abschiebung nach Nigeria zu verhindern. Vermutlich wegen der vorangehenden Bildungsdemo waren bereits viele Polizei-Einheiten "bereit", und so füllte sich die Umgebung des PAZ Rossauer Lände rasch mit 10, 20 und schließlich 30 (!) VW-Bussen der Wiener Polizei. Etwa 200 PolizistInnen - also ca. 3 pro DemonstrantIn - "kümmerten" sich in der Folge um eine möglichst verzögerungsfreie Abschiebung. Lieber zigtausende Euro für das Durchboxen einer jeden Abschiebung mit Polizeigroßeinsätzen und Charterflügen investieren als den Leuten Asyl und eine Arbeitsbewilligung zur Selbsterhaltung zu geben. Eine interessante Umsetzung des "Leistungs"-Gedanken der österreichischen Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik! Sadismus muss einem schon was wert sein!

Polizei im Gewaltrausch

Auch die Zahl der Protestierenden wuchs auf etwa 70 Personen an, bis der erste Gefangenen-Transport Richtung Flughafen aus der Garagen-Ausfahrt fahren wollte. Die Menge versuchte am Gehsteig, die Ausfahrt zu blockieren, und als dies nicht gelang, versuchte man, die Transporter auf der Straße zu blockieren. Die Polizei ging dabei immer ruppiger vor.

Wie sich die Ereignisse im Detail zuspitzten, kann ich zur Zeit nicht genau rekonstruieren*, aber Fakt ist - das zeigen zum Teil Fotos und Videos, vor allem aber verschiedene Augenzeugenberichte bzw. Berichte von Beteiligten - dass die Polizei mit ungewohnter Gewalt gegen die unbewaffneten Protestierenden vorging. Es wurden Personen gewürgt bzw. im Würgegriff über die Straße gezerrt, von Blutergüssen, Schürf- und Kratzwunden erzählen andere. Laut einer Presseaussendung der SJ wurden auch Pfefferspray und Schlagstöcke gegen zum Teil noch SchülerInnen eingesetzt! Auch das Refugee Camp Vienna berichtet in einer Aussendung von Polizeigewalt.

Die Kommentare der PolizistInnen vervollständigen das Gesamtbild eines menschenverachtenden, zynischen Abschiebe-Apparats, der keine Skrupel hat, Menschen direkt ins Gefängnis des Herkunftslandes abzuschieben oder ihr Leben anderweitig aufs Spiel zu setzen, der lebensgefährlichen und oft traumatischen Flucht nach Europa Hohn spottend: "auf die frage "was soll das? warum so brutal?", die antwort: "weil ihr es verdient habt" ... auf die frage nach der dienstnummer, die antwort: "0664" (3mal!) und ein blödes grinsen", schildert eine Anwesende auf Facebook.

Wenn die Medien wegschauen


"Herkömmliche" Medien waren wieder mal keine vor Ort. Wenns die APA nicht weiß, macht sich auch sonst kein/e Journalist/in die Mühe, zu einer Spontandemo (über die Stunden im Voraus auch auf Facebook und Twitter durchaus öffentlich mobilisiert wurde) aufzubrechen. Klar, es gibt kaum noch "Reporter/innen" im klassischen Sinn - die auf der Straße Ereignisse beobachten, dokumentieren und zusammenfassend berichten. Das liegt an der Sparpolitik zwecks Gewinn-Maximierung bei Mediaprint, Raiffeisen- und anderen Konzern-Zeitungen (und leider nicht nur bei diesen), aber irgendwo müssen sich auch die JournalistInnen selber an die Nase greifen, denn das kann ja nicht sein, dass im Jahr 2012 PolizistInnen "unbeobachtet" SchülerInnen verprügeln - und niemand nimmt davon Notiz, auch wenn es noch so viele ZeugInnen gibt, denn wo kein "offizieller" Journalist, da keine glaubhafte Meldung (so offenbar das Credo) - meistens bleibt die Kronen Zeitung übrig, die ja ihre Informationen häufig direkt von der Polizei "zugesteckt" bekommt - bloß dann halt so, wie die Polizei gerne berichtet zu haben wünscht - die Krone liefert. Ein Armutszeugnis für den sich gern selbst beweihräuchernden "Watchdog der Demokratie".

Umso stärker empfehle ich daher jene JournalistInnen und Medien, die zwar nicht bei einem Medienkonzern arbeiten, dafür aber unabhängig agieren und keine Mühen scheuen, auch bei Schneeregen zu später Abendstunde und bei riskieren der eigenen Unversehrtheit jene Vorgänge zu dokumentieren, bei denen das offizielle Österreich, inklusive seine (Massen-)Medien, offenbar nur allzugerne wegschaut:




* eine ausführlichere Zusammenfassung der Ereignisse von jenem Journalisten, der von Anfang an dabei war und oben stehendes Video aufgenommen hat, findet man seit 6.12. hier: Richtigstellung von: Anti-Abschiebungs-Demo auf Rossauer Lände: Angeblich Polizeigewalt







Weitere Foto-/Video-/Textberichte:

- Daniel Hrncir: Abschiebung nach Nigeria (flickr)
- Daniel Weber: #NOBORDER Demo gegen eine Abschiebeaktion vor dem PAZ in #WIEN #stopdep (Fotos)
- neuwal.com / Daniel Weber: #NOBORDER Demonstration gegen eine Abschiebeaktion in #Wien (Artikel)
- vienna.at / Daniela Herger: Anti-Abschiebungs-Demo auf Rossauer Lände: Angeblich Polizeigewalt (Artikel)
- akin: PAZ Wien: Wieder Abschiebung durchgeprügelt

 

Montag, 14. Mai 2012

8. Mai 2012-Nachlese


Etwa 600 (eigene Schätzung) bis 1.000, 1.100 (nochrichten.net) DemonstrantInnen versammelten sich am 8. Mai 2012 ab 17 Uhr bei der Unirampe am Schottentor um, wie bereits im Vorjahr, gegen das "Heldengedenken" deutschnationaler Burschenschaften am Heldenplatz zu protestieren. Da auch dieses Jahr wieder ein "zivilgesellschaftliches" (wenn man so will) Bündnis aus u.a. SPÖ Wien, Grünen und Israelitischer Kultusgemeinde (IKG) eine Kundgebung am Heldenplatz anmeldete, war dieser zum zweiten Mal in Folge teilweise für GegendemonstrantInnen zugänglich. Bereits am Nachmittag wurden unter Anwesenheit hunderter ZuhörerInnen Reden abgehalten, darunter Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani und der neue Präsident der IKG, Oskar Deutsch, der im Anschluss mit koscherem Sekt auf die Befreiung Österreichs vom NS-Regime anstoßen ließ. Um etwa 18:15 Uhr zog die Demonstration los. Am Heldenplatz warteten gegen 19 Uhr laut nochrichten.net bereits rund 300 Personen auf die eintreffende Demo.

