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Samstag, 9. Oktober 2010

Ein paar Eindrücke vom FPÖ-Wahlkampf am Stephansplatz

Am Donnerstag, den 7. Oktober, drei Tage vor den Wiener Wahlen 2010, lud FPÖ-Parteiobmann Strache zur großen Schlusskundgebung auf den Stephansplatz, direkt vor dem Stephansdom. Etwa 1.500 Menschen fanden sich schließlich ein, als HC Strache gegen 18:30 Uhr zu seiner Rede antrat. Doch bereits 1,5 Stunden zuvor hatte der Frontman der "John Otti-Band", die in diesem Herbst offenbar jede Kundgebung Straches musikalisch begleitete (das ganze Programm einer typischen Cover-Band, von "Hang on Snoopy" bis zu "Ein Stern, der deinen Namen trägt" usw.), von "4000 bis 5000 sind bereits da" gesprochen, "und viele mehr werden noch kommen". Doch dass man es mit der Wahrheit nicht ganz so genau nimmt, wurde an diesem Abend noch an zahlreichen weiteren Beispielen eindrucksvoller bewiesen.

Erster Akt: die Linken

Als nach der Band Straches Einpeitscher (keine Ahnung, wie der heißt) die Bühne betrat, nahm man die anwesenden linken GegendemonstrantInnen zum Anlass, im Publikum mal für "ordentlich Stimmung" zu sorgen. Was sei bloß aus den Linken geworden, fragte er ins Publikum. "Früher" kamen noch zahlreiche Leute um gegen die FPÖ zu hetzen, aber heute hört man kaum noch Pfiffe von ganz hinten (was vielleicht auch daran liegt, dass die FPÖ mit ihren Securities, die wiederum die Polizei zu Hilfe holen, alle pfeifenden und "Buh" rufenden Menschen rasch entfernen und hinter eine Polizeikette verbannen lässt). Ja, schließlich machte sich der Redner "ernsthaft" Sorgen um die Linken, man müsse sie offenbar bald unter "Artenschutz" stellen. Heftiger Applaus und Gelächter im Publikum.

Dass er es mit der Besorgnis um die Linken doch nicht so ernst nahm, wurde aber schon in den nächsten Sätzen deutlich: Die arbeitsscheuen Linken würden "nicht duschen", "nicht arbeiten" und auf Kosten des Staates leben. Und überhaupt würden sie nur noch existieren, da sie vom "Futtertrog" der SPÖ ernährt werden. Da könne ein "Bürgermeister Strache" viel Geld einsparen. Und dann nochmal: Die Linken stehen spät auf, weil sie ja faul sind und nicht arbeiten, und eine Dusche hätten sie vermutlich noch nie von Innen gesehen. Das musste er nochmals erwähnen, um das Kapitel "Linke Hetzer" mit dem Spruch aller Sprüche zu beenden: "...aber ich sage euch eins, liebe Freunde, mir stinken die Linken!" - tosender Applaus, Gelächter, der Vorhang fällt, Ende der ersten Akts.

Gegner der Strache-FPÖ waren unerwünscht und wurden nach und nach entfernt:



Weitere Videos von der Kundgebung:
- Wer Strache nicht zujubelt, wird entfernt
- Gegendemo kommt an, Polizei marschiert ein und fordert Auflösung der Versammlung
- Zweite Gegendemo mit FPÖ-Anhängern direkt gegenüber
- Strache-Zitat: "Willst du eine soziale Wohnung haben, musst du nur ein Kopftuch tragen"
- Strache will "hunderte Millionen" bei SPÖ-nahen Vereinen sparen und vereinnahmt die Polizei

Zweiter Akt: FPÖ und die Polizei

Mittlerweile traf auch eine etwa 150 Teilnehmer starke Anti-Strache-Demo, die tatsächlich von SPÖ-Jugendorganisationen ausging, am Stephansplatz ein. Bereits deutlich länger befand sich dort auch eine Gruppe der Kommunistischen Jugend (KJÖ), die an einem Infostand unter anderem Parodien von FPÖ-Wahlplakaten präsentierte: etwa "Hatschi-Stratschis Luftballon", eine Abwandlung des ähnlich lautenden Kinderbuches. Nur, dass hier "Hatschi-Stratschi" (oder wie auch immer die Schreibweise war/ist) selbst "Opfer" des Ballonfahrers "aus dem Morgenland" wurde.

Je näher der Auftritt Straches rückte, um so voller wurde der Platz. Sowohl FPÖ-Anhänger als auch FPÖ-Gegner waren immer zahlreicher anwesend. Als Reaktion auf die eingetroffene Anti-Strache-Demo errichtete die Polizei eine Kette zwischen dem U-Bahn-Aufgang vor dem Stephansdom und dem Stephansdom selbst. Kurz darauf wurde noch ein Polizeiwagen dazu gestellt, der in den folgenden Minuten drei Mal durchsagte, die Demo sei eine unangemeldete Versammlung und habe sich zügig aufzulösen - was selbstredlich nicht geschah. Die Polizei verstärkte die Absperrung nun, vorübergehend schien es, als wolle die Polizei die Gegendemonstration unter "Anwendung von Zwangsmitteln" (wie das in der Amtssprache so schön heißt) auflösen. Doch da die Demo zwar laut, aber friedlich war, entschied man sich offenbar, sie zu tolerieren.

Der "Anheizer" der FPÖ hatte zwar im Zuge seiner Polizei-Lobes-Rede, noch bevor die Gegendemo eintraf, von einem "gewaltbereiten Mob" gesprochen, der die FPÖ bei öffentlichen Auftritten bedrohe und mit Flaschen und Gegenständen werfen würde (also sind die Linken jetzt artenschutzwürdig oder sind sie eine ernstzunehmende Bedrohung für die FPÖ?) - doch zum Glück habe Wien so eine anständige und fleißige Polizei, die die FPÖ vor diesen Leuten beschütze. Dafür sei ihr zu danken, und überhaupt würden Polizisten ständig zu Unrecht kritisiert, wie auch Strache später nochmals betonte. "Alle Parteien" würden immer sofort die Polizei attackieren, wenn bei einem Polizei-Einsatz ein "Krimineller" verletzt oder getötet würde. Ja, die Polizisten hätten heutzutage schon "Angst, die Waffe zu gebrauchen", so Strache später. Aber die FPÖ stehe voll und ganz hinter der Polizei und so weiter... Wie eng die FPÖ mit der Wiener Polizei kann, zeigte dann auch ein scheinbar wichtiger Einsatz eines Polizisten, der sich in hektischem Schritt durch die Menge vor der FPÖ-Bühne drängte, begleitet von einem in einer "AUF"-Jacke (Freiheitliche Polizei-Gewerkschaft) - kurz darauf kamen beide zurück, der Polizist mit einer Steige "Red Bull", der "AUF"-Gewerkschafter mit einer Steige Bier. Beides wurde in den Polizeiwagen bei der Polizeikette gebracht.

Im Laufe des Abends, als die Securities und die Polizei noch nicht alle Gegendemonstranten aus dem inneren des mittlerweile aufgezogenen Polizeikordons herausgedrängt hatten, gab es auch mehrmals Übergriffe durch (sehr) alte Männer, die einmal mit dem erhobenen Gehstock wütend die "arbeitsscheue" Jugend bedrohten, oder ein anderes Mal mit erhobener Hand (nein, nicht ausgestreckte; eher die (groß)väterlich drohende Detschn-Hand) und wüsten verbalen Beschimpfungen den Teenies nahegingen. Ansonsten blieben sowohl FPÖ-Anhänger als auch Gegendemonstranten friedlich. Ein paar Wortgefechte ausgenommen. Auch die zumeist glatzköpfigen Securities waren zwar streng und kamen den Strache-Gegnern am Rand des Publikumsbereichs auch sehr nahe, überließen die Rausschmeiß-Arbeit, sofern überhaupt nötig, dann doch der Polizei.

