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Donnerstag, 9. Juni 2011

Groteske um noWEF 2011 - die Ruhe vor dem Sturm?

Für Kenner der linken Szene - zu denen, am Verfolgungswahn gemessen, eigentlich auch der Verfassungsschutz und die Polizei zählen sollte - war von Anfang an (relativ) klar: 1.000 oder gar 1.500 DemonstrantInnen werden das bei den noWEF-Protesten sicherlich nicht. Möglicherweise lag diese Fehleinschätzung bei den Anmeldern der Demo (ein kommunistisches Bündnis?) selbst, als man die Zahl der TeilnehmerInnen in selbstbewusster Selbstüberschätzung mit 1.000 angab. Möglicherweise wollte die Polizei auch nur "auf Nummer sicher" gehen und rechnete großzügig hunderte DemonstrantInnen aus dem Ausland (wie zuletzt bei Bologna Burns 2010 der Fall) dazu. Möglicherweise aber gelang die wochenlange Einschüchterungskampagne der Behörden via Medien besser, als von allen Seiten vermutet. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus all diesen Faktoren, in Kombination mit schlechter Vernetzung und Mobilisierung im Vorfeld der Demo. Dem Vernehmen nach soll das Interesse an derartigen Treffen nahezu bei Null gelegen sein. Insofern ist dem kommunistischen Bündnis, das hunderte ihrer Anhänger mobilisieren konnte, auch überhaupt nichts vorzuwerfen. Offenbar haben sie als einzige den WEF-Gipfel überhaupt ernst genommen.

Medienspektakel

Die Medien, die in ihrer beschämenden Ahnungslosigkeit der Wiener Szene wie immer den Darstellungen der Polizei nachplapperten, stürzten sich in erwartungsvoller Vorfreude auf die angekündigten Proteste und malten sich, mithilfe unmissverständlicher Andeutungen seitens der Polizei, Straßenschlachten zwischen "linken Chaoten" und hochgerüsteten PolizistInnen mit Wasserwerfern und Hubschraubereinsatz in der Wiener Innenstadt aus. "Immerhin" gab es vor 9 (!!!) Jahren in Salzburg (!) ja eh auch Zwischenfälle bei den Protesten gegen das dortige WEF-Treffen. Diese "Zwischenfälle" waren zwar äußerst einseitig und wären eher als Ausschreitungen der Polizei gegenüber DemonstrantInnen zu bezeichnen, aber das spielt natürlich keine Rolle, weil sich ja die DemonstrantInnen ja eh immer als unschuldig bezeichnen und die Polizei sicher ihre Gründe gehabt haben wird. Immerhin: die sind die Polizei, warum sollten die lügen? Und außerdem: In Davos, Big Town City und in Far Far Away gibts ja auch immer heftige "Krawalle" - womit sich jegliche Recherche für die Wiener JournalistInnen zum Glück vollkommen erübrigt: es ist ja eh alles klar!

Also wiederholten die Äffchen in den Wiener Redaktionen brav, was ihnen die Polizei vorplapperte: Gewaltbereite linke Chaoten aus dem Ausland, Urlaubssperre für die Wiener Polizei, Schengen wird aus Sicherheitsgründen außer Kraft gesetzt, der Luftraum wird gesperrt, Sperrzonen und Platzverbote um die Hofburg, Festnahmestraße mit "Schnellrichtern", eine ganze Etage im PAZ Rossauer Lände für 80 Personen frei gemacht, fliegende Spaghettimonster drohen mit Angriffen ...

"Ausnahmezustand in der City: Scharfschützen und Wasserwerfer" warnte die Kronen Zeitung am Tag der Auftaktdemo, "Stau und Krawalle" lieferte Österreich als Appetizer auf ihrer Titelseite, und auch Der Standard stimmte, wie alle anderen Zeitungen, wenn auch um eigene Angaben ergänzt und etwas weniger schreierisch, in den "Sicherheitsvorkehrungs"-Kanon der Polizei und der APA ein.

Volkstheater

Zur Demo selbst kamen schließlich vor allem kommunistische Gruppen. Rote Fahnen schwenkend bestimmten sie das Erscheinungsbild der Demo, obwohl die Hälfte der TeilnehmerInnen durchaus anderen Teilen der Linken zuzuordnen gewesen wäre. Doch "Mitläufer" ohne Transparente oder Schilder fallen eben weniger auf. Der "revolutionäre Block" war ebenso mit Kommunisten gefüllt wie der Block der Maoisten, die mit ihrem großen Mao-Transparent nicht zu übersehen waren und mit Sprechchören wie "Alle Macht im Staat, dem Proletariat" und "Hammer, Sichel und Gewehr ..." wohl nicht ganz unschuldig daran waren, dass am Westbahnhof kaum noch 300 DemonstrantInnen übrig waren und am Weg zum Volkstheater bis auf 150 auch der Rest verschwand. Auf Indymedia wurden mehrere Beiträge gepostet, die sich über die "aus einer feministischen, antikapitalistisch/emanzipatorischen Sicht jenseitigen Gruppen" empörten und neben der "Präsenz von K-Gruppen, AntiImps und KPÖ" nur "dazwischen ein paar Undogmatische und Autonome" finden konnten. "Nicht dabei sind die angekündigten ausländischen Gewalttäter_innen, wurden wahrscheinlich alle bei den Passkontollen an der Grenze erwischt." (Der Standard widerspricht: "Bis Dienstag wurden jedenfalls keine Personen, die als Gefahr für den WEF-Gipfel eingestuft werden könnten, bei den Grenzkontrollen entdeckt" 8.6., S. 5)

