Die SPÖ, die sich selbst, so zumindest ihre Führung, "auf dem richtigen Kurs" sieht, der den Menschen bloß "noch besser" vermittelt werden müsse, verliert nun scheinbar Stück für Stück auch noch die letzten verbliebenen Bezüge zur Realität und zu ihrer Ideologie. Nachdem die SPÖ schon bei der Regierungsbildung wie selbstverständlich auf sämtliche wichtige Ministerien (Innenministerium für Sicherheit und die umstrittenen "Ausländerfragen", Finanz für alles, was die Regierung tut) und auch auf den Anspruch, eine/n EU-Kommissar/in zu stellen, setzt sich diese vollkommene Ablehnung jeglicher Verantwortung und Perspektiven nun in der nächsten Instanz fort: Österreich soll einen EU-Kommissar bekommen. Die aktuelle Kommissarin, Benita Ferrero-Waldner, wurde von der ÖVP gestellt und trat einst als Konkurrentin zu dem von der SPÖ unterstützten Heinz Fischer im Präsidentschaftswahlkampf auf. Naheverhältnis zur SPÖ? Keines erkennbar. Auch der neue Vorschlag für einen EU-Kommissar, an dem die SPÖ wie eben erwähnt bisher keinerlei Interesse zeigte, kommt natürlich wieder von der ÖVP. Eine rein ÖVP-interne Debatte also, wer denn nun EU-Kommissar werden soll.
Aber was macht Bundeskanzler Faymann? Er mischt sich ein und setzt sich für Ferrero-Waldner ein. Nun bin ich ja nicht gerade in die innersten Regierungsangelegenheiten eingeweiht und ob es wirklich bloß eine Störaktion, um die ÖVP zu ärgern, sein soll, wie manche Medien mutmaßen, wage ich auch bezweifeln - denn wo wäre denn da der Sinn dahinter? Die ÖVP, ohne Chance dabei irgendeinen Vorteil zu erreichen, ärgern, damit sie wieder Grund hat, sich bei der SPÖ zu revanchieren (querlegen bei der Bildungsreform, Studiengebühren, Sozialfragen...)? Sind wir im Kasperltheater oder was? Ich mein, der SPÖ kann man mittlerweile alles zutrauen, da sie doch ohne jegliche erkennbare Perspektive total benommen durch die Politik- und Wahllandschaft taumelt, widersprüchliche, oft haarsträubende Aussagen und Ansagen von sich gibt und zwischen bedingungsloser, demonstrativer Unterstützung der ÖVP (Abschaffunf der verteilungspolitisch wichtigen Schenkungs- und Erbschaftssteuer) und pseudo-sozialistischen Prinzipien (Hacklerregelung, die vornehmlich Beamte betrifft, Studiengebühren, die den vorwiegend aus gut verdienenden Häusern stammenden Studenten ihres Beitrags zur Umverteilung enthebt) hin- und herpendelt und somit die Zurechnungsfähigkeit dieser Partei immer stärker in Frage stellt.
Die SPÖ unterstützt nun also eine ÖVP-Kandidatin in der Frage der Bestellung des nächstens österreichischen EU-Kommissars, statt einen eigenen Kandidaten aufzustellen oder das Thema einfach zu ignorieren, wo man doch der EU so gleichgültig bis ablehnend gegenüberstellt - zumindest laut dem letzten Nationalratswahlkampf, der nach den Wünschen Hans Dichands gestaltet wurde. Blöd halt, dass selbst Dichand die Richtungsverwirrung der SPÖ mittlerweile zu blöd wurde und nun die beiden Prölls, nach Vorbild der polnischen Kaczynski-Zwillinge, in die höchsten Funktionen der österreichischen Politik hieven will.