Lediglich am Ende der Kundgebung, als sich alles auflöste, gab es noch einen unschönen Zwischenfall, den ich beobachten "durfte". Zwei Mädchen verließen gerade die (Gegen-)Kundgebung und riefen noch einmal "Nazis raus" oder so ähnlich - woraufhin eines der Mädchen von einem großen Security am Arm gepackt und "zur Rede" gestellt wurde. So vonwegen, sie sollen verschwinden. Als sich die Mädchen aufregten ("lass mich los") und der Security aber nicht nachgab, kam ein jüngerer Security (einer von denen mit dem "Scorpions"-Logo), der dem Akzent zufolge Migrationshintergrund haben dürfte, und stellte sich schützend vor die Mädchen. Es entwickelte sich ein heftiges Wortgefecht zwischen dem scheinbar altgedienten FPÖ-Security, der sich selbst "Sicherheitschef der FPÖ" nennt und dem Jungen, der sich empörte, dass man so nicht mit Frauen umgehe. Man setze das bitte auch mal in Verhältnis mit der FPÖ-Kampagne "Wir schützen freie Frauen". Fragt sich, WER genau da eigentlich die Frauen schützt?



"Sicherheitschef der FPÖ" (Eigenbezeichnung) schubst Mädchen, junger Security mit Migationshintergrund schützt sie und wird dafür mit der Kündigung bedroht

Dritter Akt: Politische GegnerInnen

Bei der SPÖ und den Grünen scheint Strache nur jene wahrzunehmen, die seiner Ansicht nach Migrationshintergrund haben. Er mag es zum Beispiel nicht, dass die Grünen Österreich immer schlecht reden, und er konkretisiert das Wort "Grüne" mit "Korun, Vassilakou und Stojsits", die doch "nach Hause gehen" [!] sollen, wenn es ihnen "hier" nicht gefällt. Dass Terezija Stoisits im Burgenland geboren ist und Teil der seit Monarchie-Zeiten im Burgenland ansäßigen und anerkannten lokalen Minderheit der Burgenlandkroaten ist, scheint ihn dabei nicht zu stören. Meint er also, sie solle "zurück" nach Kroatien (was demzufolge alle Burgenlandkroaten, inklusive z.B. "Ostbahn-Kurti" Willi Resetarits, sollten), oder zurück ins Burgenland? Beides ist ziemlich absurd. Bei Jörg Haider hat sich auch nie jemand beschwert, er solle zurück nach Oberösterreich, oder Herbert Kickl zurück nach Kärnten. Dass Österreich natürlich auch für Korun und Vassilakou die Heimat ist, muss nicht extra erwähnt werden, aber da diese nicht in Österreich geboren wurden gilt das in der Logik der FPÖ und ihrer Wähler nicht als Argument gegen die "Heimkehr"-Aufforderung.

Auch das Parkplatz-Thema wurde angesprochen. Die Grünen kommen dabei natürlich nicht gut weg, denn sie wollen, so Strache, eine "Öffi-Pflicht" einführen.

Äußerst merkwürdig auch die Attacke auf "Petr" Baxant, der "aus Tschechien" stammt, was Strache übrigens "nur deshalb" erwähne, weil er "offensichtlich" den in seiner Kindheit vorherrschenden Kommunismus in sich aufgesogen habe (Zumindest seine Gymnasialzeit verbrachte Baxant laut Wikipedia in Klosterneuburg, sei nur mal angemerkt). Dass ein nicht unerheblicher Teil der Wiener, auch unter FPÖ-Wählern, tschechische Familiennamen haben scheint ebenfalls kein Hinderungsgrund zu sein, über "die Tschechen" zu lästern.

Außerdem: Seine politischen Gegner, wobei vor allem "die Linken" gemeint sein dürften, würden statt mit Argumenten immer mit haltlosen Behauptungen und der "linken Faschismuskeule" kommen, obwohl Strache ja nur die Wahrheit sage...

Strache, die SPÖ und der Antisemitismus

Herzig auch, wie vehement sich Strache gegen [!] Antisemitismus stark macht. Zumindest, wenn dieser beim SPÖ-Abgeordneten Omar Al-Rawi verortet wird, der laut Strache "aus Syrien oder dem Iran" kommt und auf der Wiener Ringstraße "mit Zehntausenden" (es waren ca. 5.000) "vorwiegend türkischstämmigen Wienern" gegen Israel gehetzt habe. Nein, sowas habe in Österreich keinen Platz, gibt sich Strache konsequent, in Österreich dürfe Antisemitismus keinen Platz haben. Das Publikum applaudiert, zumindest die Hälfte. Einer direkt vor mir stehenden Gruppe älterer Herren kostet diese Aussage aber nur ein verschmitztes lächeln. Applaus gibts von ihnen keinen. Und was den Umgang mit Antisemitismus innerhalb der FPÖ betrifft, scheint es Strache ohnehin nicht ganz so streng zu nehmen, wie mit Antisemitismus unter Türken.

Die Überfremdung und andere "Tatsachen"

Faksimile: Alexia Weiss in: Die Gemeinde, Nr 677, September 2010, S. 7

Nicht fehlen durfte natürlich auch das Thema "Überfremdung" - "Beweis" Nummer eins: 90 % der Kinder in den Volksschulen haben Migrationshintergrund. Ja, ob denn Wien noch unser Wien sei? Wohin das wohl noch führe? Wer solle Wien retten? Ja, es müsse auf jeden Fall gerettet werden...! "Unser Wien" müsse bewahrt, geschützt und verteidigt werden. Dass die Zuwanderung in den letzten zehn Jahren immer noch geringer war, als zu Zeiten der Monarchie, als hunderttausende Ungarn, Tschechen, Polen, Rumänen uvm. dauerhaft nach Wien übersiedelten, und dies keineswegs dazu geführt hat, dass Wien heute nicht mehr Wien wäre, wird nicht erwähnt. Aufgrund dieser Zuwanderung ist Wien heute "unser Wien", wie wir es kennen. Und die gegenwärtige Zuwanderung wird Wien um die eine oder andere Facette bereichern, aber die übrigen Wiener sicher nicht "weniger Wiener" werden lassen. Aber derartiges ist von Strache natürlich nicht zu hören.

Im Übrigen: Er habe ja nichts gegen "anständige Ausländer, die sich integrieren" - mal abgesehen davon, wenn diese Integration "illegal" erfolgt, wie man an den Fällen Zogaj, Komani und den vielen anderen, öffentlich weniger bekannten Fällen, siehen kann. Und dass Strache ständig nur jene Türken und Moslems erwähnt, die seiner Ansicht nach in Parallelgesellschaften leben würden, sich nicht integrieren würden, nicht deutsch lernen würden und antisemitisch seien, das scheint ebenfalls kein Widerspruch zu seiner "ich hab ja grundsätzlich nix gegen Ausländer"-Masche zu sein. Und einen "Zuwanderungsstopp" fordert er trotzdem ebenso, wie auch "Österreicher zuerst", wenn es um Gemeindebauwohnungen oder Kindergärten geht.