Je nach Quelle befanden sich also zwischen 900 und 1.400 (laut Polizei: 1.200) Personen auf den antifaschistischen 8. Mai-Kundgebungen und -Demonstrationen. Ab 16:30 Uhr herrschten großflächig Platzverbote - der Heldenplatz war zwar keine Sperrzone, wurde aber dennoch bis auf einen kleinen Teil vor der Nationalbibliothek hermetisch abgeriegt, was insbesondere älteren TeilnehmerInnen der Gedenkkundgebung Schwierigkeiten bereitete (vgl. Video von AUGE IUG) - von TouristInnen und Sonnenhungrigen ganz abgesehen, die zum "Schutz" der Burschenschafter knapp 4 Stunden vor Beginn deres Aufmarsches des Platzes verwiesen wurden. Davon völlig unbeeindruckt zeigten sich in etwa zur gleichen Zeit über 150 TeilnehmerInnen eines "Freeze"-Flashmobs am Stephansplatz, die an diesem denkwürdigen Datum ihrer unpolitischen Überzeugung bzw. politischen Gleichgültigkeit Ausdruck verliehen.
 

Auch Anonymous Austria nahm wieder an den Protesten teil - und ließ den Wiener Korporationsring (WKR), (Mit)veranstalter des Totengedenkens am Heldenplatz, auf ihrer "Heimseite" den "Helden der Roten Armee" - so eines der sich abwechselnden Motive - gedenken. Über 24 Stunden lang war wkr.at auf diese Weise offenbar hilflos der aufsehenerregenden digitalen Protestaktion ausgeliefert - so lange, dass die gehackte Seite schon in den Google-Suchergebnissen aktualisiert wurde (vgl. Bild oben).

zwischen 600 und 1.000 DemonstrantInnen in zwei Gruppen konzentriert - Antideutsche & K-Gruppen im Bild rechts hinten - Basisgruppen & alle Anderen im Bild vorne

Bis zum Eintreffen der Burschenschafter gegen 20 Uhr verließen jedoch bereits viele wieder den Heldenplatz, vor dessen mit elektronischer Musik bespielter Bühne sich genau niemand versammelte - lieber genoss man noch die letzten Sonnenstrahlen im letzten nicht abgesperrten Fleckchen Wiese des Heldenplatzes (nachdem die Polizei ab 16:30 alle Leute von den Wiesen vertrieben hatte). Das Polizeiaufgebot war wieder enorm, auch der Polizeihubschrauber (Kostenpunkt: 65 € pro Minute) kreiste über dem ach so unübersichtlichen Heldenplatz. Nicht zu Unrecht bemerken Gastkommentare in der bürgerlichen Presse die Unverhältnismäßigkeit, ja gar Absurdität des ganzen 8. Mai in Wien, wo der geschichtsträchtigste Platz der Stadt nicht zur Feier der Befreiung vom Nationalsozialismus genützt wird, sondern ewiggestrig uniformierte, mit Säbeln bewaffnete Burschenschafter unter gigantischem Polizeischutz regelrecht einmarschieren, um den toten deutschen Soldaten des Krieges zu gedenken:

>> Wenn die rechten Burschenschafter und einzelne schlagende FPÖ-Mandatare wirklich dem Ende des Dritten Reiches nachtrauern wollen, dann sollen sie das doch bitte in ihren Klublokalen oder sonst wo tun, aber nicht öffentlich auf dem Heldenplatz unter dem Schutz der Wiener Polizei und des Innenministeriums. << (Gerhard Zeilinger: Befreit den Heldenplatz endlich von diesem Spuk!, Der Standard, 10. Mai 2012)

>> Die einzige öffentliche Veranstaltung an diesem bedeutungsgeladenen Ort war kein Staatsakt, sondern eine " Gegenveranstaltung", bei der Vertreter der SPÖ, der Wiener Grünen, der Israelitischen Kultusgemeinde und des Personenkomitees "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" auftraten. Was aber heißt "Gegenveranstaltung"? Schreiben wir wirklich das Jahr 2012?
An diesem Tag wurde sogar, was äußerst selten geschieht, das große Burgtor gesperrt und das Areal hermetisch abgeriegelt. Das Platzverbot wurde vom Wiener Polizeipräsidenten damit begründet, dass "aufgrund zu befürchtender gewalttätiger Ausschreitungen anlässlich des Umzugs zum ' Totengedenken des Rings Volktreuer Verbände' (...) anzunehmen (ist), dass eine allgemeine Gefahr für Leben (!) oder Gesundheit mehrerer Menschen und für Eigentum im großen (!) Ausmaß (...) entstehen wird".

Wie gut, dass die Polizei uns vor diesen Umtrieblern schützt, könnte man sich da zunächst denken. Aber das dicke Ende kommt im Paragrafen 3 der Verordnung, denn dort wird klar, dass es just umgekehrt ist: Die " Totengedenkler" dürfen rein in den Sperrbezirk und alle anderen nicht. Die Polizei ist demzufolge also nicht dazu da, die Mehrheit vor einer Belästigung durch die Umtriebe dieses Häufleins Verirrter - Sieger sehen wahrhaft anders aus! - zu schützen, sondern dazu, die "Volktreuen" vor jenen zu schützen, die an diesem 8. Mai wieder einmal das internationale Ansehen Österreichs durch ihr Auftreten gerettet haben, darunter viele Jugendliche, die den großteils nicht viel älteren Polizisten in ihren Star-Wars-Anzügen überwiegend mit entwaffnender Gelassenheit und ebensolchem Humor begegnet sind. << (Peter Zawrel: 8.-Mai-Gedenktag: Schreiben wir wirklich das Jahr 2012?, Der Standard, 9. Mai 2012)

Am Heldenplatz

Zugang zum Heldenplatz vom Ring bei der Nationalbibliothek

Anders als im Vorjahr blieb das Burgtor dieses Mal aber vollständig geschlossen. Die Demo konnte durch das geöffnete Eisengitter-Tor neben der Nationalbibliothek am Ring zuströmen - auf der gegenüberliegenden Seite war auch eine Passage durch die Hofburg frei. Befürchtungen, die Polizei könnte die Menge - wie im Vorjahr - beim abströmen, zeitgleich/parallel zu den Burschenschaftern, hindern bzw. einkesseln, bewahrheiteten sich nicht
--> die diesjährige polizeiliche Sperrzone und ihre Begründung

Polizei zieht Tretgitter-Reihen wieder zusammen, Menge wich zurück
Die antifaschistische Kundgebung am Heldenplatz verlief weitgehend zwischenfallsfrei und spürbar ruhiger als im Vorjahr. Die Pufferzone zwischen den beiden "Veranstaltungen" war von der Polizei aber dieses Mal deutlich größer angelegt und mit doppelten Gitterreihen getrennt. Das sorgte dann auch für den einzigen Vorfall, als nach einem lauten Böllerknall der nicht-kommunistische Teil der Demo (Antideutsche und kommunistische Gruppen konzentrierten sich auf einen anderen Teil der Sperre und erhielten von der Polizei, die sich hinter und vor den KommunistInnen massiv konzentrierte, ungeteilte Aufmerksamkeit) an der ersten der beiden Sperrgitter-Reihen zerrte und diese um etwa 10 Meter nach hinten zog (vgl. nebenstehendes Bild) - die Polizei konnte dennoch schnell eingreifen und zog im Anschluss die Gitter wieder zusammen. Eine Person dürfte dabei über die Gitter gelangt sein und planlos Richtung Burschenschafter-Gedenken gestürmt sein, wurde dabei aber natürlich von der Polizei abgefangen. Die zwei Personen, die aufs Dach des Burgtors "gelangt" sind und dort herumliefen stellten sich übrigens als Beamte des Inlandsgeheimdienstes (BVT) heraus. Überhaupt war das Zivi- und Verfassungsschutz-Aufgebot dieses Mal noch größer als ohnehin - auf bis zu 50, 60 Beamte gehen die Schätzungen, wobei dieses Mal offenbar eine große Zahl unqualifizierter Beamter als Aushilfs-Zivis eingesetzt worden sein dürfte, die sich gar nicht erst die Mühe machten, unauffällig zu wirken und sich mit Kopfhörer im Ohr mit uniformierten Beamten austauschten. Positiv vermerkt wurde (auf Twitter), dass auch der Burschenschafter-Umzug dieses Jahr unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand bzw. genau so gefilmt wurde wie die Gegendemo.