Tatsächlich dürften viele potentielle DemonstrantInnen durch das gerüchteweise 4.500 PolizistInnen umfassende Polizeiaufgebot (davon vermutlich maximal die Hälfte tatsächlich in Wien) samt Wasserwerfern und Schnellrichterstraße sowie bisherige Erfahrungen mit der Polizei an Demonstrationen in Wien abgeschreckt worden sein. Warum sollten sich Randalierer und Krawallmacher durch die Polizei abschrecken lassen, mögen nun manche fragen: Ganz einfach: es gibt fast keine "linken Chaoten" in Wien. Die Masse der TeilnehmerInnen an antifaschistischen, antirassistischen oder antikapitalistischen Demonstrationen ist pazifistisch veranlagt - entgegen der weit verbreiteten Darstellungen der Polizei und der Medien. Die Folge derartiger Panikmache ist tatsächlich eine "demokratiepolitische Katastrophe", wie ein Aktivist gegenüber der APA sagte. Denn die Abschreckung funktioniert: "ich will ned schon wieder eine Anzeige" hört man immer wieder von politisch an sich interessierten und kritischen Menschen, die wahlweise bei der Demonstrationen gegen WKR-Ball 2010 (über 670 Anzeigen!), noWKR 2011 (etwa 150 Anzeigen), diversen Demonstrationen gegen Abschiebungen (immer wieder dutzende Anzeigen) oder zuletzt nach dem Freispruch der Tierschützer in Wiener Neustadt, als in Wien etwa 35 DemonstrantInnen (aus einer Demo mit etwa 150 TeilnehmerInnen) von der Polizei überrascht wurden.

Einschüchterung mit System

Es zeugt zwar nicht gerade von politischem Rückgrat, sich der durchschaubaren Einschüchterung der Polizei widerstandslos unterzuordnen, andererseits sind wir alle in das selbe System gezwängt, in dem eine Verwaltungsstrafe über 70, 100 oder gar 350 Euro durchaus dazu führen können, sich lieber noch mal genau zu überlegen, warum man eigentlich uneigennützig für gemeinsame Interessen auf die Straße gehen sollte. Dass es in Wien keine gut organisierte Freiraum-Szene gibt (autonome und/oder besetzte Häuser), sondern lediglich ein paar Plätze, an denen die meisten AktivistInnen entweder zu sehr mit dem reinen Überleben der Initiative beschäftigt sind, oder einfach mit dem Kochen eines eigenen Süppchens zufrieden sind, tut sein übriges.

Und wenn sich die Polizei es bei monate- oder wochenlang vorbereiteten Demonstrationen bis unmittelbar (!) vor Demo-Beginn die Option offen lässt, die Demo zu verbieten, ist jenes Grundvertrauen in die demokratische Funktionsweise verloren, das es benötigt, mit gutem Gewissen und ohne Angst vor Polizeirepression eine Demo zu besuchen. Wenn man bei (in einem rechts dominierten Staat) "brisanten" Themen wie Anti-Kapitalismus oder Anti-Rassismus immer damit rechnen muss, dass die Polizei eine derartige Demo wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" untersagt, ist vielen der praktische Ausdruck von Kritik am herrschenden System schlicht "zu heiß". Und das in Wien, demokratische Republik Österreich, 2011.

die Ruhe vor dem Sturm?

Und so herrscht in Wien derzeit eine Ruhe, wie man sie schon lange nicht mehr gesehen hat. Dass es auch in Wien nicht immer ruhig bleiben muss, hat der Ausnahmezustand rund um die Ernennung der Schwarz-Blauen Koalition ebenso gezeigt, wie der "heiße Herbst" 2009 mit mehreren großen Studierendendemonstrationen und reihenweise Hörsaalbesetzungen. Dabei ist viel Energie verbrannt worden, ganz im Sinne der "Aussitzen"-Strategie der "Aussitz"-erprobten "Groß"-Parteien. Den ÖsterreicherInnen geht es derzeit - gerade im internationalen Vergleich - offenbar tatsächlich noch "zu" gut. Dennoch funktioniert auch Österreich nach der kapitalistischen Logik, der Neoliberalismus hat viele sozialistische und sozialpartnerschaftliche Errungenschaften weggenommen oder beschädigt. Die Menschen äußern ihre Frustration, indem sie FPÖ wählen, wenngleich ihnen vielfach selbst bewusst ist, dass dadurch nichts besser wird. Sie tun es dennoch, denn es ist die österreichische Weise, Protest auszudrücken.

Aber es wird nicht immer so ruhig bleiben, und angesichts der rasanten Entwicklungen in und um die EU, in der ein ums Überleben kämpfender Kapitalismus den Menschen seine hässliche Seite zeigt und sie dadurch massenhaft auf die Straßen treibt, fragt sich, ob es nicht die Ruhe vor dem Sturm ist.

Mittwoch, 25. Mai 2011

Gratiszeitung "Heute" als Diener des Neoliberalismus

Gratis- und Boulevardzeitungen wie - in Österreich - "Krone", "Heute" oder "Österreich" - nehmen gerne für sich in Anspruch, nahe am "Volkswillen" zu sitzen und unverblümt das zu schreiben, was sich angeblich "eh alle denken", aber in den "sogenannten" Qualitätsmedien aus welchen Gründen auch immer ("Großkopfertheit", "Abhängigkeit" von Politik, Wirtschaft oder irgendwelchen Ideologien etc.) unter den Tisch fällt. Mal abgesehen davon, dass die Boulevardblätter vor allem durch Inserate der Regierung und regierungsabhängiger bzw. -naher Unternehmen und Institutionen finanziert werden und viele sogenannte "Artikel" ungekennzeichnete bezahlte Einschaltungen von Großunternehmen sind, hinkt diese Selbstdarstellung des Boulevards (die von den orientierungslosen Regierungsparteien sogar widerspruchslos angenommen wird) der Realität besonders in der aktuellen Wirtschaftskrise deutlich nach.