Ob das die Integration fördern würde, wenn Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen keine Kindergartenplätze kriegen, weil "Österreicher zuerst" rein dürfen, oder die Familien statt in leistbaren Gemeindebauten in billigeren Stadtteilen in Altbauwohnungen zusammengepfercht leben? Strache will also Ausländer, die sich integrieren - aber helfen will er ihnen dabei scheinbar nicht wirklich. Ganz im Gegenteil. Ausländer sollen diese und jene Pflichten erfüllen, und wenn nicht, sollen sie bestraft werden - sei es mit Entzug von Förderungen und Beihilfen oder gar mit Abschiebung schon bei der geringsten Straftat.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Freunde schützen: Kinder in Schubhaft – spontane Soli-Demo in Wiener Innenstadt

[Foto: Ausschnitt aus Video auf ichmachpolitik.at; CC by-nc-sa Stefan Deutsch]

Gestern Früh, 6:30 Uhr, wurden zwei achtjährige Kinder (in früheren Meldungen hieß es noch Neunjährige) gemeinsam mit ihrem Vater (die Mutter liegt wegen Suizidgefahr im Krankenhaus) von zivilen sowie uniformierten Polizisten der Fremdenpolizei und der WEGA festgenommen und in ein Schubhaftzentrum gebracht. "Anziehen und mitkommen", wurden die drei aus dem Schlaf gerissen (derstandard.at). Kaum noch eine Erwähnung wert, da bei frühmorgendlichen Abschiebungen in Österreich, zwischen 4 und 6:30 Früh, ganz normal: Die Kinder durften nicht einmal ihre Sachen einpacken (Kleine Zeitung). Sogar ein Stg77, ein Sturmgewehr, hatte zumindest einer der Beamten bei sich, als die Wohnung der drei künftigen "Schüblinge" betreten wurde.

Die bevollmächtigte Rechtsvertreterin der Familie Komani, Karin Klaric, wurde nicht als solche akzeptiert, obwohl sie den Beamten die schriftliche Vollmacht sogar vor die Nasen hielt. Die Familie Komani wurde ohne ihre Anwältin in das Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände gebracht.

[Foto: Die beiden Kinder im Polizeiwagen; CC by-nc-sa Stefan Deutsch]

Schließlich findet am Folgetag (7.10.) der nächste Frontex-Flug statt und es sind noch Plätze frei, die, wie wir mittlerweile alle wissen, aufgrund der hohen Kosten pro Flug auch gefüllt werden "sollten". Darauf ist Fekter stolz: Auf die professionellen, effizienten und vergleichsweise kostengünstigen Frontex-Abschiebeflüge, die Österreich zu einer beliebten Abschiebe-Drehscheibe für die gesamte EU machten. Schließlich muss mit unserem Steuergeld ja effizient umgegangen werden (ob es nicht effizienter wäre, gut integrierte, unbescholtene Bürger, die bestens deutsch sprechen einfach hier leben zu lassen, diese Frage kommt aus Angst vor Wahl-Gewinnen der FPÖ merkwürdigerweise niemandem in den Sinn. "Merkwürdigerweise" legt die FPÖ bei Wahlen aber trotzdem zu). Das ist auch der Grund, warum man nicht auf die "Genesung" der Mutter wartet. Zudem ist "der Zeitpunkt der Genesung ungewiss", wie die Vize-Präsidentin der Wiener Polizei die Abschiebung zum jetzigen Zeitpunkt unter anderem rechtfertigt (ZIB2, 6.10. (Youtube)). Anmerkung: Die Mutter wurde erst diesen Dienstag, also am Vortag, eingeliefert.

Um sicherzugehen, dass keine "linksextremen Terroristen" durch verbales Beschweren, filmen oder fotografieren die frühmorgendliche (immerhin nicht schon um 4 Uhr, wie auch schon oft genug geschehen, z.B. in Röthis) Amtshandlung sabotieren, waren auch Beamte des Amts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung anwesend. Die sind übrigens Stammgäste bei jeder Versammlung der Zivilgesellschaft (so nenne ich das), bzw. "[potentiellen?] Linksextremen" (so sieht das wohl ihre Chefin, Ministerin Fekter), daher erkennen sie viele auch sofort.

Die ganze Aktion war absehbar. Bereits vergangene Nacht wurde "Alarm ausgelöst" im "Freunde schützen"-Haus des vor kurzem neu gegründeten Vereins Purple Sheep. Unter den wenigen, die dem Alarm folgten und tatsächlich die Nacht in der Arndstraße 88 verbrachten, waren auch "Angehörige" von WienTV, das auch den ersten Videobericht nach der frühmorgendlichen Abschiebung veröffentlichte (Neunjährige Zwillinge mit Vater im Gefängnis). Die Wiener Zeitung lässt es sich übrigens nicht nehmen, über die Anwesenheit von WienTV und anderen Medien zu spotten: Würde nicht, wie schon bei den Zogajs, so ein "Medienrummel" um die Abschiebungen veranstaltet, hätte das Innenministerium ja "still und leise eine Lösung" finden können (!). Dass die Wiener Zeitung offensichtlich erst auf WienTV gesehen hat, was vor Ort eigentlich wirklich (abseits der Polizei-Pressemeldungen) geschehen ist, sagt sie natürlich nicht dazu.

Humanitäres Bleiberecht ist kein Recht

[Screenshot: (c) ORF, ZIB2, von tvthek.orf.at]


Was hat die Familie verbrochen? Nichts. Selbst der ORF zeigt mit einer anschaulichen Infotafel, dass die Familie alle Bedingungen des Humanitären Bleiberechts erfüllt. Doch: "Wenn das alles erfüllt ist, dann können die Behörden immer noch sein sagen", so der ORF.

Die ursprünglich "illegal" aus dem Kosovo geflohene Familie lebt seit sechs Jahren in Österreich, die Kinder sind hier aufgewachsen, die Familie ist unbescholten, gut integriert, sprechen ausgezeichnet deutsch, wie auch Armin Wolf in der ZIB2 betonte. Eigentlich eine Vorzeige-Immigranten-Familie. Doch das "Humanitäre Bleiberecht" ist kein Recht. Es gibt keinen Rechtsanspruch darauf. Die Behörden entscheiden letztendlich nach eigenem Ermessen, ob jemand aus humanitären Gründen bleiben darf, oder nicht. Und da diese Behörden dem Innenministerium unterstehen, dass eine klare Abschiebepolitik vorgibt, ist es kein Wunder, das 60 % der Anträge auf Humanitäres Bleiberecht, das sind 4.000 Fälle (Quelle: ZIB2, ORF, 6.10.2010), negativ beschieden werden. Ganz egal wie gut eine Familie deutsch spricht, wie brav sie arbeiten geht, wie gut sie integriert sind.

ORF und die Familie Komani

[Foto: Medien vor dem PAZ Rossauer Lände; CC by-nc-sa Daniel Hrncir]

Auch der ORF griff das Thema rasch auf und führte vor dem PAZ Rossauer Lände erste Interviews. Vor zwei Wochen hatte die ZIB2 noch den Umzug der Familie Komani ins damals neue "Freunde schützen"-Haus dokumentiert. Also berichtete die Zeit im Bild um 13 Uhr ("Schubhaft für Neunjährige" (Youtube-Link), Dauer 1:10), um 17 Uhr ("Heftige Kritik an Abschiebungen", Dauer 0:33), um 19:30 ("Dramatische Szenen", Dauer 1:38) und schließlich auch in der ZIB24, gegen Mitternacht ("Große Aufregung" (Youtube-Link), Dauer 2:12).

In der ZIB2 um 22 Uhr ("Kritik am Vorgehen der Polizei" (Youtube-Link), Dauer 9:37) lässt sich der ORF auch vom Neusprech der Polizei nicht beirren: "Weil man Kinder nicht einfach so in Schubhaft nehmen kann, nennt es die Polizei jetzt einfach anders – nämlich 'Festnahme zur Sicherung der Abschiebung' – kommt aber aufs Gleiche raus. Die Kinder sitzen hinter Gitter."

Ministerin Fekter wollte nicht in die ZIB2 kommen, da sie "Einzelfälle" nicht kommentiere (das mit den "Rehleinaugen" war wohl ebenso pauschal auf alle Asylsuchenden bezogen). Statt ihr kam die Vize-Präsidentin der Wiener Polizei, Michaela Kardeis, die die undankbare Aufgabe bekam, eine an Unmenschlichkeit kaum zu überbietende Handlung der Polizei zu rechtfertigen. Doch sie nahm die Aufgabe konsequent wahr und betonte, dass die Gesetzeslage nun mal so ist, wie sie ist. Sie erwähnte auch mehrmals bewusst, dass die Polizei die Gesetze schließlich nur "umzuschieben, äh, umzusetzen" (bei 6:05) habe, und dass diese im österreichischen Parlament beschlossen werden. Gesetze "umzuschieben", wenn es etwa um Landeshauptleute oder Journalisten geht, scheint kein Problem zu sein. Doch wenn es um zugewanderte Familien geht, die sich noch dazu einbilden, durch Integration der "Beendung ihres illegalen Aufenthaltsstatus" zu entgehen, da muss der "Rechtsstaat" hart durchgreifen.