Nachdemo

Nachdemo am Ring Richtung Burgtheater
Deutlich souveräner als im Vorjahr gewährte die Polizei, als die Burschenschafter nach ihrem Gedenken auf einer polizeilich abgesperrten und stark gesicherten Route via Minoritenplatz zur Mölker Bastei zurückkehrte, allen DemonstrantInnen den Zugang zur Ringstraße, von wo aus sich eine Nachdemo aus etwa 300 Personen in Bewegung setzte - weitere 100 bis 200 Personen kamen individuell (nachdem die Polizei im Vorjahr auf Höhe Lueger-Ring - wenn auch erfolglos - versuchte, die Demo aufzuhalten) bis zur Mölker Bastei bzw. Schottengasse. Die Polizei fuhr mit Mannschaftswägen vor, ein Teil begleitete die unangemeldete Nachdemo.

Polizeiaufgebot am Schottentor, bevor die Tretgitter "aktiviert" wurden
Was "souverän" bei der Polizei bedeutet ist allerdings eine andere Frage ... Wie schon im Vorjahr (vgl. "Eskalation bei Demo 8.Mai 2011 (Schottentor ca 22:00)") erfolgten im Verlauf der Nachdemo mehrere polizeiliche Übergriffe. Zunächst brach die Demo beim Burgtheater Richtung Innenstadt aus, wurde aber in der Löwelstraße, teils unter Einsatz von Gewalt, von der Polizei gestoppt, dabei gab es dem Vernehmen nach eine Perlustrierung bzw. vorübergehende Festnahme. Dabei dürfte ohnehin nicht ganz klar gewesen sein, wohin dieser Ausbruch führen sollte, da etwa die Teinfaltstraße, die direkt zur Schottengasse / Mölker Bastei geführt hätte, zu diesem Zeitpunkt nur mit der Standardbesatzung bewacht wurde (eine Reihe Tretgitter, ein quer gestellter Mannschaftswagen, eine Hand voll BeamtInnen). AktivistInnen, die darauf hinwiesen, wurden nicht wahrgenommen.

Überhaupt hatte diese (Nach-)Demo eine deutlich schwächere Kommunikationsstruktur als etwa die noWKR-Demos oder die 8. Mai-Demo vom Vorjahr - was wohl an der geringeren Mobilisierung und Vorbereitung im Vorhinein liegt. Hätten doppelt so viele Personen teil genommen, die untereinander mehr kommuniziert hätten, hätte dieser Tag in die Geschichte des 8. Mai in Wien eingehen können ... aber Wien ist nunmal weder Chicago noch Athen, und der 8. Mai ist nicht noWKR!

An diesem 8. Mai wirkten die meisten Leute eher unmotiviert, den Burschenschafter-Aufmarsch ernsthaft zu stören - man begnügte sich mit Ententanz (ein bisschen hin- und herwackeln und in die Kameras lächeln) vor den Polizeisperren. Demonstrationen werden offenbar von vielen immer noch als sinnentleertes Ritual nicht nur akzeptiert, man fühlt sich dabei offenbar auch ganz wohl. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass dieses Mal wieder viele zum ersten oder zweiten Mal auf einer antifaschistischen Demonstration dieser Größenordnung bzw. an diesem Datum waren - dafür muss man nur die TeilnehmerInnen-Zahlen der letzten Jahre miteinander vergleichen (mehr dazu im Abschnitt "Mobilisierung").

Nach dem Zwischenfall in der Löwelstraße zog die Demo - als wäre nichts geschehen (wäre man noch länger dort geblieben, wäre man womöglich gekesselt worden) - weiter. Bei Ankunft am Schottentor wurde die mit Polizeikette abgeriegelte Schottengasse nach einigen Minuten mit Tretgittern verstärkt. Die Burschenschafter wurden augenscheinlich auf anderen Wegen aus der Sperrzone gebracht. Kleingruppen, die es vom Schottentor (unter großen Umwegen) zu den anderen Seiten der Sperrzone in der Schottengasse schafften, wo sich Burschenschafter und Begleitung in Restaurants begaben oder auf Taxis warteten, wurden in Ruhe gelassen, sofern sie die von der Polizei für die Burschenschafter vorgesehene Ausfahrtsroute nicht behinderten. Diese - so stellte sich nach einer Weile heraus - befand sich in der Schreyvoglgasse/Teinfaltstraße.

Polizeiangriffe in Teinfaltstraße
 


Als eine Kleingruppe von etwa 10 bis 20 Personen dorthin vordrang war es nur noch eine Frage von Minuten, bis diese von der dort massiv konzentrierten Polizeipräsenz - darunter 20 bis 40 voll ausgerüstete WEGA-Beamte, angegriffen wurden. Als ich in der Teinfaltstraße eintraf, liefen mir gerade mehrere Personen entgegen - hinter ihnen jagten WEGA- und EE-Beamte hinterher. Etwa 9 oder 10 DemonstrantInnen wurden erwischt, für etwa 30 Minuten an eine Baustellenwand gestellt und perlustriert. Als etwa 20 Minuten später weitere Solidarische tröpfchenweise über die Rosengasse zur Teinfaltstraße kommen startet die WEGA die nächste Hetzjagd - in einer wilden Jagd werden die Leute zurück Richtung Löwelgasse getrieben, 3 oder 4 werden dabei erwischt und grob gestellt - einer wird dabei mehrmals mit dem Kopf gegen eine Glasscheibe gedroschen und dabei auch noch als "Scheiß Piefke" beschimpft. Aber was die Verbalausritte der Polizei betrifft, fangen wir besser gar nicht erst an aufzuzählen ... für ihre Gosch'n ist die Wiener Polizei ja ohnehin weltberühmt. Wer es wagt, sich an einen Beamten mit einer Frage zu wenden und dabei nicht mindestens genau so g'schert daherredet wie die Beamten selbst, kriegt als Antwort gleich ein "San sie überhaupt von do?".

Das muss wohl der "Wiener Schmäh" sein: Wiener Polizisten schützen die Faschisten - und beschimpfen Deutsche als "Scheiß-Piefke".

Auch das "lustige" Dienstnummern-Roulette erfuhr eine weitere Runde - noch ist nicht klar, ob die Betroffenen von Polizeigewalt tatsächlich echte Dienstnummern in Erfahrung bringen konnte oder ob die Polizisten wieder Zahlen in willkürlicher Reihenfolge ausfolgte. Was spricht eigentlich gegen Dienstnummern auf den Uniformen? Achja - Polizeigewalt könnte besser nachverfolgt werden ... das würde ja die Autorität des Staates untergraben, wenn die Polizei nicht mehr anonym prügeln könnte.

Eine spezielle Erwähnung verdient auch das mehrköpfige Fahrrad-Team der Polizei, das an diesem Abend eigens dafür eingesetzt wurde, FahrradfahrerInnen wegen irgendwelcher Kleinigkeiten abzufangen und anzuzeigen. Auch die Wiener Linien zeigten mit einer Schwerpunktkontrolle am Schottentor während des Demo-Treffpunkts bei der Uni-Rampe wieder einmal deutlich, wofür das Rote Wien von heute steht: "Der Heldenplatz den Deutschnationalen Burschenschaften - keine Gnade den SchwarzfahrerInnen unter den Fans der Befreiung Österreichs!"