"Heute" bejubelt totale Privatisierung griechischer Infrastruktur

"Schlussverkauf bei den Pleite-Griechen" lautet heute, 25.5.2011, die Jubelmeldung der Wiener Gratiszeitung "Heute" auf Seite 4. Das Blatt, das über ein treuhändisches Konstrukt verschleiert mehrheitlich im Eigentum der SPÖ, der Kronen Zeitung und einer österreichischen Bank steht, feiert die kürzlich angekündigte Privatisierungswelle in Griechenland: "Jetzt verscherbeln sie sogar das Meer" lautet der Untertitel zur Überschrift, und das ist gar nicht vorwurfsvoll, sondern spottend und zustimmend gemeint: "Jahrzehntelang wurschtelten die Griechen auf EU-Kosten vor sich hin." lautet sogleich die Rechtfertigung, die "Heute" diesem Vorgang beimisst. "Um das Defizit zu senken und damit weitere EU-Hilfe zu bekommen, sollen selbst Teile des Meeres verkauft werden - samt darunter liegendre Gasvorkommen."

Bevor näher auf den Wert dieser Meldung eingegangen wird, muss man wissen, dass der Großteil des griechischen Staatsdefizites nicht aus dem "laufenden Geschäft" stammt (also staatliche Einnahmen minus staatliche Ausgaben), sondern aus Zinszahlungen, die das Land für seine - in der Tat - hohen Staatsschulden leisten muss. Der Zinssatz dafür ist in den letzten drei Jahren von ein paar wenigen Prozent auf bis zu 15 bis 20 % geklettert. Der Grund dafür? Abstufungen der Kreditwürdigkeit durch Rating-Agenturen, die einen Teufelskreis auslösen: Der Staat benötigt jährlich mehr Geld, bloß um die Zinsen zu begleichen. Da die Zinsen stark gestiegen sind, muss das Land Kredite aufnehmen, um die Zinsen zu bezahlen. Da dies schwierig ist, steigen die Zinsen weiter. Die Folge: Das Land benötigt noch mehr Kredite, um die noch höheren Zinsen zu zahlen. Würde Österreich, das mit derzeit etwa 70 % Staatsverschuldung (inkl. ÖBB, ÖIAG und ASFINAG sogar über 80 %) auch nicht besonders weit von den "Pleite-Staaten" Griechenland, Irland, Island und Portugal entfernt liegt, ein ähnliches Schicksal (Abstufung durch Rating-Agenturen, etwa mit Verweis auf das "hohe Osteuropa-Risiko" und das geringe Eigenkapital der österreichischen Banken) erleiden und die Zinsen von 3 bis 4 % auf zB. 12 bis 15 % klettern, hätte das eine vervier- oder verfünffachung der jährlichen Zinszahlungen zu Folge. Das bedeutet, dass Österreich statt derzeit rund 8 Milliarden Euro, die jährlich als Zinsen an verschiedene Banken und andere Geldgeber bezahlt werden (ohne, dass dadurch die zugrunde liegende Schuldlast von etwa 170 Mrd. € sinken würde) plötzlich 32 bis 40 Mrd. Euro an Zinsen bezahlen müsste. Wo soll das Geld herkommen? Entweder durch Kredite von Banken (natürlich unter horrenden Zinssätzen wegen des hohen Ausfallsrisikos), von Staaten oder durch Einsparungen bei den Staatsausgaben, obwohl diese ja gar nicht der Grund für das - plötzlich - hohe Defizit von - in diesem hypothetischen Fall - 15 bis 20 % sind.

"Pleite-Ösis" statt "Pleite-Griechen"?

Was könnte oder sollte Österreich in diesem Fall tun? Wenn es nach den österreichischen Boulevardzeitungen geht, hat Österreich in diesem Fall "jahrzehntelang über seine Verhältnisse" gelebt. Als Beleg dafür könnte man auf das im internationalen Vergleich sehr niedrige durchschnittliche Pensionsalter verweisen, das mehr als 10 Jahre unter dem offiziellen Pensionsantrittsalter von 65-67 Jahren liegt. Weiters könnte man auf die Privilegien der Beamten (Zulagen!), ineffizientes Bildungs- und Gesundheitssystem (weltweit eines der teuersten, aber im internationalen Vergleich nur mittelmäßig), unnötige sündteure Anschaffungen aufgrund dubioser Abmachungen und tolerierter Korruption (Koralmtunnel, Eurofighter-Ankauf, Justiz-Tower etc.) usw. usw.

Würden "Heute", "Österreich" und "Krone" tatsächlich so über Österreich herfallen? Wohl kaum! Eher würden diese Boulevardblätter über die ungerechte Behandlung des Auslands (Stichwort: "böse EU", "böse Banken" usw.) herziehen, denn ausländische Boulevardblätter ("Bild", "Sun", "Blick") etc. würden keine Sekunde zögern, uns als "Pleite-Ösis" oder "Alpen-Griechen" darzustellen.

