Mittwoch, 5. Mai 2010

Weitere Kundgebungen gegen Abschiebungen

Nach der spontanen Blockadeaktion am Hernalser Gürtel (DO, 29.4.2010), gegen die Abschiebung von Spielern des FC Sans Papier die seit 2002 bzw. 2004 in Österreich lebten (FMO berichtete, siehe auch Wien Heute vom 30.4.2010 sowie die ausführliche Dokumentation und Reportage von Wien TV (ca. 8 Min)), kam es Freitag-Mittag erneut zu einer kurzen, jedoch kaum besuchten, da unzureichend kommunizierten Kundgebung vor dem PAZ Rossauer Lände.

Am Samstag den 1. Mai gab es laut Berichten von Anwesenden jedoch gleich drei Kundgebungen, eine Vormittags, eine Mittags/Nachmittags und eine gegen Abend. Alle drei wurden binnen kurzer Zeit polizeilich aufgelöst bzw. lösten sich nach Eintreffen der Polizei selbst auf. Eine dieser Kundgebungen war beim Omofuma-Denkmal vor dem Museumsquartier mit etwa 100 bis 200 Leuten. Dort entstand nach einer Weile ein großes Polizeiaufgebot und ein Kessel, der aber nach ausbleibender Eskalation rasch wieder aufgegeben wurde. Über die anderen beiden Kundgebungen ist mir nichts bekannt, außer, dass sie stattgefunden haben. Indymedia berichtete allerdings: "Massive Repression beim Markus Omofuma-Stein" (war gegen 13 Uhr) - danach "Kundgebung und Polizeirepression vor Wiener Häfn" (danach, gegen 15:30 Uhr) und über die erste Kundgebung am Vormittag dürfte dieser Fotobericht auf Indymedia sein.

Sonntags und Montags dürfte es ruhig geblieben sein. Die nächste große Aktion fand am Dienstag statt:

Demonstration am Dienstag, 4. Mai

Mit Flyern und über das Internet wurde unter dem Motto "Solidarité avec les sans papiers" sowie "No Border, No Nation, stop Deportation" zu Aktionstagen gegen die Abschiebungen am 4. und 5. Mai aufgerufen. Indymedia berichtete den ganzen Tag mit Live-Ticker.

Die erste Kundgebung startete gegen 12 Uhr vor dem PAZ Rossauer Lände. Etwa 70 bis 100 Leute waren versammelt, als nach 12:30 die Gruppe vom Platz/Radweg an der Kreuzung die Straße zu blockieren begann.

Gegen 13 Uhr wollte die Polizei die Versammlung, die "angekündigt, aber nicht angemeldet" war, auflösen. Etwa 30 bis 50 Polizisten waren zu diesem Zeitpunkt anwesend. Diese Gruppe von Polizisten bewegte sich vom PAZ Richtung Versammlung zu. Doch noch bevor die Auflösung per Megaphon durchgesagt werden konnte, entschloss sich das Über-Ich dieser Versammlung, sich in Bewegung zu setzen. Die verdutzten Polizisten blieben vorerst zurück, die Kundgebung setzte sich den Donaukanal entlang in Bewegung - ohne Polizeibegleitung und in direkter Konfrontation mit hektischen Autofahrern.

Mehrere Kreuzungen wurden so passiert, nur wenige Autofahrer waren einsichtig genug, die Seite des Donaukanals zu wechseln. Stattdessen fuhren die meisten dicht an die Fersen der letzten Demo-Teilnehmer heran - darunter auch der Flughafen-Bus (!) der vom Westbahnhof zum Schwedenplatz unterwegs war.

Die Demo bog bei der Urania auf den Ring ab (Die Zeitung ÖSTERREICH, die offensichtlich nicht vor Ort war, druckte am nächsten Tag in der Zeitung einen Stadtplan ab, auf dem die Demoroute über den westlichen Ring (via Schottentor) eingezeichnet war. That is not correct!)

Die Polizei begann erst nach dem Schwedenplatz die Kreuzungen mit Motorrädern vorübergehend für den Verkehr zu sperren, und erst am Ring wurde die Demo mit Motorrädern und Einsatzfahrzeugen vorne und hinten "abgesichert". Bis zuletzt änderte sich am Vorgehen der Polizei nichts mehr, die Demo wurde offensichtlich toleriert. Der Demo schlossen sich bis zum Schwarzenbergplatz etwa zwei Dutzend FahrradfahrerInnen an, insgesamt vergrößerte sie sich auf über 200 TeilnehmerInnen.

Die Demo-Route im Überblick: Rossauer Lände - Urania - Ringstraße - Schwarzenbergplatz - Schloss Belvedere - Südbahnhof - Laxenburger Straße - Asylgerichtshof. Wegzeit: laut Indymedia-Ticker von 12:50 bis 14:30, also 1:40 Minuten für einige Kilometer. Gutes Tempo!

Unter den Blicken dutzender AnwohnerInnen, vorwiegend Migranten, wurde der Asylgerichtshof für knapp eine Stunde "belagert". Eine Delegation wurde hineingelassen, doch erklärten sich alle Anwesenden für unzuständig, abwesend oder inkompetent. Einige Anwohner und Geschäftstreibende, etwa ein Kebabverkäufer, drückten ihre Solidarität oder gar Dank aus und erzählten von eigenen Problemen mit den Asylbehörden. Der Kundgebung vor dem Asylgerichtshof schloss sich aber kaum jemand an, die meisten blieben Schaulustige.