Nachdem gegen 22 Uhr klar war, dass keine effektiven Blockaden aufrecht erhalten werden können, geschweige denn Perlustrierungen solidarisch verhindert werden können - sowohl wegen geringer Beteiligung, geringer Kommunikation als auch geringer Motivation - lösten sich die Proteste langsam auf.

Die Rechtshilfe berichtete von zwei oder drei Verhaftungen, die Teile der Nacht im PAZ Rossauer Lände verbringen mussten. Neben einer wie immer unbekannten und ungenannten Anzahl von durch Schlägen und Tritte (leicht) verletzter DemonstrantInnen melden offizielle Stellen, dass ein Polizist durch einen Flaschenwurf verletzt worden sei.

Mobilisierung - Top oder Flop?

Bei aller möglicher und berechtigter Kritik muss doch festgehalten werden, dass seit dem Auftreten der Bündnisse "Offensive gegen Rechts" und "jetztzeichensetzen" (Grüne, SPÖ Wien, IKG, Asyl in Not uvm.!) im Vorjahr deutlich mehr Menschen zu den Kundgebungen und Demonstrationen mobilisiert werden können als in den Vorjahren. Dazu kam 2011 auch die massive Mobilisierung durch HC Strache, der seinen Auftritt als Gastredner groß ankündigte und schließlich wegen "einem wichtigen Treffen" mehrere Tage (angeblich im Ausland) untertauchte, was in der Boulevardpresse tagelang als Top-Thema aufgegriffen wurde. Etwa 1.700, laut Polizei 700, sollen daraufhin zu den Demonstrationen erschienen sein (vgl. Bericht vom Vorjahr). Also etwa um ein Drittel oder die Hälfte mehr als 2012.

Zum Vergleich: 2010 gab es eine antideutsch geprägte Befreiungsdemo mit vielen Nationalflaggen und sowjetischen Hymnen, zu der sich etwa 250 bis 380 hinreißen ließen - die Demo ging vom Schwarzenbergplatz aus bereits am Nachmittag durch den Ersten Bezirk, fernab des Burschenschafter-Aufmarsches. 2009 versammelte sich eine antifaschistische Kundgebung mit etwa 100 TeilnehmerInnen im Sigmund-Freud-Park (Votivpark) neben der Universität Wien - und durchbrachen eine Polizeisperre, womit sie offenbar nicht nur die Polizei sondern auch sich selbst überraschten. Ein unsolidarisches "wie komm ich hier möglichst schnell wieder raus ohne verhaftet zu werden?" griff um sich, als Erfolg kann das wohl kaum gewertet werden.

Fazit: Mit dem Heldenplatz als Kundgebungsort und dank Straches PR-Aktion im Vorjahr, gelingt es (auch dieses Jahr) mehr Leute zu mobilisieren als je zuvor. Möchte man den Aufmarsch aber blockieren oder verzögern, müssten sich die Leute aber schon im Vorhinein (besser) organisieren, Bezugsgruppen bilden, mehr untereinander kommunizieren. Dann könnte es auch in Wien vielleicht schon beim nächsten Mal heißen: "8. Mai - Wien nazifrei!"

LINKS

[:Videos:]
- ORF, Wien Heute: Totengedenken und Gegendemonstration
- ORF, ZiB24: Geteiltes Gedenken an NS-Kapitulation
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - wer heute nicht feiert, hat schon verloren 
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - Richard Wadani
- AUGE IUG: 8. Mai 2012 - Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde


[:Fotos:]
- Martin Juen: Totengedenken der Bruschenschaften & Gegendemonstration | Wien 08.05,2012

- cg-politics: 8. Mai - Wien, Heldenplatz #nowkr
- Daniel Weber: #NOWKR 8. Mai 2012 - Tag der Befreiung am Heldenplatz! 
- Die Presse: Proteste gegen das Totengedenken

[:Texte:]
- nochrichten.net: 8. Mai in Wien: Von Befreiungsfeiern zu lautstarken Störungen deutschnational/-völkischen Gedenkens.
- ÖSTERREICH: "Aufmarsch gegen Burschenschafter", 9. Mai 2012

Samstag, 28. Januar 2012

noWKR 2012 - Erfolgreiche Blockaden, Polizeiübergriffe

[letzte Updates: 30.1./9.2. / Pressespiegel: 1.2.]
Zwischen ca. 6.000 und 8.000 Personen nahmen gestern, am 27. Jänner 2012, an den No-WKR-Protesten in Wien teil. Zwei Demozüge - die OGR- (Offensive gegen Rechts) und "jetzt zeichen setzen"-Demo vom Schottentor via Ring zum Albertinaplatz, die Demo des "noWKR"-Antifa-Bündnisses vom Westbahnhof über die Mariahilfer Straße zum Heldenplatz - zogen ab 18:30 (noWKR) bzw. 18:45 (OGR / jzs) durch die Stadt. (Infos zu den Demonstrationen & Routen) Etwa 1.000 PolizistInnen, darunter Einheiten aus mehreren anderen Bundesländern, sorgten für die Einhaltung der Platzverbote um die Hofburg und die Fernhaltung der DemonstrantInnen von den Zufahrtsstraßen zur Hofburg. Von ca. 19 bis 21 Uhr gab es drei Konzerte "gegen Rechts" (Christoph & Lollo, Kommando Elefant, Clara Luzia) am Heldenplatz, denen bis zu mehreren Tausend BesucherInnen lauschten.

Bis etwa 23 Uhr kam es zu einer Reihe von wirkungsvollen Straßenblockaden (der Ballbeginn musste um ein bis zwei Stunden verschoben werden!), vereinzelten Zusammenstößen von Polizei, BallbesucherInnen und DemonstrantInnen und letztlich 21 Festnahmen (davon laut Rechtshilfe 12 AktivistInnen, die übrigen 9 zum Teil ausfällig gewordene Burschenschafter und Neonazis), drei verletzten BallbesucherInnen, fünf*
(*Hahslinger in ZiB 24) verletzten PolizistInnen sowie - von Polizei und Medien nicht genannt - einer unbestimmten Zahl (mindestens zwei) verletzter DemonstrantInnen. Ein (natürlich subjektiver) Erfahrungsbericht insbesondere von der noWKR-Antifa-Demo sowie den anschließenden "Scharmützeln" in und um die Herrengasse, Minoriten- und Ballhausplatz. Alle Zeitangaben laut Indymedia-Ticker, Twitter (#noWKR) sowie eigenen Aufzeichnungen.

Bereits am Nachmittag gab es außerdem drei Hacks von Anonymous Austria auf die Webseite des WKR, des WKR-Balles sowie der Burschenschaft Olympia, was von @AnonAustria auf Twitter jeweils mit "Die Russen kommen!" oder "die Rote Armee ist [...] einmarschiert" mitgeteilt wird. Folgend ein Screenshot der Domain www.wkr.at, die für mehrere Stunden auf folgende Seite, die mit sowjetischer (?) Orchestermusik der Hymne der Sowjetunion hinterlegt war, umgeleitet wurde:


Die politischen Reden am "ganz unpolitischen" WKR-Ball wurden wie immer unter Ausschluss der (medialen) Öffentlichkeit gehalten. Einzig ein Vertreter der Austria Presse Agentur (APA) wurde zum Ball zugelassen. Als die Polizei einige FotografInnen auf den Josefsplatz, vor den Balleingang, vorlässt, reagieren laut "Presse" viele BallbesucherInnen verärgert: "Frechheit", murmelt eine Dame; "Wir werden behandelt wie Aussätzige", eine andere.