Auf Fragen in die Richtung, ob Polizeibeamte oder sie selbst denn keine Bedenken hätten, auch aufgrund der Kritik, dass derartige Abschiebungen menschenrechtswidrig wären, ließ sie sich nicht ein. Nicht einmal indirekte Kritik wollte sie an der aktuellen Gesetzeslage bzw. Politik üben. Das Gesetz habe sich in der Praxis bewährt, antwortete sie kurz auf die entsprechende Frage.

Wenn achtjährige Kinder eine Bedrohung für die Republik Österreich darstellen

Dennoch offenbarte das Interview einige grundlegende Grausamkeiten, die die aktuelle Gesetzeslage in Österreich für den Umgang mit MigrantInnen vorsieht: Humanitäres Bleiberecht ist kein Recht, es ist Willkür. Und selbst wenn es gewährt werden würde, schaffen die Behörden mit vorschnellen Abschiebebescheiden oft vorzeitig "vollendete Tatsachen". Dass die Polizei menschenrechtlich gesehen nicht derart Familien zerreißen dürfe, wird auch von der Vize-Polizeipräsidentin mit dem einzig zulässigen Schlupfwinkel erklärt: die Abschiebung könne dennoch rechtlich korrekt erfolgen, wenn "es erforderlich ist, im Interesse des Wohles des Landes, der öffentlichen Sicherheit, Ruhe, Ordnung" (Zitat Kardeis, ZIB2, bei 6:50).

Dass diese unbescholtene Familie, deren Mutter bereits an den Rand des Selbstmords getrieben wurde (auch hier: unschöne Ähnlichkeit zum Fall Zogaj), abgeschoben wird, wird also mit der Bedrohung von Ruhe und Ordnung, der Bedrohung der "öffentlichen Sicherheit", ja einer Bedrohung für die Republik Österreich begründet! Merke: Flüchtlinge, Immigranten sind eine Bedrohung für dieses Land! So sieht es das Gesetz, auf jeden Fall aber seine Umsetzung in der Praxis.

Spontane Kundgebung

[Foto: Kundgebung vor dem PAZ Rossauer Lände gegen 18:30/19 Uhr; CC by-nc-sa Daniel Hrncir]

Im Laufe des Tages verbreitete sich die Kunde von dieser bevorstehenden, unmenschlichen Abschiebe-Aktion. Auf Facebook, Twitter, via Telefon und SMS wurde die Kunde von der Kundgebung um 18 Uhr vor dem Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände, wo bereits vor einigen Monaten die FC Sans Papiers-Soli-Demos abgehalten wurden, verbreitet. Einige Journalisten, Fotografen, der ORF sowie etwa 200 bis 300 DemonstrantInnen, inklusive mehrerer Grün-Politiker, folgten dem Aufruf. Und die Polizei folgte dem Gesetz: Gegen 19 Uhr wurde per Megaphon die Räumung der unangemeldeten Demo angekündigt. Teil dieser Tonband-Durchsage war auch, dass diese Versammlung eine "Bedrohung für die öffentliche Sicherheit" darstelle und, jetzt kommts, den Straßenverkehr behindere! (Die gesamte Durchsage im O-Ton auf diesem Video ab Minute 1:00) Ja, irgendwann lernt jeder guter Staatsbürger, dass in Österreich das Recht vom Recht auf freien Straßenverkehr und vom Recht auf freie Parkplätze abgeleitet wird.

Spontane Demo: Niemals stehen bleiben

[Foto: Nach mehrfacher Drohung der Auflösung der Kundgebung setzt diese sich via Kai in Bewegung; CC by-nc-sa Daniel Hrncir]

Außer lautstarkem Getöse und Buh-Rufen gab es jedoch keine Reaktion, auch nach der zweiten und dritten Ankündigung. Die Polizei stockte ihr (bescheidenes) Kontingent nach und nach auf. Einige Leute setzten sich auf die Straße. Als die Polizeikette mehrere Schritte nach vorne trat, setzte sich die Menge in Bewegung. Wie bei früheren unangemeldeten Demos hat sich auch hier wieder gezeigt, dass nur die Flucht nach Vorne bleibt: Immer in Bewegung bleiben! Das war dann auch das inoffizielle Motto der "unendlichen" Demonstration. Bloß nicht zu lange stehen bleiben, sonst wird gekesselt und es gibt eine Anzeigenflut. So zeigen es die Erfahrungen von früheren Demos gegen Abschiebungen, gegen Rechtsextremismus.

Seit der No-WKR-Demo im Jänner 2010 ist das Vertrauen in die Polizei bei Demonstranten ohnehin dahin. Damals wurden 677 Personen wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz angezeigt – obwohl laut Polizeiangaben nur 500 Personen an der Demo teilnahmen. Der Grund: es wurden rücksichtslos auch Büroangestellte am Nachhauseweg, verirrte Touristen, Lokal- und Café-Besucher und sogar Personen, die als letzte Kunden gegen 19 Uhr die Hofer-Filiale verließen, eingekesselt, teilweise bis 2 Uhr früh festgehalten (man ging die Sache gemütlich an, schließlich sollte nicht die Gelegenheit geboten werden, dass sich die "freigelassenen" Demonstranten anschließend wiederversammeln). Seither, und dazu muss man der Polizei wirklich gratulieren, fürchten viele Demonstrierende, bei jeder erstbesten Gelegenheit gekesselt, möglicherweise stundenlang festgehalten und auf jeden Fall wegen diverser "Vergehen" angezeigt zu werden. So viel zur Versammlungsfreiheit in Österreich, in Wien, 2010.

Folge dieser harten (wohl Fekter zuzuschreibenden) Politik, die eindeutig gegen "linke Demonstrationen" gerichtet ist (ungeachtet, ob die wirklich alle links sind oder sich einfach für Menschenrechte, für ihre Mitmenschen einsetzen) und zum Schutz des "rechten Establishments" (rassistische Gesetze, Burschenschafter-Bälle, rechtsextreme Demos, FPÖ-Veranstaltungen usw.) dient, ist unter anderem die Zunahme unangemeldeter, länger andauernder Demonstrationen auf spontan festgelegten Routen.

Demo-Verlauf

[Foto: Demo am Ring, Richtung Schottentor und Rathaus; CC by-nc-sa Daniel Hrncir]

Eine sehr laute Demo setzte sich in Bewegung. Etwa 300 Leute zogen über den Kai und die Maria-Theresien-Straße rauf zum Schottentor. Die Polizei sicherte die Straßen, der restliche Trott trottete hinterher. Ein paar haben sich auch in den VW-Bussen chauffieren lassen. Insgesamt aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu viele. Jedenfalls nicht im Vergleich zu früheren Demos, und seien es bloß unibrennt-Demos gewesen.

Ziel war das Rathaus, das man über die Ringstraße und jene Seitenstraße neben der Uni erreichte. Die Polizei, genauer gesagt etwa 8 bis 10 Polizisten, versuchten, den breiten seitlichen Zugang zum Rathausplatz "abzuriegeln", was natürlich kaum jemanden beeindruckte. Eine hölzerne, rot-weiße, hüfthohe Baustellenabsperrung (!) wurde sogar verwendet (oder sie stand schon da, ist letztlich egal) um den Gehsteig (der Straße vor dem Rathaus) abzusperren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kam erstmals die Frage auf, ob die Polizei vielleicht unterbesetzt ist an diesem Tag. Denn bei vergleichbaren illegalen Demos hat man es oft rasch mit mehreren Hundert Polizisten und Kolonnen aus Dutzenden VW-Bussen, ja sogar großen Polizei-"Reisebussen" zu tun (so etwa bei einer der letzten Anti-Abschiebungsdemos vor den Sommerferien, an der etwa 200 Personen teilnahmen).