Die Laxenburger Straße war in eine Fahrtrichtung blockiert, die Tramschienen und die andere Fahrtrichtung blieben frei. Etwa 150 waren bei der "Belagerung" noch anwesend. Gegen 15:30 löste sie sich auf. Eine weitere Kundgebung mit 50 bis 70 Teilnehmern fand gegen 19 und 20 Uhr am Flughafen Wien-Schwechat statt - ebenfalls ohne Zwischenfälle. Verhindert werden konnte die Abschiebung natürlich nicht, aber zahlreiche Medien berichteten über die Proteste des Tages. Darunter erneut Wien Heute (Mitschnitt), die, wie schon am Freitag zuvor, über die Protestaktionen als Headliner der Sendung berichteten.

Kundgebung am Mittwoch, 5. Mai

Für den darauffolgenden Mittwoch wurde für 16 Uhr zu einer Kundgebung auf der Uni-Rampe aufgerufen. Dem Vernehmen nach war diese erneut "angekündigt, aber nicht angemeldet", weshalb die Polizei per Megaphon - diesmal wirklich - durchsagte, dass diese Versammlung aufzulösen sei. Die TeilnehmerInnen hatten mehrere große Transparente bei sich, eines davon wurde zwischen den Bäumen vor der Uni-Rampe aufgehängt, wie folgendes ironisch kommentiertes Twitpic zeigt.

Die etwa 100 bis 150 TeilnehmerInnen zogen daraufhin in die Uni, ins Audimax und verkündeten dort die Anliegen dieses Protests, gegen die Abschiebung der FC Sans Papier-Spieler. Ein großes Transparent wurde auf dem Podium präsentiert. Nach einigen Minuten, in denen überlegt wurde, ob das Audimax besetzt werden solle (ein Vorschlag, dem nur wenige was abgewinnen konnten), verließen die Leute die Uni wieder. Der Hauptteil zog über den Votivpark (Sigmund-Freud-Park) zur Schottengasse, wo die Straße in Beschlag genommen wurde. Die spontane Demonstration zog nun über die Kolingasse an der Rossauer Kaserne vorbei zur Rossauer Lände / Donaukanal. Die Polizei erhöhte ihre Präsenz sukzessive und holte mit ihrem "Reisebus" die Demo kurz vor dem Schwedenplatz ein. Dort begannen die Demo-Teilnehmer Richtung Innenstadt zu laufen, allmählich löste sich die Kundgebung auf. Zuerst in zwei größere Gruppen, dann in immer kleinere. Ein Teil traf sich am Stephansplatz erneut, andere blieben irgendwo in den Gassen zwischen und rund um Schwedenplatz/Stephansplatz hängen. Die Demo endete also fast so spontan, wie sie begonnen hatte. Die Polizei verteilte sich nun überall in der Innenstadt zwischen Rossauer Lände, Schwedenplatz und Stephansplatz um auf erneute Versammlungen, die nicht mehr zustande kamen, reagieren zu können.

Hintergrundinformationen

Die Abschiebungen per Charterflug sind mittlerweile erfolgt - nähere Infos z.B. hier.

Zuletzt setzte, ausgehend vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR), sich auch eine Reihe von gegenseitigen Rügen und Ermahnungen auf gerichtlicher Ebene in Gang. Zuerst erklärte der EGMR, dass Asylanten, die die EU über Griechenland betraten, nicht "automatisch" nach Griechenland zurückgeschoben werden dürfen, was bisher in Österreich Praxis war, mit Verweis auf entsprechende EU-weite Asylrichtlinien. Dies sei menschenrechtswidrig, aufgrund der allgemein bekannten katastrophalen Bedingungen der total überlasteten Asylgefängnisse dort, so ein Beitrag in der ORF-Sendung Report am Dienstag, 4. Mai 2010. Im selben Beitrag wurde auch erwähnt, dass der EGMR für bedrohte Asylanten eine Hotline eingerichtet hat, da der Verfassungsgerichtshof in Österreich längst derart überlastet sei mit Beschwerden von "Opfern" des Asylgerichtshofes, dass dieser deren Schutz nicht mehr garantieren könne. Eine quasi-Enteignung der höchsten Instanz in Österreich!

Nun reagiert der VfGH offenbar darauf und rügt seinerseits den Asylgerichtshof, der solle gfälligst seine Arbeit gscheit machen, dann würden sich nicht so viele beim VfGH beschweren und dieser sich nicht ständig vom EGMR in Straßburg anpatzen lassen müssen. Im konkreten Wortlaut heißt es, in Bezug auf zwei konkrete Fälle von Abschiebungen, der Asylgerichtshof habe verfassungsmäßig garantierte Rechte verletzt.

Links

- Laufend mit aktuellen Berichten gefüttert wird Indymedia auf dieser fixen Übersichtsseite: https://at.indymedia.org/node/18058

- sowie no-racism.net, die eine laufend aktualisierte und sortierte "Presseschau" bietet: http://no-racism.net/article/3346

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