Teil 1 - die beiden Demonstrationen

+++ diese Chronologie ist sicherlich nicht vollständig, es gab immer wieder kleine und kurze Straßenblockaden sowie dezentrale Aktionen von Kleingruppen! [Nachtrag 9.2.] Eine sehr gute Ergänzung bietet dieser, am 8. Februar, veröffentlichte Erlebnisbericht eines Aktivisten im Bereich Ring/Burgtheater/Rathausplatz, wo es wiederholt zu Auseinandersetzungen mit jungen Neonazis kam - auch auf die "Burschi-Safari" wird dort eingegangen. +++

18:30 - Start Demo Westbahnhof (noWKR / Antifa)



ca. 1.200 DemonstrantInnen (Quelle: Indymedia-Ticker) ziehen vom Christian-Broda-Platz am Ende der Mariahilfer Straße Richtung Museumsquartier. Etwa 200 Leute (Indymedia, kurz: IM) befinden sich bereits am Heldenplatz, wo für 18:30 der Beginn der Open Air-Konzerte angekündigt wurde.

18:45 - Start Demo Schottentor (OGR bzw. "jetzt zeichen setzen")

Ebenfalls rund 1.200 Personen (IM) ziehen vom Treffpunkt Schottentor / Universität Wien via Schottengasse, Löwelstraße, Ballhausplatz, Heldenplatz zum Dr. Karl-Renner-Ring (Video vom Beginn am Schottentor, noch eins). Auf der Mariahilfer Straße nehmen bereits rund 1.500 an der noWKR-Demo teil, 1.000 warten am Heldenplatz auf Beginn der Konzerte. (IM)

19:00 - noWKR-Zwischenkundgebung beim Marcus-Omofuma-Denkmal / Museumsquartier

Kurz nach 19 Uhr trifft die noWKR-Demonstration beim Museumsquartier ein. Unterwegs wurde mehrfach Pyrotechnik gezündet, neben diversen Böllern, von denen einer die Alarmanlage einer Bankfiliale an der Mariahilfer Straße auslöste, auch verschiedene Leuchtmittel. Abgesehen davon gab es jedoch keine Zwischenfälle, es werden lautstark Antifa-, Anti-Nazi und Anti-kapitalistische Parolen gerufen.

19:15 - Unruhe auf Babenberger Straße

Die Soundanlage des Lautsprecher-Wagens der noWKR-Demo ist zu leise. Die meisten können die Zwischenkundgebungs-Beiträge nur - wenn überhaupt - teilweise verstehen. Die Polizei steht zudem vor und seitlich der Demo-Spitze in dichten Reihen mit Helmen und Schildern, sodass der Zwischenstopp für einige wie eine Unterbrechung durch die Polizei wirkt. Man hört, dass die OGR-Demo am Weg zum Albertinaplatz in Kürze den selben Ringabschnitt queren wird; der Schwarze Block formiert sich und zieht Richtung Polizeikette los - diese gibt nach und gibt den Weg Stück für Stück frei, zumal sie die Kreuzung ohnehin nicht halten kann, da seitlich vom Museumsplatz her immer mehr Leute die Polizeisperre zu umgehen versuchen.

19:15 - OGR-Demo erreicht Heldenplatz

Auch die OGR-Demo setzt Pyrotechnik ein, laut Indymedia mittlerweile 1.800 TeilnehmerInnen an dieser Demo. Die Menge zieht auf den Heldenplatz, mehrere Hundert gehen jedoch wieder vor das Heldentor und warten dort auf weitere, die bis zur Mahnwache am Albertinaplatz weiter ziehen wollen. Der gesamte Ring zwischen Parlament und Opernkreuzung ist zu dieser Zeit gesperrt.

19:35 - OGR- und noWKR-Demo gemeinsam am Burgring



Als die noWKR-Demo an der Kreuzung Babenberger Straße / Burgring erneut angehalten wird, fliegen mehrere Glasflaschen über die Reihen der Polizei auf die Straße, dem Anschein nach wurde eine Person von der Polizei herausgegriffen, es kommt zu Soli-Sprechchören und schließlich Jubel, als die Polizeikette den Burgring frei gibt. Die "antinationale Solidarität" rufende, überwiegend schwarz gekleidete 1.500 bis 1.800 TeilnehmerInnen zählende noWKR-Demo zieht nun an der noch ca. 300 bis 400 Personen starken OGR-Demo, die zu diesem Zeitpunkt überwiegend aus roten Fahnen besteht, vorbei auf den Heldenplatz, wo mit Bengalo eingezogen wird (Video). Die OGR-Demo zieht zum Albertinaplatz, den sie um ca. 20:10 erreicht (IM)

"Die Presse" kommentiert diese Szenen aufmerksam in den Untertiteln ihrer Fotostrecke ...
"Am Ring kommt es dann zum Demo-Stau. Der Zug vom Westbahnhof bewegt sich Richtung Heldenplatz, während die Gruppe von der Hauptuni in die andere Richtung will. Kurze Zeit sind die Polizisten an der Spitze der beiden Züge ratlos. Dann weichen sie einfach zur Seite und lassen die Gruppen aufeinander zu marschieren." (Bild 6)

"Gesittet im Rechtsverkehr marschieren die Demonstranten aneinander vorbei." (Bild 7)

... und bemerkt dabei sogar die feinen Unterschiede:

"Fast könnte man meinen, beide Demozüge skandieren denselben Spruch, doch bei genauerem Hinhören zeigt sich: Während es bei den einen (Offensive gegen Rechts) "Hoch die internationale Solidarität" heißt, ist es bei den anderen (No WKR) "Hoch die antinationale Solidarität"." (Bild 8)

Alles in allem sind gegen 20 Uhr zwischen 6.000 und 10.000 Personen auf der Ringstraße und am Heldenplatz, die Leute sind gut gelaunt vom großen Mobilisierungserfolg, entschlossen, was das Fortkommen der Demozüge betrifft und überwiegend friedlich, was den Umgang mit den allgegenwärtigen PolizistInnen betrifft - für eine Wiener Demonstration bereits ein gutes Erlebnis. Doch mit dem Ende der bewilligten Demonstrationen beginnen eine Reihe spontaner, dezentraler und äußerst mobiler Blockaden und Aktionen im Bereich Herrengasse, Michaelerplatz, Ballhausplatz und Minoritenplatz. Vor dem Heldentor findet noch bis etwa 23 Uhr Straßenparty mit bis zu 500 Leuten statt.

Teil 2 - Blockaden und dezentrale Aktionen ab 20 Uhr

folgendes Video zeigt u.a. wie Ballgäste über den Minoritenplatz zur Hofburg geleitet werden


20:00 - erste Blockade


Indymedia meldet die erste Blockade eines Ballgäste befördenden Taxis: der Bike Block sei dafür verantwortlich.