Nationalismus und patriotisches Halbstarkentum statt "Stimme des Volkes"

Aber da es ja nicht um Österreich, sondern Griechenland geht, überwiegt doch eher die Freude, auf jemand angeblich schwächeren einprügeln zu können, um sich selbst dadurch besser fühlen und in vermeintlicher Sicherheit wiegen zu können. So simpel ist die Logik des Boulevards. Das ist zwar kein Geheimnis und sicherlich keine neue Erkenntnis, aber genau so wie uns der Boulevard jeden Tag neue, aber doch immergleiche "Skandale", "Katastrophen" und "Bürgerkriege" (so der Boulevard über die Ausschreitungen beim Wiener Derby!) auftischt und von uns Empörung einfordert, muss auch dieser simple Sachverhalt ab und zu in aller Klarheit wiederholt werden.

Also da sitzen sie nun, die österreichischen Redakteure des Boulevards, in diesem Fall Wolfgang Bartosch, der offenbar in Euphorie verfällt, wenn er schreibt: "Runter mit dem Defizit, alles muss raus! Nach anfänglichem Zögern startet Griechenlands Regierung endlich die umfangreiche Privatisierungswelle. Weg müssen Anteile am auf 1,2 Milliarden geschätzten Telekomkonzern OTE. Ebenfalls verklopft werden Aktien des Wasserversorgers Athens Water (Marktwert 555 Millionen). Bis zu 535 Millionen könnte das Hafenpaket (Piräus, Thessaloniki), vier Milliarden das Wettunternehmen OPAP, bis zu 2,4 Milliarden der Energieversorger DEI bringen. Zudem veräußert Athen Erdgasvorkommen unter dem Meer vor Kavala, Autobahn-Mautrechte, Flughägen, den Gasversorger DEPA, ein Lastwagen- und ein Alu-Werk, Mobilfunkfrequenzen, ein Kasino, die Waffenindustrie sowie die Bahn."

Österreichische Wasser- und Energieversorgung als gewinnorientierte Privatunternehmen. Ja bitte?

Man stelle sich vor, Österreich müsste unter internationalem Druck die Wiener Wasserwerke privatisieren, die OMV (vollständig) verkaufen, Casinos Austria "verscherbeln", die Österreichischen Lotterien ans Ausland abtreten, die ASFINAG (samt Mauteinhebungs-Rechte) privatisieren, sowie sämtliche Donau-Häfen ... was würde "Krone", "Heute" und "Österreich" dazu sagen? Wir wissen es bereits, man betrachte bloß die Berichterstattung der letzten zehn Jahre (was zumindest bei der "Krone" möglich ist). "Unser Wasser" ans Ausland zu verkaufen wird praktisch als Todsünde betrachtet, "unsere" VOEST zu privatisieren war ebenfalls ein "Skandal sondergleichen", das "verscherbeln" von Energieversorgern wie "Energie AG" oder "Verbund" - undenkbar! Aber bei Griechenland? Keine Spur von Solidarität: Im Boulevard zählt nicht der Mensch und die Solidarität der Menschen untereinander, es zählt die Nation! Sollen doch die anderen Nationen untergehen, alles verkaufen, an ihrem Elend sprichwörtlich verrecken: wir stehen daneben und jubeln, und wehe, eine von uns käme auf die Idee, den Griechen zu helfen: bloß keinen Cent überweisen, ist sich der Boulevard mit der FPÖ einig. Aber - (der nicht existierende und daher bloß sprichwörtliche) Gott behüte - Österreich würde aus natürlich völlig undenkbaren Umständen in eine ähnliche Situation geraten und die internationale Presse aus bereits erläuterten Gründen nur Spott und Hohn für die "über den Verhältnissen lebenden Ösis" bereit haben, wie groß wäre wohl der Katzenjammer von genau den selben Herren (eher seltener: Damen) in den Leitartikeln der Boulevardmedien. Herr Bartosch, das traue ich mich wetten, würde als erster lautstark die große "Ungerechtigkeit" der internationalen Presse und des "Auslands" beklagen.

wir brauchen mehr Emotionen: wie wärs mit Spott, Hohn und Schadenfreude?

Aber soweit denkt im Boulevard niemand. Wozu denn auch? Es zählt die knackige Schlagzeile, "die Emotionen", oder genauer gesagt: die Schadenfreude!

Dass vielleicht irgendetwas falsch ist, an all den Vorgängen rund um Griechenland derzeit, auf diese Idee käme kein Dichand, kein Fellner und kein Ainetter. Und das, obwohl ironischer Weise direkt neben dem Artikel über die "Pleite-Griechen" zwei kurze Artikel Österreichs Lehrer beiläufig als "Privilegienkaiser" darstellen und Österreich als "zu korrupt" betiteln. Würde der Boulevard also eventuell doch eine totale Privatisierung der gesamten staatlichen Infrastruktur von Trinkwasser, Energie über Schiene, Autobahn und Rohstoffe verlangen?