Viele sind sich aber auch sicher, dass die Polizei, wären nicht grüne Nationalratsabgeordnete und der ORF da, deutlich härter vorgegangen wäre. Man erinnere sich an vergleichbare Aktionen im Zuge der FC Sans Papiers-Abschiebungen: Als sich nach einer unangemeldeten Kundgebung vor dem PAZ Rossauer Lände die Leute in Bewegung setzten, blieb die Polizei dran und zerschlug die Demo auf Höhe Schwedenplatz – die Menge zerstreute sich in den Gassen der angrenzenden Innenstadt.

Am Weg zum Rathaus wurde "Nieder, nieder, nieder mit der SPÖ" geschrien. Anschließend ging es an der ÖVP-Zentrale vorbei, und es hieß "Nieder, nieder, nieder mit der ÖVP". Ebenfalls "Spruch des Zeitpunkts": Vor der Wahl, nach der Wahl, kein Mensch ist illegal. Dass sich Häupl als Bürgermeister nicht zu den Abschiebungen äußert, oder nach Vorbild des Bürgermeisters von Röthis in Vorarlberg, sich schützend vor integrierte Familien stellt, nehmen ihm viele krumm. Woher der Hass auf die ÖVP kommt, muss wohl nicht extra erklärt werden.

Die am häufigsten gerufen Parolen waren ohnehin eher folgende:
- Erst freie Menschen, dann freie Straßen
- Say it loud, say it here [oder: clear], refugees are welcome here
- Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord, Bleiberecht für alle und sofort
- Um Europa keine Mauer, Bleiberecht für alle und auf Dauer

[Foto: Beinahe wäre das Innenministerium gestürmt worden; CC by-nc-sa Daniel Hrncir]

Über Auerspergstraße, Schmerlingplatz und Bellariastraße ging es dann wieder zum Ring. Ein Teil dachte, die SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße wäre das nächste Ziel, doch die Mehrheit bog Richtung Heldenplatz ab. Das Ziel war nun das Innenministerium, das via Ballhausplatz am Minoritenplatz erreicht wurde. Nach wie vor waren etwa 250 Personen anwesend, der Minoritenplatz wurde gestürmt. Mehrere Polizisten postierten sich eilig vor dem Eingangstor des Innenministeriums, das Tor schloss sich langsam. Da die Demo von der ersten bis zur letzten Sekunde friedlich war, reichten diese fünf Polizisten, um eine Stürmung des Ministeriums zu verhindern. Die neue Parole am Minoritenplatz lautete nun: "MigrantInnen bleiben, Fekter vertreiben".

Eigentlich wäre der Minoritenplatz ein guter Ort für eine Art Schlusskundgebung gewesen. Doch von allen Seiten wurden wir längst von VW-Bussen der Polizei umkreist, und der Minoritenplatz gibt an sich einen guten "Kessel" ab. Der erfahrenere Teil der Demonstranten war ziemlich unruhig und drängte darauf, weiterzugehen. Nach 5 bis 10 Minuten zog die Menge daher auch tatsächlich weiter – allerdings gab es nun kein Ziel mehr. Erste Diskussionen entstanden in der Herrengasse. Da es eine spontane, unangemeldete Demo war, gab es niemanden, der für alle gültige Entscheidungen treffen konnte, also standen wir alle etwas ratlos da. Am liebsten wären viele wohl am Minoritenplatz geblieben, bis die Sache sich von selbst aufgelöst hätte – so mein Eindruck. Doch wie gesagt, Stillstand kills, niemand will eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrechtes, niemand will in einem Kessel gefangen werden.

Schließlich ziehen wir über die Freyung zum Schottentor. Eine Art "Notplenum" wird mitten auf der Kreuzung abgehalten. Nach 10 bis 15 Minuten Diskussion über eine Auflösung der Demo verschwinden die meisten. Etwa 30 bis 50 Personen ziehen jedoch weiter über den Ring, zurück zum PAZ Rossauer Lände.

Ende der polizeilichen Geduld

Mitten auf der Ringstraße zog diese Gruppe also Richtung Alte Börse hinunter. Auch die Polizei schien sich kurz zu beraten, mit dem Entschluss, die Leute auf den Gehsteig zu drängen. Dies gelang mit etwa 20 Beamten eher schlecht, als Recht – die "Gruppe" war auch sehr weit verstreut unterwegs. Erst in der Maria-Theresien-Straße machte die Polizei ernst. Mit Polizeiwägen wurden die Menschen von der Straße gedrängt, unter Mithilfe von behandschuhten PolizistInnen.

Nach mehreren "Umstellungen" von etwa 20 Personen am Gehsteig – zwischendurch ging es immer wieder ein Stückchen weiter (die Polizei verzichtete offenbar auf eine konsequente Einkesselung). Vor der Rossauer Kaserne dann die letzte "Anhaltung". Mittlerweile versammelten sich auch immer mehr PolizistInnen in der Umgebung. Das Verhältnis kippte zusehends deutlich zugunsten der Polizei. Was das ganze noch für einen Sinn haben sollte, unangemeldet, umgeben von 50, 70 und mehr Polizisten, vor dem PAZ zu demonstrieren, wo wir einst nach Räumungsdrohung weggegangen sind, erschließt sich mir nach einer erfolgreichen Demo quer durch die Innenstadt zwar nicht mehr, doch hab ich auch den letzten Zug bis zu dieser Stelle noch, mit etwas Abstand, begleitet.

In etwas Abstand standen auch ein paar "alte Bekannte". Verfassungsschützer, wie mir bei früheren Demos erzählt wurde. Wenn man wissen will, ob der Staat eine Demo ernst nimmt, sollte man nach diesen Geichtern immer Ausschau halten. Je mehr, umso besser ;) Man kann sie auch ansprechen, was weniger scheue Teilnehmer an Demonstrationen auch manchmal machen. Ich gehöre allerdings nicht dazu. Dennoch hab ich sie über die Demo resümieren gehört. Der eine meinte zum anderen, es sei ja vollkommen OK und ein demokratisches Grundrecht, wenn "270 Leute" auf der Ringstraße demonstrieren. Aber wenn am Schluss nur noch "30 Leute" unbedingt weiterhin am Ring demonstrieren wollen, dann sei das einfach eine unnötige Schikane des Verkehrs – so die durchaus pragmatische Einstellung dieser Staatsbeamten zur Versammlungsfreiheit. Warum die Polizei diese Leute nicht einfach von der Straße nehme, wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung, war der letzte Satz, dem ich noch gelauscht habe.

Danach ging ich. Der "harte Kern" aus etwa 20 Personen, der zu diesem Zeitpunkt bereits von etwa 50 Polizisten umgeben war, erhielt schließlich Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Versammlungsfreiheit UND gegen die Straßenverkehrsordnung. Festnahmen gab es keine, so nochrichten, eine verlässliche Informationsquelle der Gegenöffentlichkeit auf Twitter.