20:18 - Perlustrierungen Burgtheater



Die erste Meldung von Perlustrierungen geht durch das Internet. Der Ort, Burgtheater, deutet darauf hin, dass bereits einige Menschen das Platzverbot um die Hofburg via Schottentor, aber auch via Kärtner Straße umgehen. So kann auch die Meldung von 20:25 verstanden werden, dass nur noch 100 bis 200 Personen bei der Mahnwache am Albertinaplatz sind.

20:27 - Blockade von 2 Reisebussen in Herrengasse



Indymedia meldet, dass 30 Personen einen Reisebus voller Ballgäste in der Herrengasse (Ecke Leopold-Figl-Gasse) blockiert haben. 20 Minuten später sind es bereits 100 Leute (IM). Die Polizei kümmert sich nun vor allem darum, die Herrengasse und die Strauchgasse (Ecke des Café Central) von DemonstrantInnen und JournalistInnen zu räumen. Meiner Einschätzung nach waren zu dieser Zeit bis zu 200 Personen in und vor der Blockade Herrengasse.

Im Anschluss, um ca. 20:50 beginnt die Polizei, Businsaßen auf Höhe Landhausgasse auszuladen und via Minoritenplatz zur Hofburg zu begleiten. Jedoch sind auch am Minoritenplatz einige GegendemonstrantInnen, die rasch mehr werden. Auch in der Landhausgasse selbst passieren immer wieder DemonstrantInnen, es kommt zu einigen Verbalduellen zwischen AktivistInnen, Ballgästen, Polizei und MedienvertreterInnen.

Die Ballgäste reagieren zunehmend aggressiv auf JournalistInnen, die sie beim Verlassen der Busse filmen.

20:34 - Blockade Freyung

Für einige Minuten war die Freyung blockiert. (IM)

20:38 - Versammlung Augustinerstraße / Albertinaplatz

BallbesucherInnen können nicht passieren, da DemonstrantInnen Taxis von der Zufahrt abhalten. Nach etwa 10 Minuten gelangen Gäste dank Eskortierung durch die Polizei dann doch hinein. (IM)

@bagruthewi twittert um 20:42 Uhr folgende zwei "Tweets":

"Polizei prügelt auf Blockade am Kohlmarkt/Michaelerplatz ein. "

"Taxis kommen jetzt über Kohlmarkt "

20:40 - Mölker Bastei / Schottengasse: Polizist schlägt Jugendlichen

Zwei Jugendliche, in etwa im Alter von Oberstufen-Schülern, laufen die Mölker Bastei Richtung Schottengasse und werden dabei von zwei PolizistInnen verfolgt. Auf der Straße selbst stehen ebenfalls drei PolizistInnen, einer der Jugendlichen wird von einem der verfolgenden Polizisten von hinten gepackt, zur Wand gedrängt und mehrmals mit der Handfläche ins Gesicht und gegen den Körper geschlagen. DemonstrantInnen, die die Herrengasse verlassen, fordern den Polizisten verbal zum Aufhören auf und verlangen seine Dienstnummer. Nur widerwillig stellt der Polizist seine Gewalt ein, als immer mehr Leute immer näher rücken. Er fordert die Personalien des Jugendlichen, erhält diese dem Anschein nach und fordert schließlich die Personalien derjenigen Person, die nach seiner Dienstnummer gefragt hat. Die Person verweigert selbstverständlich, der Polizist geht auf die Nachfragen nach seiner Dienstnummer nicht ein. Einige Kollegen eilen herbei, der Polizist entkommt unidentifiziert.

20:44 - Blockade Schottengasse / Helfersdorfer Straße

Die Schottengasse wird einige Minuten lang blockiert, bis erste Polizeieinheiten eintreffen (IM). Die DemonstrantInnen ziehen danach offenbar zur Blockade Herrengasse weiter.



20:50 bei Blockade Herrengasse

In der Herrengasse geht es nach wie vor sehr turbulent zu. Viele solidarische Menschen gesellen sich in der Herren- und Strauchgasse um die Blockade des Reisebusses. Dazwischen zahlreiche FotografInnen und Kameraleute. Nur langsam bekommt die Polizei den Platz rund um die Reisebusse frei, um sie schließlich ein paar Meter zur Landhausgasse zu lotsen, wo zunächst um ca. 21 Uhr der erste (Video 1), um 21:15 Uhr der zweite Bus (Video 2, Video 3) unter heftigem Lärm der Blockade und herumlaufender AktivistInnen entladen wird.



Die so nach 30 bis 45 Wartezeit entladenen Ballgäste werden von kleinen Polizeiteams durch die Landhausgasse zum Minoritenplatz und von dort zur Hofburg geschleust. Beim ersten Bus dürfte dies, bis auf einzelne Personen entlang des Wegs, ohne "Widerstand" durch AktivistInnen verlaufen sein. Als der zweite Bus über die selbe Route evakuiert werden sollte, waren offenbar bereits einige Leute zum Minoritenplatz unterwegs.

20:55 [laut Video] 21:45 - Polizeigewalt am Karl-Renner-Ring



Unter noch nicht restlos geklärten Umständen - es soll Videomaterial geben - stürmen mehrere WEGA-Polizisten, angeblich auch unter Beisein eines bekannten Kommandanten, auf beim Würstelstand stehende Leute zu und perlustriert diese an der Mauer/Gitter des Volksgarten. Dabei soll eine der drei oder vier Personen heftig gegen die Mauer gedrängt worden sein, sodass dessen Brille zerbrach und Blutungen im Gesicht auftraten. Als ich den Schauplatz erreichte waren noch zwei Krankenwägen und fünf Polizeiwannen sowie ZeugInnen vor Ort. Drei oder vier Personen wurden verhaftet. Ein Fotograf der Presse war offenbar anwesend.

20:59 - Blockadeversuch Kohlmarkt

Beim Versuch, den Kohlmarkt zu blockieren, drängt die Polizei die AktivistInnen ab um Ballgästen den Weg frei zu machen. Es kommt zu kleineren Reibereien. (IM)

21:23 - Blockade Graben und Tuchlauben

Eine 150 Personen starke Blockade am Graben wird nach 15 Minuten zur Tuchlauben abgedrängt. Dort wird ebenfalls mehrere Minuten blockiert - unabhängig davon werden laufend Taxis blockiert, teilweise stauen diese sich durch mehrere Straßen. (IM)

21:25 - Chaos am Minoritenplatz

Die Ballgäste aus dem zweiten Bus gelangen am Minoritenplatz in eine zunehmend verzwicktere Lage. Immer mehr AktivistInnen säumen die Route. Die letzte Gruppe des Reisebusses bleibt schließlich in der feindlich gesinnten, teilweise Böller zündenden Menge stecken. Die Gruppe aus ca. 5 PolizistInnen und 10 Ballgästen dreht um, bleiben erneut stecken, versuchen erneut Richtung Hofburg zu gelangen und sehen sich schließlich mit dem Rücken zur Wand der Minoritenkirche ausweglos gefangen. Es kommt zu tumultartigen Szenen in denen keine der beiden Seiten einen Überblick gehabt haben dürfte. In den nächsten zehn Minuten werden naheliegende Polizeizüge zusammengezogen, die etwa 150 bis 200 Personen große Menge wird vom Minoritenplatz zum Ballhausplatz abgedrängt, wo in etwa gleich viele TeilnehmerInnen einer vorhergehenden Blockade warten.