Dauererpressungszustand: die Lüge des drohenden Bankencrashs

Kommen wir mal kurz zur Quintessenz des Ganzen, warum man eigentlich sofort aufschreien müsste (gerade der Boulevard!), dass dieses Total-Privatisierungsprogramm eigentlich keine Maßnahme zur Schuldentilgung ist, sondern ein Überfall unter vorgehaltener Schulden-Waffe ist. Die "totale Privatisierung" der griechischen Infrastruktur bringt insgesamt vielleicht 20, vielleicht 30 Milliarden ein. Was passiert damit? Werden damit die mehreren hundert Milliarden Staatsschulden reduziert? Wohl kaum. Selbst wenn, wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Geld wird eher für die laufende Zinsleistung benötigt, die sich ja, wie bereits erwähnt, vervielfacht hat. Sogar die Qualitätszeitung "Der Standard" macht bei diesem Spiel mit. An und für sich erfahrene Wirtschaftsredakteure wie András Szigetvari kommen nicht auf die Idee, im Interview mit dem Direktor der Europäischen Zentralbank, Lorenzo Bini Smaghi, dieses pseudointelligente "Lösungs"-Prinzip zu hinterfragen: das staatliche "Eigenkapital" inklusive Reduzierung des "Umsatzes" und "Gewinnes" reduzieren, um EIN EINZIGES MAL einen KLEINEN TEIL der JÄHRLICHEN Zinsen zu bezahlen? Keine Bank der Welt, kein Unternehmer, ja nicht mal die Tochter einer Schottergrubendynastie würde als Finanzverantwortlicher so einem Vorgehen zustimmen. Wie soll das "Unternehmen Staat" denn weitergeführt werden, wenn die Kapitalbasis veräußert wurde und gleichzeitig ein "Maßnahmenbündel zur umfassenden und dauerhaften Einnahmensbeschneidung" umgesetzt wird? (die Begleitmaßnahmen sind ja bekanntlich Einsparungen bei Gehältern der Staatsbediensteten und im Sozialbereich, wodurch die Kaufkraft, der Konsum und ergo die Produktion und damit sämtliche Steuereinnahmen drastisch zurückgehen). Jeder auch nur über einen Funken Verstand besitzende Unternehmer würde bei derartigen Forderungen der Gläubiger sofort den Konkurs anmelden. Die Gläubiger müssen sich gefälligst mit einer Quote begnügen, auch die Finanzwirtschaft ist kein Selbstbedienungsladen der Banken. Warum spielen alle Staaten da mit? Entweder glauben sie die Lüge, dass der Ausfall willkürlich erfundener Fantasie-Forderungen die Banken ruinieren würde (die Fantasie-Summen würden abgeschrieben werden und die Bilanzsummen der Banken wären wieder auf dem Niveau vor dem Griechenland-Jackpot), was wiederum ein totales Versagen der gesamten europäischen Politik inklusive ihrer Berater bedeuten würden, deren Volkswirtschaftskenntnisse ausnahmslos (!) offenbar nichteinmal HAK-Matura-Niveau erreichen. Das wäre so dumm, dass es selbst bei größtem Pessimismus nicht vorstellbar wäre.

Wahrscheinlicher ist, dass alle entscheidenden Personen massivst von Lobbyisten und Medien bearbeitet werden, quasi windelweich geprügelt werden, dass sie aus Angst, in der Weltfinanzkrise ihre eigenen Staaten zu ruinieren, auch den dämlichsten und fantasievollsten Forderungen der Banken - die währenddessen ungeniert und eigentlich entlarvend Rekordgewinne verbuchen - zustimmen. Das wiederum würde bedeuten, dass die Politiker schlicht zu wenig Rückgrat und Mut besitzen (aber aufgrund der öffentlichen Meinung, die durch Massenboulevardblätter wie "Heute" konstruiert wird) und - wiedermal: ironischerweise - die Aussage des Bankers Andreas Treichl bestätigen, der den Politikern eben genau diesen fehlenden Mut bescheinigt. Ironisch deshalb, da er selbst aufgrund dieses fehlenden Mutes Rekordgewinne verbuchen darf und sich selbst und seinen obersten Managern und Aufsichtsräten die Gehälter und Boni-Zahlungen deutlich erhöht.

ich verkaufe mein Haus um die Zinsen zu bezahlen ... und dann wollen sie auch noch mein Auto, mit dem ich zur Arbeit fahre ... hä? It's the economy, stupid!

Zurück zum eigentlichen Sachverhalt: Die staatliche Infrastruktur wird also an Investoren verkauft, um die vom Finanzmarkt hochgetriebenen Zinsen an die Banken zu zahlen. Oder noch kürzer gesagt: das ganze Geld geht direkt als Gewinn in die Bilanzen der Banken, womöglich sogar noch unbesteuert. Solange die Banken und Investoren die Zinsen auf diesem hohen Niveau (10 bis 20 % oder sogar darüber) halten, können sie praktisch ALLES einfordern was sie wollen. Und der "Witz" an dem ganzen ist: selbst wenn sie alles kriegen, wird sich an der Höhe ihrer Forderungen nichts ändern. Erst wenn alles privatisiert ist, was privatisiert werden kann, werden sie vielleicht - aber nur vielleicht - Ruhe geben. Oder Griechenland meldet dann doch noch Konkurs an (immerhin entgehen dem Land durch die Privatisierung aller staatlichen Unternehmen ja auch deren Umsätze und Gewinne, während die Ausgaben kaum sinken - das Budgetdefizit wird durch die Privatisierungen also noch größer! Und nach einigen Jahren wird es doch wieder der Staat sein, der die bis dahin verfallenen Anlagen (wie man aus den USA und Großbritannien weiß, haben Privatunternehmen wenig Interesse daran, in die Instandhaltung von Strom- und Wasserleitungen oder Schienennetze zu investieren, das würde ja die Gewinne abschöpfen ...) zu reparieren hat (die Unternehmen werden nach zehn oder zwanzig Jahren wieder verstaatlicht, um die staatliche Grundversorgung zu gewährleisten: sprich: nachdem die Unternehmen 20 Jahre lang fette Gewinne abgeschöpft haben (da sie ja nicht in die Instandhaltung investieren), werden sie enteignet und der Staat hat 20 Jahre Investitionen nachzuholen. Fragt sich nur mit welchem Geld dann? Aber dann kann man ja das Spiel nochmals von vorne beginnen ...).