Weitere Infos, Blogs, Videomaterial

Twitter:
- unter dem Hashtag #Abschiebung und/oder #purplesheep (nicht alle tweets verwende(te)n diesen Hashtag, aber viele), automatisch generierte Zusammenstellung der Links auf twazzup
- nochrichten auf Twitter: Chronik zur Demo (Achtung: wegen der täglich fortschreitenden Timeline nur in den nächsten Tagen ohne große Umstände nachsehbar)

Videos:
- ichmachpolitik.at: ungeschnittenes Video (31 Min) vom Eintreffen der Polizei und Mitnahme der Familie Komani (davon ein Zusammenschnitt, 2:16 Min)
- WienTV.org: ebenfalls von Anfang an vor Ort. Videobericht (bei Überlastung: Ersatzlink Youtube) von den Ereignissen gegen 6:30 Uhr
- Daniel Hrncir: "Abschiebungsdemo wegen Familie Komani" - geschnittenes Video von der gesamten Demo, sehr guter Überblick! (6:41 Min)

Fotos:
- kellerabteil auf flickr

Blogs (Stand: 7.10., 3 Uhr):
- bernhardjenny.wordpress.com: polizisten sind täter. kleine mädchen sind opfer. 6.10.
- franz-joseph.at: Abschiebung! Where the fuck is Häupl?, 7.10.
- haftwien.wordpress.com: Spontane Demonstration vor Schubgefängnis Rossauer Lände, 7.10.
- ... folgt noch? ;)

Montag, 12. Juli 2010

Anti-Repressionsdemo in Wien, 12. Juli 2010 - Solidarität mit den drei U-Häftlingen...

Am Montag, 12. Juli, fand eine kurzfristig anberaumte und angemeldete Demo gegen Repression in Wien statt. Unter dem Titel "Gemeinsam gegen Repression - Solidarität mit den drei in U-Haft sitzenden Personen" wurde gegen jüngste Razzien und Festnahmen der Polizei protestiert, die in ihrer Vorgehensweise stark an die Tierrechts-AktivistInnen-Causa erinnern.

Am 6. Juli wurden drei WGs in Wien von der Polizei gestürmt, dabei wurden drei Personen in U-Haft genommen. Zeitgleich, gegen 16 Uhr Nachmittag, wurde das Vereinslokal des Kulturvereins Kaleidoskop (der sich übrigens ausdrücklich auch gegen Polizei-Repression wendet, vgl. Juli-Programm-Flyer) auseinandergenommen. Die Beschreibung der Vorgehensweise der Polizei bei dieser Razzia erinnert eher an Einbruchsdiebstahl: Türe eingetreten und Schloss aufgebrochen, Computer, Festplatten und auch der Tresor und die Handkasse wurden neben anderen Dingen (wie z.B. Seifenblasenlauge [!?]) mitgenommen. Informiert wurde auch nach der "Tat" niemand, immerhin ließ man die Feuerwehr die Türe wieder verschließen.

Warum?

Der Vorwurf, der den drei Verdächtigen gemacht wird, lautet, dass sie an einer Aktion gegen das Arbeitsmarktservice (AMS) am 29. Juni 2010 beteiligt waren, bei der Mülltonnen angebrannt wurden. Der Verein "Kaleidoskop" soll der Polizei zufolge als Vorbereitungs-, Ausgangs- und Lagerort der Aktion gedient haben.

Welche Aktion?

Obwohl die in der Stellungnahme von Kaleidoskop genannten Links zu "mehr Infos dazu" auf mittlerweile gelöschte Indymedia-Seiten verweisen, lassen sich - auch auf Indymedia - rasch andere Quellen finden. Die aussagekräftigste ist wohl diese hier (linksunten.indymedia.org), da hier sogar Fotos und ein Video (das verlinkte Video auf vimeo wurde zwar auch bereits gelöscht, doch findet sich das vermutlich selbe Video auch direkt auf einem indymedia-Server) der "Tat", einer Art Brandanschlag auf Mülltonnen im Eingangsbereich des AMS, beinhaltet. Diese Aktion nannte sich "BRANDZEICHEN SETZEN! - Direkte Aktion beim Arbeitsmarktservice Redergasse in Wien" Das AMS wurde demnach als "zentrales Organ des Kapitalismus" zum Ziel, da dort Menschen zur Ausbeutung am Arbeitsmarkt diszipliniert würden.

So what?

Unabhängig davon, wer die Tat begangen hat, wie man zu diesem Brandanschlag (anders kann das wohl nicht bezeichnet werden) steht und wie sinnvoll es ist, als Täter oder eingebundener Zeuge Fotos und ein Video zu machen und diese auch noch auf mehreren Webseiten hochzuladen, muss man letztlich nüchtern feststellen: Die "Brandzeichen"-Aktion gegen das AMS ist rechtlich gesehen reine (wenn auch vorsätzliche) Sachbeschädigung. Aber seit wann wird man wegen Verdachts auf vorsätzliche Sachbeschädigung tagelang in U-Haft genommen? Überseh ich da als Nicht-Jurist etwas? [Nachtrag: Danke an die Juristen unter uns ^^]

Und mit welcher Begründung wird die U-Haft länger als zwei Tage aufrecht erhalten? Tatwiederbegehungsgefahr? Fluchtgefahr? ...spätestens ab jetzt wirds merkwürdig! Und ein Vereinslokal - das praktischerweise fast ums Eck liegt - soll die Basis für diese Aktion gewesen sein? ...spätestens jetzt riechts nach § 278a - Bildung einer kriminellen Aktion! Offenbar zielt das Vorgehen der Polizei (Staatsanwaltschaft) auf diesen Paragraf hin ab. Sachbeschädigung als vergleichsweise banales Delikt reicht dem Staat nicht aus. Er will nicht die Tat ahnden, er will die politisch motivierten TäterInnen dauerhaft aus der Gesellschaft entfernen.

Ein solch energisches Vorgehen gegen politisch motivierte "Delikte" legt der Staat selten an den Tag, wenn die Täter gegen Minderheiten, Linke oder - ja, auch hier - den Staat vorgehen und agitieren. Ob es dabei die "richtigen" trifft, diese Frage stellt sich für die Behörden bei Linken gar nicht. Der Verein liegt ums Eck, die Leute sind links - ab in den Knast, da lässt sich schon was konstruieren... Notfalls reichen ja auch fehlende Beweise als Beweis, wie man im TierschützerInnen-Prozess staunenden Auges mitverfolgen darf.

zunehmende (?) Repression unter Fekter - überall

Folgerichtig stellten die Initiatoren der Demo, dem Vernehmen nach das dem Verein Kaleidoskop übergeordnete Kunst-, Kultur- und Medien-Netzwerk KuKuMA, eine Verbindung zwischen anderen Repressionsfällen, insbesondere in Bezug auf Paragraf 278a, und den jüngsten Razzien her, wie etwa den harten Urteilen gegen Anti-Fekter-DemonstrantInnen in Salzburg, denen "schwere Körperverletzung" (jede Berührung mit einem Polizisten (was als Rempeln oder Schubsen ausgelegt werden kann und oft auch wird) ist rechtlich gesehen "schwere Körperverletzung", "leichte" gibt es hier nicht!) angedichtet wurde, die Gewaltorgie gegen 1. Mai-DemonstrantInnen in Linz 2009 (in der Folge wurde auch hier jenen, die man wahllos aus der Menge gezerrt hat, "Widerstand gegen die Staatsgewalt" und "Schwere Körperverletzung" vorgeworfen, jedoch wurden letzendlich alle frei gesprochen), der stundenlangen Einkesselung und Anzeigen-Sintflut gegen 673 Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer der NO-WKR-Ball-Demo, die bekanntlich auf "Anweisung von oben" derart massiv unterdrückt wurde, oder auch zuletzt die Vorfälle an der "Goodbye Daddy's Pride"-Demo... näheres zu diesen Zusammenhängen und eine Übersicht über jüngste Anti-Repressions-Demos und -Aktionen auf Indymedia.

Demo

--> mehr Fotos hier

[Bild rechts: Immer mit dabei, die Zivi-Kieberei...]
Die Demo selbst ist (zum Glück) in wenigen Worten abzuhandeln, da sie friedlich und ohne jeglichen Zwischenfall verlief. Die Polizei verzichtete ebenso auf Provokationen wie auch (selbstverständlich) die TeilnehmerInnen der Demo. Da die für 16 Uhr angekündigte Demo aber erst um 17 Uhr startete und nach 18 Uhr das PAZ Hernalser Gürtel erreichte, hatte es die Polizei etwas eilig, die DemonstrantInnen von der Straße zu bringen (entweder war die Demo planmäßig nur bis 18 Uhr angekündigt oder die Polizei wollte generell den (Abend-)Verkehr(sterror) am Gürtel nur so kurz wie möglich aufhalten), was aber reibungslos verlief - schließlich war die Wiese im Schatten des Gürtelbogens ohnehin attraktiver als das aufgeheizte Pflaster und eigentlich war, der Ankündigung zufolge, schon für 18 Uhr der Beginn der After-Soli-Party im TüWi geplant (wohin viele auch rasch abzogen).