21:35 - Chaos am Ballhausplatz

Eine Polizeieskorte mit Ballgästen bleibt in der nun etwa 250 bis 300 Leute großen Demo-Menge am Ballhausplatz stecken - es kommt zu Handgreiflichkeiten zwischen PolizistInnen und einzelnen AktivistInnen, die Ballgäste stehen nahezu ungeschützt mit dem Rücken zur Wand der Menge gegenüber, bleibt jedoch unversehrt. Die Polizeieskorte zieht sich Richtung Burgtheater zurück, einer der Ballgäste soll außerdem Pfefferspray gegen AktivistInnen eingesetzt haben (IM).

Nun ziehen von allen Seiten - außer Heldenplatz - gerüstete Polizeizüge zum Ballhausplatz. Die Menge verhält sich passiv und lässt sich, begleitet von den Rhyhtmen der Samba-Truppe, langsam zum Heldenplatz abdrängen. Um 22:14 vermeldet die @rosaantifawien, es gebe "Berichte von vielen Antifa-Kleingruppen, die weiterhin in der Innenstadt aktiv sind und immer wieder kurz blockieren".

22:15 - Blockade Kohlmarkt / Michaelerplatz [Update am 30.1.]

Etwa 15-20 Personen befanden sich am Kohlmarkt, ein paar von ihnen blockierten den Michaelerplatz. Nach wenigen Minuten werden sie eingekesselt (vgl. Tweet der @rosaantifawien um 22:26 Uhr), eine Person wird werden festgenommen. Von drei weiteren werden die Personalien aufgenommen - sie werden im Anschluss ebenfalls festgenommen. Die übrigen dürfen ohne Personalienaufnahme gehen, was im Übrigen bei fast allen "Kesseln" dieses Abends für die Mehrzahl der Anwesenden die Regel war - abgesehen von einigen Verhaftungen eben.

Etwa 30 Personen solidarisieren sich am Kohlmarkt/Tuchlauben außerhalb der Polizeikette und skandieren "Eins, zwei, drei - lasst die Leute frei". Die Polizei weist die Versammelten an, leiser zu sein, sonst würde es Anzeigen wegen Ruhestörung geben. Von hier ist auch das Zitat eines Polizisten überliefert: "versammlungsfreiheit ist hier nicht gegeben"

Gegen 22:30 Uhr sind bereits 70 bis 80 Leute am Kohlmarkt. Es war die vorletzte Versammlung in dieser Größenordnung an diesem Abend und dauerte bis etwa 23:15 Uhr an.

22:35 - Versammlung Ballhausplatz

Noch immer bzw. schon wieder befinden sich rund 250 Personen am Ballhausplatz, gelangen jedoch nicht in die Innenstadt. Die Versammlung zerstreut sich laut Indymedia nach sanfter Polizeieinwirkung.

Im Verlauf des gesamten Abends gab es noch eine Reihe von dezentralen Kleingruppen-Aktionen, über die wenig verlässliches bekannt ist. Die Polizei berichtet jedenfalls, dass sich unter den 21 Verhafteten auch solche befinden, denen Sachbeschädigung und versuchte Brandstiftung vorgeworfen wird. Bis 2 Uhr früh wurden erst zwei der 21 Inhaftierten freigelassen. Das Rechtsinfo-Kollektiv kann 12 Festnahmen bestätigen. Die neun anderen sollen angeblich eher dem rechten Milieu zugehören. So wird von zumindest einem Zwischenfall erzählt, bei dem Burschenschafter mit der Polizei aneinander gerieten und Fäuste flogen. Auch sollen wieder einige Mützen ihre Besitzer gewechselt haben.

22:40 - Burschenschafter geben "Hitler-Gruß"

Um 22:40 Uhr twittert jemand: "Grad steigen 3 Burschenschaftler vor mir in die limo und geben mir den Hitlergruß. Im ernst [...] ?! "

Update 28.1.

Am Tag nach den Demonstrationen und Aktionen gelangen nach und nach weiterführende Infos an die Öffentlichkeit. So präzisiert die FPÖ - sofern man in ihren Presseaussendungen überhaupt noch etwas ernst nehmen kann - die Polizeimeldungen über "versuchte Brandstiftung": In einer OTS-Aussendung mit dem skurrilen Untertitel "Linker Terror wird von der Polizeiführung vertuscht" heißt es, es habe versuchte Brandanschläge auf zwei Studentenverbindungen gegeben. Die Schuld an allem wird natürlich der SPÖ und den "GrünInnen" zugeschoben, besonders "willkommen" dürfte der FPÖ aber auch die Teilnahme der IKG am Organisationsbündnis der (friedlichen!) OGR"jetzt zeichen setzen"-Demo sein, zumal bereits seit Wochen (!) immer wieder IKG-Präsident Ariel Muzicant persönlich zum "Verantwortlichen" für Zwischenfälle außerhalb der Demonstrationen erklärt wurde und wird (vgl. Studiodiskussion mit Martin Graf und Ariel Muzicant in der ZIB2 am 18. Jänner 2012 sowie FPÖ-Presseaussendungen, von denen an dieser Stelle allein die jüngsten vom 28.1. (1), (2) genannt seien), was bar jeder Nachvollziehbarkeit und obendrein total willkürlich ist - das "OGR""jetzt zeichen setzen"-Organisationsbündnis bestand aus dutzenden Organisationen und die "linksradikale" Antifa-Demo mit 1.800 TeilnehmerInnen vom Westbahnhof wurde ohnehin von einem anderen Bündnis ("noWKR") organisiert. Die Zwischenfälle ereigneten sich so oder so abseits beider Demonstrationen. Dass sich die FPÖ ausgerechnet den Präsidenten der jüdischen Gemeinde sowie - in der jüngsten Presseaussendung vom 28.1. - den Vorsitzenden von SOS Mitmensch, der Pollak heißt, ohne jegliche Indizien oder Nachweise als "Verantwortliche" und "Ziehväter linksextremen Terrors" (ja, das hatten wir schon mal; ja, sie sagen schon wieder das gleiche) ausmachen, lässt die Frage aufkommen, nach welchen Kriterien die FPÖ derartige "Ziehväter" bestimmen können möchte. Zuguterletzt will die FPÖ noch alle beteiligten KritikerInnen und OrganisatorInnen mit Klagen eindecken und schließt ihre(n) Hass-RiOT(S) mit der Forderung nach mehr Gewalt gegen die DemonstrantInnen, so wie sie sich in den Vorjahren bewährt hätte. Auch auf JournalistInnen, die sich zu den noWKR-Protesten öffentlich äußerten, wird in der großangelegten Schelte der selbsternannten Bewahrer von "Freiheit und Demokratie" nicht vergessen.

Nichtsdestotrotz - und gerade weil es Polizei und Medien nicht ins Konzept passt - soll auch darauf hingewiesen werden, dass einige DemonstrantInnen von einzelnen PolizistInnen, BallbesucherInnen/Burschenschaftern und vereinzelt herumstreunenden Neonazi-Gruppen attackiert und verletzt wurden. Zahlen dazu liegen jedoch keine vor bzw. werden diese nicht veröffentlicht. SOS Mitmensch hält jedoch einen Vorfall fest, der von der FPÖ in ihren ersten Presseaussendungen nach dem Ball bereits im bewährten Täter-/Opfer-Umkehr-Prinzip als Angriff von DemonstrantInnen auf Ballgäste wiedergegeben wurde: "Während sich die meisten Medien einzig auf die Frage konzentriert haben, ob es zu Gewaltakten von Seiten der Anti-WKR-DemonstrantInnen kommen würde, haben Burschenschafter den Schutz der Polizei genutzt, um Umstehende zu attackieren und zu verletzen."