Und wieder mal die SPÖ: an vorderster Front dabei, die neoliberale Verblendung des Volkes zu gewährleisten

"Heute" bejubelt also, dass Griechenland seine Infrastruktur an die Banken verschenkt (nichts anderes ist es, wenn der Finanzmarkt zuerst die Zinsen auf ein unbezahlbares Niveau hochtreibt und im Gegenzug dafür alles kassiert, was der zahlungsunfähige Schuldner besitzt). Und die SPÖ finanziert mit ihren Inseraten die Existenz dieses Blattes. Das soll hier mal in aller Deutlichkeit festgehalten werden. Merken wir uns das einfach, falls wieder einmal behauptet wird, der Boulevard spreche doch nur das aus, was sich eine angebliche Mehrheit der Bevölkerung im Land "wünscht". In Wahrheit ist der Boulevard ein nationalistisches Machwerk, das bestenfalls als Totengräber von Aufklärung, sozialen Errungenschaften und Demokratie dienen kann. Dass so etwas durch Millionen-Inserate vor allem der SPÖ am Leben gehalten wird, obwohl es vor allem der FPÖ nützt, sagt auch einiges über den Zustand und Positionierung der SPÖ aus.

Immer nur nörgeln? Nein: So wäre es richtig:

Achja, und bevor ichs vergess: ich will ja natürlich nicht nur alles kritisieren und mir dann vorwerfen lassen, ich wüsste nicht, wie es besser ginge. Freilich weiß ich das ;)

"Heute" und alle anderen Boulevardblätter sollten Farbe bekennen, dass sie auf der Seite der Völker (bzw. Bevölkerung/Menschheit; lassen wir mal die in diesem Fall nebensächliche Begriffsdefinitionsdiskussion beiseite) sind und nicht auf der Seite der Finanzwirtschaft, die uns Enteignung von Volkseigentum als Lösung von Problemen, die durch eine schrankenlose Finanzwirtschaft herbeigeführt wurden, verkaufen und und uns somit verblenden wollen. Die Einschränkung der Finanzwirtschaft und Zurückgewinnung (bzw. erstmalige Erlangung) der vollen Souveränität der Völker (Bevölkerung) über ihre Schicksale, denen die Wirtschaft als Diener untergeordnet ist - und nicht umgekehrt! - sollte die Botschaft sein, die ein Boulevardblatt, das seiner selbsternannten Rolle als Sprachrohr des Volkes gerecht werden will, verbreiten sollte.

Dass dies nicht so ist zeigt nur, wie es um die tatsächliche Rolle der Boulevardmedien bestellt ist: sie sind nichts anderes, als ein verlängerter Arm der (Finanz-)Wirtschaftsinteressen und Verblender des Volkes im Interesse des Gewinnstrebens von Großkapitalisten. Dass sie sich dabei als Stimme des Volkes ausgeben ist Teil des Konzepts, um möglichst viele Menschen erreichen zu können.

Donnerstag, 4. November 2010

"Sub-Standard".at - maßloser Boulevard zur Profit-Macherei?

Geht's eigentlich noch? Beim Lesen des Editorials der Juli/August-Ausgabe des Branchenmagazins "extradienst" (Herausgeber und Chefredakteur in Personalunion: Christian W. Mucha) fühlt man sich leicht um 80, 90 Jahre in der Zeit zurückversetzt. In eine Zeit, wo sich verschiedene Blätter gegenseitig bis vor Gericht bekriegten, vor den übelsten Anschuldigungen nicht zurückschreckten, "unpassende" Tatsachen einfach ausklammerten. An derartiges erinnert Muchas "Editorial" über den "Sub-Standard", das an Polemik kaum überbietbar zu sein scheint.

Mucha wirft Oscar Bronner persönlich vor, dass "jeder Schuft jeden Todesfall hierzulande mit erbarmungsloser Gehässigkeit auf derstandard.at ungestraft kommentieren kann". So weit so gut. Selbiges könnte man zwar auch von jedem anderen österreichischen Medium mit Online-Auftritt und Forums- oder Kommentarfunktion behaupten (ich denke, die typischen krone.at-User-Kommentare sind bekannt und berüchtigt genug, als diese hier extra erwähnen zu müssen), aber für Mucha ist klar: Dahinter steckt bloß "miese Profit-Macherei von Bronner & Co".

Ich weiß nicht, woran es liegt, dass sich Mucha ausgerechnet auf den Standard, ja Oscar Bronner persönlich so einschießt. Möglicherweise gab es auf derstandard.at anlässlich des Todesfalles von Kunstsammler Rudolf Leopold einige unschöne Kommentare, ebenso beim Todesfall von Hans Dichand. Aber ich wage zu bezweifeln, dass derstandard.at darauf ein Monopol hatte. Und während Mucha bei derstandard.at-Kommentaren wie "Der Chor der Arschkriecher: Danke, dass du mit Hehlerware so viel Erfolg hattest ... und dass du das getan hast!" die Galle hochgeht, scheint er von krone.at-Kommentaren bei Artikeln über, zum Beispiel, Abschiebungen von Kindern entweder nicht zu wissen oder nicht beeindruckt zu sein - auch wenn das Ausmaß menschenverachtenden Hasses dort ungleich größer und stärker zum Ausdruck kommt, ja sogar mit dutzenden "gefällt mir" von anderen, namentlich (!) registrierten LeserInnen (freilich hinter Pseudonymen versteckt) "belohnt" wird - und ebenso wenig von den AdministratorInnen gelöscht wird. Doch auf derstandard.at genügt es schon, dass dem umstrittenen Kunstsammler Leopold, dessen Kunstwerke in einigen Fällen nachweislich aus arisierten Beständen erworben wurden, "Arschkriecherei" und Handel mit "Hehlerware" vorgeworfen wird, damit Mucha in diesem Online-Forum jegliche "Pietät" vermisst und "jeden Respekt" vor dem Standard verliert.