Um 16 Uhr befanden sich erst wenige Personen, etwa ein bis zwei Dutzend, am Treffpunkt am Schottentor, vor der Uni. Erst gegen 16:30 schien das Potential einer kurzfristig anberaumten Soli-Demo an einem heißen Sommernachmittag in der zweiten Ferienwoche ausgeschöpft zu sein, als etwa 75 Personen da waren. Als die Demo kurz nach 17 Uhr los zog, waren es schließlich über 150 Personen, was für eine gute Organisation, Vernetzung und Vorbereitung spricht - wenn man diese Demo mit anderen, zumeist wesentlich länger und umfangreicher angekündigten, der jüngeren Zeit vergleicht. Ebenfalls (leider) keine Selbstverständlichkeit (wie man zuletzt am Bildungsaktionstag im Juni an der Kundgebung vor dem Parlament und der anschließenden Demo gesehen hat): es gab Transparente, und zwar einige und aussagekräftige. Auch Flyer gab es mehr als genug, mit denen insgesamt ca. mehrere Hundert interessierte Passanten informiert wurden.

Die durchgehend von mehr oder weniger vielen Personen gerufenen Parolen lauteten u.a. "Solidarität muss Praxis werden - Feuer und Flamme den Repressionsbehörden" und irgendwas, das mit mit "...Freiheit für alle politischen Gefangenen" endete (wobei auf Intervention einzelner das "politischen" aus der Parole entfernt wurde). Je näher die Demo zum PAZ Hernalser Gürtel zog, desto öfter waren auch Anti-Abschiebungs-Parolen zu hören, etwa gegen die "Festung Europa", "no border, no nation, stop deportation" und am Hernalser Gürtel schließlich auch - wir erinnern uns - "solidarité avec des sans papiers".

Das sichtbare Polizeiaufgebot war vergleichsweise gering. Ein halbes Dutzend Kleinbusse, ein paar Streifenwägen, ein paar Motorräder. Insgesamt vielleicht 50 bis 100 PolizistInnen. Kein Vergleich zu früheren, ähnlich großen Demos. Die Polizei hat vermutlich - wie auch ich - mit deutlich weniger DemonstrantInnen gerechnet. Eine kürzlich stattgefundene Anti-Rep-Demo in Wien, an der ich nicht war, soll etwa 50 Personen gezählt haben.

Die Demoroute: Vom Schottentor über die Alserstraße zum Landesgericht, gegen den Uhrzeigersinn 1,5 Mal ums Landesgericht, dann die Florianigasse und Skodagasse zur Josefstädter Straße, von dort schließlich zum Gürtel mit Ziel PAZ Hernalser Gürtel. Dort angekommen war die Demo gegen 18:20 Uhr, um 18:30 war die Fahrbahn auch schon wieder frei.

Sonntag, 2. Mai 2010

Der 1. Mai in Linz - Fokus: Exekutiveinsatz

Nachdem es letztes Jahr beim alternativen Mai-Aufmarsch von u.a. der kommunistischen Jugend zu gewalttätigen Zwischenfällen mit der Polizei kam, nachdem diese vermummte TeilnehmerInnen einkesselte und schließlich mit Gewalt willkürlich einzelne Personen aus der Menge zerrte, was vielfältig dokumentiert und für entsprechende Aufregung weit über Linz hinaus sorgte, entschloss ich mich, dieses Jahr selber erstmals einen Mai-Aufmarsch zu besuchen.

Nachdem der offizielle, sozialdemokratische, Aufmarsch gegen 11 Uhr am Hauptplatz eintraf, startete der "alternative 1. Mai"-Aufmarsch etwas später, gegen 11.30 Uhr. Beim Treffpunkt im Volksgarten schätzte ich die Menge auf etwa 300 Personen, was (wieder mal) mit der Polizeischätzung (die ich da noch nicht kannte) übereinstimmt. Andere Teilnehmende sprechen von bis zu 800 Teilnehmern. Gut möglich, dass es mehr als 300 Personen waren, zumindest nach Beginn des Marsches Richtung Hauptplatz. 800 dürfte aber auch etwas zu hoch geschätzt sein.

Rückblick 2009

Die Demo verlief dieses Jahr besonders ruhig, nachdem die Vorfälle des Vorjahres die Polizei in ein äußerst schlechtes Licht gerückt haben, nicht zuletzt, da mit dem Vize-Rektor der Kunstuni offensichtlich kein vermummter Chaot festgenommen wurde. Dieser konnte auch vor Gericht glaubhaft nachweisen, dass er eigentlich gar nicht an der Demo teilgenommen hatte, aber nach der Einkesselung dieser Demo sich vom Hauptplatz aus auf den Weg zur Demo machte, und just bei seinem Eintreffen zu sehen, wie eine Bekannte grob von der Polizei behandelt wurde. Als er sich erlaubte, der Polizei zuzurufen, dass sie nicht so grob sein sollen, wurde er schneller unsanft festgenommen, als er schauen konnte. Schließlich sah er sich Vorwürfen wie Widerstand gegen die Staatsgewalt konfrontiert und hatte, wie einige andere Teilnehmer auch, sich vor Gericht zu verantworten. Bis auf einen Fall endeten alle Verfahren in erster Instanz mit Freisprüchen - ebenso auch die Verfahren gegen einzelne Polizisten, denen übertriebene Gewaltanwendung vorgewurfen wurde (was soll das hier sonst sein? Übrigens scheint sich auch hier wieder zu zeigen, wie sehr der ORF unter der politischen Fuchtel steht), was die Richter aber anders sahen. In einem Urteil erlaubte sich ein Richter (oder Richterin?) sogar die groteske Begründung, "ein Polizist würde doch nicht lügen" (sinngemäß zumindest), also im Zweifel eben für die Polizei, Faktenlage hin oder her! Hintergründe und Details zu den Verfahren wurden u.a. hier veröffentlicht: http://antifa.servus.at

Lehren für 2010

2010 zogen daher alle Beteiligten folgende Lehren: Keine Feuerwerkskörper seitens der DemonstrantInnen, keine "herkömmliche" Vermummung: Stattdessen ein kreativer Verkleidungs-Workshop, um auf die Absurdität des Eskalations-Anlasses im letzten Jahr hinzuweisen: nämlich, dass einige TeilnehmerInnen mit Sonnebrillen und Kapuzen ihr Gesicht teilweise versteckten. Solche DemonstrantInnen waren zwar auch dieses Jahr zu sehen, aber offenbar schätzte die Polizei in diesem Fall einen friedlichen Verlauf der Demo doch höher ein, als "auf Teufel komm raus" den offensichtlich ungefährlichen "Vermummten" ihre Maskerade zu verbieten. Außerdem waren dank des Workshops zahlreiche TeilnehmerInnen mit Perücken, aufgeklebten Schnauzbärten, Schminke usw. nahezu barock, oder eher: grotesk, verkleidet. So auch die subversiven Cheerleaderinnen, die mit rosa Outfit und hässlichen Schnauzbärten Anti-Nazi-Chöre intonierten und dazu Tanzbewegungen ausführten ("to the left, to the left, and never to the right ...").