Und zum drüberstreuen liefert die Linzer SPÖ nun ihre politische Bankrotterklärung ab. Die vermeintlich neben Wien letzte große Bastion der sozialistischen Arbeiterschaft erklärt sich aufgrund der jüngsten Wahlergebnisse nun ebenfalls für überflüssig und beginnt mit ihrer Demontage sowie der Verteilung der Erbschaft: Allen voran gibt man gleich mal der FPÖ, die ihre Stimmen einer realitätsverweigernden SPÖ verdankt, das neu geschaffene Sicherheitsressort und betraut einen FPÖ-Politiker, dem beim Bundesheer wegen seiner rechtsextremen Kontakte die Offizierslaufbahn verweigert wurde, mit der Schaffung einer Linzer Stadtwache. Bravo, SPÖ! Die Erklärung dazu: Der Wählerwille wolle es so! Das ist natürlich eine feige Ausrede, die verschleiern soll, dass die Linzer SPÖ keine Lust mehr auf Realpolitik hat, aber zuminest in einem Satz möchte ich das doch noch widerlegen: Die FPÖ, die eine Stadtwache forderte, bekam trotz hoher Stimmengewinne WENIGER Stimmen als die SPÖ. Zählt man FPÖ und ÖVP-Wähler zusammen, da auch die ÖVP für eine Stadtwache eintrat, kommt man auf rund 42,5 % (siehe Wahlergebnis) Grüne, SPÖ und Kommunisten kommen demnach auf die übrigen 57,5% - und diese wünschten keine Stadtwache. "Der Wählerwille" war einer Stadtwache gegenüber also bestenfalls gleichgültig bzw. unentschlossen eingestellt. Der selbe Wählerwille wollte übrigens auch keinen Herrn Dobusch als Bürgermeister. Tritt er nun zurück?
Die Stadtwache soll nach dem nächsten Sommer ihren Dienst mit etwa 30 Mann (und Frau?) Personal aufnehmen. Es wird überlegt, ob ein bereits existierender privater Sicherheitsdienst beauftragt wird, oder stadteigenes Personal. Die SPÖ als neoliberale Law & Order Partei! Ist das der neue Kurs?
Ich bin schon sehr gespannt auf die ersten Zwischenfälle zwischen FPÖ-nahem Sicherheitspersonal und der überwiegend linksalternativen Linzer Jugend auf der Donaulände bzw. rund um Hauptplatz und Altstadt, wo viele Jugendliche mit Migrationshintergrund - zugegebenermaßen nicht immer in Gentleman-Manier, aber die fehlt genauso vielen nicht-migrationshintergründlichen Jugendlichen dort - ihre Freizeit mit Alkohol begießen. In überheblicher Verkennung der Verhältnisse vor Ort wird ein städtischer Sicherheitsdienst - der naheliegenderweise ideologisch eher der FPÖ und ihrem rechten Gedankengut nahe stehen wird und somit wenig von "Multi-Kulti" und linksalternativen Jugendlichen halten wird - in die Altstadt platzen, um dort für "Recht und Ordnung" zu sorgen und damit auf jeden Fall für große Schlagzeilen sorgen. Denn selbst die Polizei sah sich bereits wiederholt zu einem Rückzug aus der Altstadt gezwungen, etwa, als in einem vorwiegend von Schwarzafrikanern besuchten Lokal eine Verhaftung vorgenommen werden sollte (es kam zu einem großen Tumult, infolgedessen die Polizei in arge Bedrängnis geriet). Auch auf den ersten Zusammenstoß zwischen Stadtwache und Punks, die gerne am zentralen Taubenmarkt rumhängen, bin ich schon sehr gespannt.
Bürgermeister Dobusch, der sich wohl eher als Erneuerer und Kulturhauptstadtmacher in der Stadtchronik eingetragen sehen will, riskiert nun die Überschattung seiner durchaus nicht verachtenswerten Bilanz als langjähriger Bürgermeister von Linz mit einer Kapitulation vor der FPÖ - die nicht einmal 15 % der Wählerstimmen erhielt - der er die Sicherheitsagenda zuspricht und somit den sozialen Frieden der Stadt zugunsten einer Radau-Partei aufs Spiel setzt, ohne, dass er sich selbst dabei irgendeinen Gewinn versprechen könnte. Denn der Glaube, die FPÖ durch Einbeziehung in Regierungsverantwortung "entzaubern" zu können, sollte seit der Schüssel-Regierung deutlich überholt sein. Die Entzauberung währte nur wenige Jahre und war begleitet von massiven Schäden, die diese Partei in ihren Verantwortungspositionen Staat, Gesellschaft und Budget zugefügt hat. Mit Appeasement-Politik kann man populistische und rechtsextreme Hetze nicht entzaubern, das sollte spätestens seit dem zweiten Weltkrieg eine international bekannte und anerkannte Erkenntnis sein. Aber die ist in Linz vielleicht noch nicht angekommen, denn Linz wird nun wieder Provinz.
WiderstandsChronologie 21. Oktober bis 18. November 2024
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