krone.at erwähnt Mucha wohlgemerkt im gesamten, zweiseitigen Editorial nur ein Mal: nämlich als "Lercherl" im Vergleich zu dem, was derstandard.at an "Boulevard" betreibt. Es scheint ihm viel mehr um eine (persönliche?) "Abrechnung" mit Oscar Bronner und seinem Lebenswerk zu gehen, als um die in allen Online-Medien vorzufindende Problematik von Respektlosigkeit und Menschenverachtung in UserInnen-Kommentaren.

Die Annahme, dass sich Muchas Motivation für dieses Editorial nur vorgeblich aus der Wahrung der Würde verstorbener Persönlichkeiten speist, in Wahrheit aber eher eine aus persönlichen Gründen (welcher Art auch immer) motivierte Abrechnung mit Bronner darstellt, wird für mich von untergriffigen Formulierungen wie den folgenden genährt [Fett-Hervorhebungen durch mich vorgenommen, sonst wie im Original]:

"Dass jeder Schuft jeden Todesfall hierzulande mit erbarmungsloser Gehässigkeit auf derstandard.at ungestraft kommentieren kann, ist keine Errungenschaft, sondern miese Profit-Macherei von Bronner & Co."
"Oscar Bronner und seine lachsfarbene Botschaft sind stets als arrogante Gralshüter herumstolziert. Das hat der Egomane ("Guten Tag, mein Name ist ...") sein Lebtag lang getan."
Dass Bronner stolz darauf ist, dass er als "Trend"-Herausgeber journalistische Inhalte nicht (wie vielfach üblich) als Draufgabe für bezahlte Werbeanzeigen verkauft hat, ist für Mucha nicht lobenswert, sondern "anmaßend" - schließlich lauft das Geschäft schon "seit Urzeiten" so. Das Editorial geh wie folgt weiter:

"Jahrzehntelang sich selbst hoch dekorierend, stolziert Bronner heute mit geschwellter Brust durch die Gegend und sieht sich als Erfinder des anständigen Journalismus, als Hüter schreiberischer Tugend, der wirtschaftlichen Unabhängigkeit."
Neidisch?

"Aus solchem Mund wird Kritik naturgemäß ernster genommen, als wenn sie von Krethi oder Plethi kommt. Doch der Herr Bronner sollte künftig besser seinen Mund halten. Und sich verkriechen. Und sich schämen. Am besten gemeinsam mit seinem Sohn, Mag. Alexander Mitteräcker, der für das Online-Geschäft federführend verantwortlich ist. Denn derstandard.at betreibt Boulevard mit einer Maßlosigkeit, gegen die das, was man der Krone vorwirft, ein Lercherl ist."
Doch jetzt kommt - es war fast zu befürchten - noch die "Kultur" ins Spiel, und so Dinge wie "Errungenschaften" von Kultur und Gesellschaft. "Üble Nachrede über den Tod hinaus gilt bei jeder hohen Kultur als absolut unschicklich", resümiert Mucha nach diesem Absatz. Was will er uns damit sagen, nachdem er Oscar Bronner und seinen Sohn als persönlich verantwortlich für die von Usern geposteten Kommentare gemacht hat? Er erklärt es uns in größter Ausführlichkeit:

"Im Standard freilich gelten andere Gesetze. Dort werden die Toten gedemütigt, beschimpft, verhöhnt, beleidigt. Dort wird verfälscht, gelogen, Unwahres verbreitet. Dort wird posthum beschädigt, beleidigt. Dort wird Geschichte verändert, die Geschichten werden verändert, die Wahrheit wird nach Belieben verdreht. All dies garniert mit obszöner, respektloser und oftmals extrem degoutanter Sprache."
Habe ich das jetzt richtig verstanden? Zuerst zitiert Mucha ein relativ harmloses (im Vergleich zu den von Mucha getätigten Anschuldigungen) Beispiel eines User-Kommentars auf derstandard.at, dann erzählt er uns etwas von "minimalste[n] Errungenschaften von jeder Kultur oder Gesellschaft seit Tausenden Jahren", macht Bronner und seinen Sohn persönlich für die Kommentare verantwortlich und leitet daraus ab, dass "im Standard [...] verfälscht, gelogen, Unwahres verbreitet" wird? Kann denn der Herr Mucha User-Kommentare nicht von redaktionellen Artikeln unterscheiden, oder wie kommt er zu diesen Anschuldigungen?

Mucha setzt sein Editorial mit der Ausführung fort, dass derstandard.at "seit Jahren die besten Werte, was Online-Besucher und Reichweiten betrifft" hat, damit "gutes Geld" verdient und sich Oscar Bronner dadurch den Rückkauf der Unternehmensanteile finanziere. Daraus schließt Mucha:

"Der Standard, so behaupte ich, verdient mit seinen Online-Pages deshalb so viel Geld, weil hier auf die mieseste Art und Weise Boulevard gemacht wird. Viel ärger als Bild oder Krone profitiert man von Voyeurismus. Boulevard aus Geschäftsinteresse. Boulevard aus Profitgier. Bronner öffnet den anonymen Schweinen, den Mieslingen, den Ungustln, den Schimpfern, den Hetzern und Neidern Tür und Tor, um damit eine möglichst große Community zum Standard zu locken."