Bis auf die subversive Clown-Truppe, die ein paar uniformierten Beamten gehörig auf die Nerven gegangen sein dürfte (was diese bemüht tolerant ignorierten), da sie sich ihnen immer wieder in den Weg stellten und einmal sogar - kindergartenmäßig, Hand in Hand - einkreisten, gab es keinerlei Aktivitäten seitens der Demonstranten, die polizeilich als Provokation gewertet werden könnte. Und jene paar "Halbvermummte" (Sonnenbrillen usw.), die an zwei Stellen im Demo-Zug als kleine Grüppchen anzutreffen waren, wurden von Exekutivbeamten mehr auffällig als unauffällig gefilmt, fotografiert und nie aus den - zahlreichen - staatlichen Augen gelassen. Womit wir schon beim nächsten Punkt wären:

Skurrile Exekutive

Sehr skurril präsentierte sich die Polizei bzw. die Staatspolizei an der Demo. Gaben Medienberichte (Gratiszeitungen, Boulevard) mit ihrer Nachricht, ein junger Polizei-Offizier solle dieses Jahr den Polizeieinsatz an der Demo führen, Grund zur Sorge, die Polizei würde sich auch dieses Jahr wieder ungeschickt verhalten, zeigte sich vor Ort ein deutlich entspannteres Bild: Die Polizei war nur mit wenigen sichtbaren Beamten vor Ort, praktisch die gesamte "Infanterie" war auf Abruf im Viertel zwischen Neuem Dom und Bahnhof "versteckt" - sie wurde jedoch nicht herangezogen und auch nicht benötigt.

Das skurrile am Ganzen ist aber der massive Einsatz von "Undercover"-Beamten, wobei natürlich für mich als Außenstehenden nicht klar ist, ob diese nun von der Polizei, Staatspolizei oder von sonst wo sind. Jedenfalls fielen sie als äußerst ungeschickt getarnt auf. Ich erlaube mir, den staatlichen Mitlesern hier ihre Tarnungsfehler aufzuzeigen, in der Gewissheit, dass sie an ihrer "Tarnung" ohnehin nichts ändern werden. Und jene gut getarnten Beamte, die aufgrund der Fülle an schlecht getarnter Beamte vermutlich auch in der Menge steckten, sind mir ohnehin nicht aufgefallen. Im Vertrauen auf ein gewisses Mindestmaß an Professionalität der staatlichen Sicherheitsorgane gehe ich aber davon aus, dass ich nicht alle zivilen Ermittler erkannt habe, und auch, dass jene schlecht getarnten Beamte womöglich ganz bewusst nicht unauffälliger in Erscheinung traten - vielleicht wollten sie sich ja doch irgendwie abschreckend für die Demo-Teilnehmer erkennbar machen, ohne gleichzeitig Medien und Zusehern den Eindruck eines massiven Polizeieinsatzes zu vermitteln.

Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, warum Zivil-Cops ihre antiken Funkgeräte samt pompöser Verkabelung so lässig aus ihren Jacken schauen lassen, ihre Ohr-Empfänger nicht besser verstecken (wie wärs mit großen Sombreros oder blumenbestückten Strohhüten?) oder so extrem auffällig die ganze Zeit gewisse Personenkreise anglotzen - oder das Gegenteil - während der gesamten Dauer der Demo sich immer an gewissen Personen orientieren, aber diese nie anschauen, sondern ganz "natürlich" die ganze Zeit miteinander plaudern, Zigretten rauchen und Eis essen - und ganz teilnahmslos die gesamte Demo von früh morgens an begleiten, ohne offensichtlich irgendwie damit zu tun zu haben.

Vorbild: Beastie Boys - Sabotage?

Ein richtiges Beastie Boys-Sabotage-Beispiel gab der "spektakuläre" Schichtwechsel an der Haltestelle Goethekreuzung, respektive im Volksgarten ab. Nachdem sich zwei der vier, laut erfahrenen Demonstranten Stapo-Beamte, schon "unauffällig" in den startenden Demo-Zug begeben haben, gingen die anderen zwei, um als vierer Gruppe nicht aufzufallen, in die andere Richtung, in den Volksgarten, Richtung Demo-Ende. Dort gingen die offenbar nach Vorbild des besagten Beastie Boys-Videos gekleideten StaPos, alle Anwesenden keines Blickes würdigenden, Richtung gegenüberliegenden Park-Ausgang um dann hinter den Bäumen irgendwo in einem Auto zu verschwinden. Während ich mich schon wunderte, warum die zwei Beamte gerade zu Demo-Beginn gehen sollte, näherte sich die Antwort, beinahe die Wege der Kollegen kreuzend, von der anderen Seite: Zwei relativ junge (knapp 40?) Kollegen mit der Ausstrahlung von Streetworkern (Jeans, betont lässige Jäckchen und Umhängetaschen) dem Demo-Ende, um fortan der Demo bis zum Hauptplatz an immer der selben Stelle (zuerst knapp hinter der Demo, dann daneben) zu folgen. Die ganze Zeit über schienen sie sich kein bisschen für die Demo interessieren - sie haben sie so gut ignoriert, als einzige weit und breit, dass es schon wieder auffällig war. Während Passanten stehen blieben und kurz der Demo lauschten, oder stattdessen eilig vorbeigehen, und während alle Teilnehmer oder Mitläufer der Demo aufgrund ihrer Blicke, ihres Verhaltens, auch als solche zu erkennen waren, blieben die beiden "Streetworker" cool in ihren Dialog-Rollen stecken, begleiteten die ganze Demo, stets die Demo ignorierend. Damit das ganze nicht auffällt, haben sie, abgesehen von ihren gelangweilt, beiläufig wirkenden Gesprächen noch ein paar Ideen vorgesehen: Die ersten 10 Minuten rauchen sie genüsslich eine Zigarette, die nächsten 10 Minuten verzehren sie gemütlich einen am Weg gekauften Eis-Becher (danach hab ich mich nicht mehr für sie interessiert).

Viel uncooler waren aber jene aus Sabotage-stammenden Typen, die allen ernstes mit Leder-Jacken, Jeans-Jacken und Mänteln, wahlweise im ungepflegten 3-Tage-Bart-Stoppelglatze-Schwerverbrecher-Stil oder im schnauzbärtigen 70er-Jahre-Detektiv-Stil, die Demo begleiteten. Zumeist in 2er-Teams unterwegs, gab es auch ein 3er- oder 4er-Team, nämlich jenes, das ganz vorne an der Demo das kleine vergnügt herumhüpfende Grüppchen Punks filmte und fotografierte, andere Kollegen hatten historisch-große Funkgeräte in der Jackentasche und vereinzelt auch Headsets bei sich.

Was das ganze noch skurriler macht: Irgendwie dürfte einigen von denen nicht entgangen sein, dass ich sie die ganze Zeit beobachte - und so erntete ich gelegentlich misstrauische Blicke, die einmal "Was macht der?" zu fragen schienen, ein anderes Mal ein nachdenkliches "Ist das ein Kollege?".

Insgesamt habe ich etwa 10 Zivil-Beamte als solche erkannt. Bei der Größe der Demo (unterwegs dehnte sie sich ganz schön aus) und der Anzahl der offensichtlichen Zivil-Beamten ist aber davon auszugehen, dass noch einige mehr im Dienst waren - mal abgesehen von jenen, die in ihren Autos irgendwo in der Umgebung rumsitzen und -fahren. Fazit: Ein Großeinsatz von Zivil-Fahndern sondergleichen, der mir in diesem Ausmaß an noch keiner (vergleichbar großen) Demo aufgefallen wäre. An diesem 1. Mai 2010 konnte die StaPo wohl wieder höchst erfolgreich zahlreiche Personenakten ausbauen und neue anlegen. Ein Hoch auf die Bespitzelung der Zivilgesellschaft! Und respect für die, wenn vielleicht auch nicht ganz freiwillige, Transparenz bei dieser Bespitzelung! So macht Beobachten der Beobachter Spaß!

Weitere Fotos vom Alternativen 1. Mai in Linz:
- http://www.flickr.com/photos/sooperkuh/4568183909

[Foto by außerirdische sind gesund auf flickr, lizenziert mit CC-by-2.0]
 
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