Freitag, 19. Dezember 2008

Was in der Medienberichterstattung auf der Strecke bleibt


Maritimer Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien. Slowenien, das über nur wenige Kilometer Küste zum Mittelmeer (Adria) verfügt, dort aber einen (umso wichtigeren) Hafen (Koper) betreibt, beansprucht einen größeren Teil der Bucht von Piran sowie einen freien Zugang zu internationalem Gewässer. Kroatien blockiert sein Jahren; die aus der Zeit Jugoslawiens stammenden, einst unbedeutenden inländischen Seegrenzen, würden durch einen baldigen EU-Beitritt Kroatiens quasi festzementiert. Slowenien hat daher, nicht zuletzt im Interesse der EU, die Konflikte zwischen Mitgliedsländern sicher nicht importieren will, Veto gegen die Fortführung der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien eingelegt - und wird dafür von Kroatien, aber auch (österreichischen) Medien heftig kritisiert.

Konkret beziehe ich mich auf die Zeit im Bild (ORF 2, 19.30h, 18.12.2008): Dort wird der Beitrag über den slowenisch-kroatischen Grenzstreit eingeleitet mit den Worten "Kroatien spricht von Erpressung, die EU-Kommission ist verärgert"; auch der weitere Bericht stellt die ganze Causa als "strategisch wohl überlegt" dar und suggeriert, dass Slowenien eigentlich nur Ärger wolle und Kroatien unschuldiges Opfer einer slowenischen Intrige ist. Relativierende Aussagen, wie die Bedeutung (wirtschaftlich, psychologisch) eines freien Zugangs zur offenen See für Slowenien, sind nicht zu hören.

Auch ARTE-Info, zum Teil auch auf den Standard, der die Causa mit "EU-Beitritt: Slowenien blockiert Kroatien" betitelte, sprechen/schreiben in erster Linie von der Verzögerung der EU-Beitrittsverhandlungen, der Kroatien dadurch entsteht, und der Empörung über Slowenien von Seiten Kroatiens, der EU-Kommission und Verbündeter Kroatiens, wie etwa Österreich, dessen neuer Außenminister Spindelegger Worte des tiefen Bedauerns für diese Verzögerungen findet, aber offenbar kein Verständnis für Slowenien.

Tenor der Medien ist, sofern ich deren Berichterstattung mitverfolgen konnte (ORF, ARTE, zum Teil Der Standard), dass es eine Unart Sloweniens sei, sein Veto-Recht aufgrund von Streitigkeiten mit Kroatien auf EU-Ebene als Druckmittel einzusetzen. Der Kern des Problems, dass Slowenien zwar eine Küste und einen internationalen Hafen hat, aber keinen Zugang zu freiem, internationalem Gewässer, wird als Randerscheinung behandelt. Schiffe, die also den slowenischen Hafen von Koper ansteuern, müssen Gebühren für die Durchquerung von wahlweise kroatischem oder italienischem Hoheitsgewässer berappen. Denn in der Adria grenzt Kroatien direkt an Italien - Slowenien wird dabei übergangen. Der Hafen ist maritim gesehen somit eine Enklave. Die See-Grenzen sind in der Zeit Jugoslawiens begründet, als sie lediglich inländische, unbedeutende Verwaltungsgrenzen darstellten.

Slowenien fordert daher zurecht einen Verbindungskorridor zwischen seinem Hoheitsgebiet und dem internationalen Gewässer. Kroatien - mit eigenen Häfen natürlich in Konkurrenz zu Slowenien - dessen Hoheitsgebiet zur See einem solchen wenige Kilometer langen und schmalen Korridor weichen müsste, verhindert dies seit Jahren und offenbar scheint es kein Interesse daran zu haben, daran etwas zu ändern. Slowenien bleibt also nichts anderes über, als der Causa auf EU-Ebene neues Gewicht zu verleihen, um die Absurdität des kroatischen Blockade-Spiels aufzuzeigen. Dass Slowenien auch noch einen größeren Teil der Bucht von Piran fordert wird wohl kaum der Punkt des Scheiterns sein. Vermutlich dient diese Forderung lediglich, um Kroatien Verhandlungsspielraum zu gewähren, sodass Kroatien im Falle einer Lösung bezüglich dem internationalen Korridor zumindest einen Erfolg bei den Hoheitsansprüchen auf die Bucht von Piran vorweisen könnte.

Dass Österreich in diesem Streit wieder ein Mal deutlich für Kroatien Partei ergreift, ist ein falsches Zeichen. Kroatien ist zwar das größere und wirtschaftlich für österreichische Unternehmen bedeutsamere Land, aber der slowenische Hafen Koper hat für international agierende österreichische Unternehmen ebenso große Bedeutung. Eine diplomatischere Vorgangsweise würde dem neuen Außenminister Spindelegger in dieser Causa gut anstehen. Wobei betreffend Diplomatie gerade die Vorgängerin, die langjährig erfahrene Plassnik, um nichts rücksichtsvoller war. Ganz auf Linie der ÖVP machte sie sich scheinbar bedingungslos für eine rasche Aufnahme Kroatiens in die EU stark.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Na, dann könnte ja jeder kommen der kein freien Zugang zum offenen Meer hat und ein Teil fordern, der rechtlich nunmal nicht ihnen gehört. Kroatien hat absolut recht. Und im int. Seerecht ist es nun mal auch so festgelegt. Das sind Fakten. Nichts anderes.

Jonas Reis hat gesagt…

Slowenien hat allerdings Küste; jedes Land das (Meeres-)Küste hat, hat üblicherweise Zugang zu internationalem Gewässer, ohne fremde Gewässer durchqueren zu müssen.

 
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