Update 29.1.

Am zweiten Tag nach den Protesten dreht sich die Medienberichterstattung um die Anzeige eines Miliz-Offiziers, der gegen das Bundesheer-Uniform-Verbot am Ball verstoßen habe, um den angeblichen Ehrenschutz von Wissenschaftsminister Töchterle im Ballkommittee, Erlebnisberichten von eingeschleusten JournalistInnen verschiedener Zeitungen, aber auch um Kritik "von allen Seiten" an der Polizei, man habe die BallbesucherInnen nicht ausreichend schützen können bzw. sei zu hart/zu weich gegen DemonstrantInnen vorgegangen. Der "Preis" für die jenseitigste Berichterstattung dürfte dieses Jahr ausnahmsweise an "Die Presse" gehen, die ihre Konkurrenten auf deren Spezialgebiet, dem Krawalljournalismus, eindeutig ausgestochen hat. Was sie jedoch mit nahezu allen Medien, die den Umstand berichtenswert fanden, gemein hat (zB. der ORF/Wien Heute), ist die wie selbstverständlich ausgesprochene Formulierung "der 'schwarze Block' aus Deutschland", obwohl in Wahrheit niemand die Herkunft der schwarz Vermummten DemonstrationsteilnehmerInnen überprüft hat und lediglich zwei - von etwa einem Dutzend - Transparenten auf die Anwesenheit deutscher AntifaschistInnen hingewiesen haben. In Sprechchören machte sich zwischendurch die "Berliner Antifa" erkennbar, ebenso italienische AntifaschistInnen.

Außerdem berichten FPÖ-Politiker in Presseaussendungen ("FPÖ: Graf betroffen über mangelnden Schutz der Ballbesucher") sowie im Blog des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Martin Graf, unzensuriert.at ("Randale bei der Demo gegen den WKR-Ball"), von Angriffen auf zwei Burschenschaften, die Bruna Sudetia in der Strozzigasse (Josefstadt) und Saxonia. Erstere sei in der Nacht der Demonstrationen von etwa 30 Vermummten gestürmt worden, Fotos zeigen Farbbeutel-Spuren an verschiedenen Stellen im Gebäude sowie Brandspuren an einer Tür, die von einer bengalischen Fackel ausgegangen sein sollen. Tätliche Angriffe auf Anwesende konnten durch das Verhindern des Eintretens einer Tür abgewehrt werden, heißt es in den erklärenden Kommentaren zur Fotostrecke auf unzensuriert.at weiter.

In einem Artikel widmet sich die "Internet-Zeitung" rein den Anarchist(innen) Wiens, dem "Zentrum der österreichischen Anarchisten". Die fachkundige Redaktion um Martin Graf attestiert:
"Während etwa die traditionalistischen Marxisten in der KPÖ durch Überalterung und politische Misserfolge immer mehr an Bedeutung verlieren, treten die sogenannten „unorthodoxen“ Linken in Form der Anarchisten immer stärker auf den Plan. [...] Seit einigen Jahren rüsten die Anarchisten in Wien stark auf. Ein dichtes Netz an Organisationen hat sich als schwarz-roter Block in der österreichischen Bundeshauptstadt etabliert. "
unzensuriert.at staunt über die Organisation der "Langen Nacht der Anarchie" und dass diese auf einer "eigenen Homepage der österreichischen Anarchisten" beworben wurde. Nach einer Aufzählung anarchistischer Bibliotheken, Vereine und Organisationen resümiert der Blog, dass die Anarchist(innen) "gut organisiert" seien und Wien das "Zentrum des mitteleuropäischen Anarchismus" sein müsse.

Pressespiegel-Rückblick

- noborders.noblogs.org: NoWKR Presseaussendungs Feuerwerk aka nowkr(i)ots (Pressespiegel zu WKR-Ball / -Protesten bis 26.1.2012)

Videos (ohne Handy/Low Quality-Videos / sind bereits im Text verlinkt)

- ORF ZiB, 27.1.: Demo gegen Burschenschafterball (1:52 min)
- ORF ZiB, 27.1.: Studio-Analyse (2:07)
- ORF Wien Heute: Demo gegen den WKR Ball (3:50 min)
- ORF ZiB 2: Umstrittener Ball (4:15 min)
- ORF ZiB24: Kleinere Zwischenfälle bei Burschenschafter Ball (2:51 min)
- ORF ZiB 24: Liveschaltung zum Heldenplatz (2:45 min)
- AFP: Vienna police brace for far-right ball, protests (1:19 min)
- AUGE IUG: Anti-WKR-Kundgebung (5:32 min)
- WienTV.org / Daniel Hrncir: nowkr 2012 (5:57 min)
- WienTV.org / Wolfgang Weber: Friedliche Burschenschafter? (2:13 min)
- ichmachpolitik.at / Romana Kalhammer: No WKR Demo 2012 - Burschenschafterball verhindern! NoWKR 2012 (3:49 min)
- DieVideoReportage: Eindrücke der Anti-WKR-Ball-Demo 2012
- ARD Tagesschau: Protest in Österreich (0:27 min)
- ZDF heute nacht: Ball der Burschenschaften - Polizei-Großeinsatz in Wien (2:40)

Audio

- Radio Orange / cba.fro.at: Das waren die NoWKR-Proteste 2012 – siebeneinhalb Stunden Sondersendung in einer Dreiviertelstunde

Fotos


- Daniel Weber: Demonstration gegen den WKR- Ball 2012 #nowkr
- Martin Juen: NOWKR Demonstration 2012
- cg-politics: #noWKR 2012
- bildlichgesprochen.at: NO-WKR
- AG Freiburg: Demonstration und Aktionen gegen den WKR-Ball am 27.01.2012 in Wien
- Martin Schalk: Reportage: Corporation Ball

Medienberichte zu Demos & Aktionen (Auswahl, 27.1. - 31.1.)


- CBS News: Austrian far right celebrates on Holocaust holiday
- ceiberweiber.at: Nach dem Ball und den Demos
- derstandard.at: Burschenschafterball - 6.000 Teilnehmer bei Anti-WKR-Demo
- derstandard.at: Inside WKR-Ball - Ein schmissiges Fest in der Hofburg
- fm4.orf.at: Darf ich bitten?
- fm4.orf.at: Parallelgesellschaft mit Gesichtsnarben
- Haaretz.com: Far-right Vienna ball causes outrage on Holocaust Day
- KTAR.com: Uproar over rightist leader's comments about Jews
- Kurier: WKR-Ball begann verspätet, Demo blieb "generell ruhig"
- nochrichten.net: Tausende gegen WKR-Ball und nazistischen Normalzustand
- NZ Herald News: 'We are the new Jews' - Far right leader
- orf.at: Demonstration weitgehend friedlich
- Österreich / oe24.at: Tausende bei Demo am Heldenplatz (mit Ticker)
- Spiegel Online: Empörung über tanzende Burschenschafter
- Times Union: Some slam Nazis; others gather for right-wing ball
- taz.de: Korporationsball Wien - Tanz der rechten Schläger
- Vienna Online: Kleinere Zwischenfälle bei den Anti-WKR-Ball-Demos
- unzensuriert.at (Blog aus dem Büro von FPÖ-NAbg. Martin Graf): Wien als Zentrum des mitteleuropäischen Anarchismus
- Die Zeit: Wiener Korporations-Ball: Die totale Recherche
 
blank info