Interessant, wie jemand trotz Vergleich mit der Krone (das Bild-Online-Forum kenne ich nicht) zu diesem doch sehr gewagten Schluss kommt. Wenn Muchas Erklärungsansatz stimmt, müsste meiner Ansicht nach krone.at die größte "Community" und LeserInnenschaft haben. Aber das beste kommt noch: offenbar ist Mucha der Meinung, sich noch immer nicht klar genug ausgedrückt zu haben und dass seine "Message" noch nicht ganz rübergekommen sein könnte:
"Und damit wir das ja nicht vergessen, sei es wiederholt: All dies passiert einzig, um die Gewinne zu steigern."
Ich lese also "Profitgier", "Profitgier", "Gewinne steigern", "Geschäftsinteresse", "Maßlosigkeit".... fehlt nur noch, dass Mucha Bronner als "Parasit" bezeichnet, und die "Message" dürfte endgültig herübergekommen sein.

Aber Mucha hat auch noch genügend andere Bezeichnungen für den Standard und seinen Herausgeber bereit:

"Die Medienplattform des Standard ist längst zum Urinal der Branche denaturiert."

"denaturiert"? Meint der Herr vielleicht "entartet"?

"'Etat' ist jener Platz, wo die Degoutanten ungeniert hinpinkeln können und wo die sich in einer Art und Weise austoben können, die unvorstellbar abstoßend ist."

Also so richtig entartet?

"All dies ist nur möglich, weil die Verantwortlichen und ihre angepassten Erfüllungsgehilfen dies zulassen. Dabei wäre es so einfach, einen Riegel vorzuschieben. Doch die Profit-Haie Bronner senior und junior denken nicht daran, das Forum zu sperren [...]"
Mucha ist besonders über die herablassenden UserInnen-Kommentare nach dem Tod Hans Dichands erzürnt. Zwar wurden laut derstandard.at-Chefin Gerlinde Hinterleitner ein ganzes Drittel der Postings entfernt, doch das glaubt Mucha nicht.

"Und dann stoßen wir auf etwas Erstaunliches: Betrachtet man nämlich die Postings, die beim Tod von Gerhard Bronner, dem Vater von Oscar Bronner, gesetzt wurden, dann entdeckt man, dass es bis auf ganz wenige kritische Postings beim alten Kabarettisten eigentlich nur Positives gibt, was dort veröffentlicht wurde."

Ja, das ist wirklich erstaunlich! Dass ein (zudem der jüngeren Generation kaum noch bekannter) Kabarettist im Gegensatz zum über fünf Jahrzehnte lang höchst umstrittenen Herausgeber der seit mehreren Jahrzehnten auflagenstärksten und einflussreichsten, mit der Politik verbandelten Kronen Zeitung, weniger "kritische Postings" hervorgerufen hat, als der Dichand, das muss, wenn man den Ausführungen Muchas folgt, wohl auf Manipulation zurückzuführen sein.

Und in ähnlicher Weise geht es immerweiter. Und erneut macht Mucha Oscar Bronner persönlich dafür verantwortlich, was UserInnen auf derstandard.at anlässlich der Todesmeldung von - diesmal - Gastronomiekritiker Christoph Wagner gepostet haben:

"Dass Sie, Herr Bronner, all dies zulassen, nur um des schnöden Mammons willen, halte ich für wahrhaftig schäbig. [...] Vor einem Medium, das jede Würde eingebüßt hat, und das 'Pietät' vorsätzlich so mit Füßen tritt, wie Ihr Standard, habe ich freilich jeden Respekt verloren."
Im Übrigen frage ich mich, wie jemand wie Herr Mucha, der sich offenbar aus tiefster emotionaler Regung heraus über "Profit-Macherei" beklagt, sein Magazin "extradienst" hinter satten drei (!) Doppelseiten Werbung - der Umschlag sogar aufklappbar als quasi "trippelseitige" Werbung - verstecken kann, bevor man überhaupt erst auf die erste inhaltstragende Seite (das Inhaltsverzeichnis auf Seite 10) stoßt. Und was Herr Mucha alles über krone.at und seine Leser- und UserInnen zu sagen hat, würde mich auch stark interessieren. Das ganze Editorial findet sich übrigens in der "extradienst"-Ausgabe 07-08 vom 16. Juli 2010 auf Seite 12 und - unterbrochen durch ein ganzseitiges Inserat - 14. Oder online.

Links

Da sich das ganze bereits im Juli abspielte gibt es bereits einige Reaktionen zu Muchas Editorial. Auf den unterschwelligen Antisemitismus geht allerdings niemand ein:
- heute.at, 22. Juli 2010: "Standard": Mucha kritisiert Webportal
- derstandard.at, 23. Juli 2010: Der Saubermucha war da
- bernhardkraut.wordpress.com, 26. Juli 2010: Christian W. Mucha - Eines der Prusterale
- Antwort von extradienst auf Antwort des Standard, ohne Datum
- Muchas Webseite (www.mucha.at)

Sonntag, 9. November 2008

Krone hat die Leser, die sie anspricht - eh klar; Aber für die, dies noch nicht wissen (oder nicht wissen wollen) hier nochmal, wer das eigentlich ist

Die Schreiberlinge der Kronen Zeitung können ihren Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit in der Regel relativ gut verschleiern, sodass die Botschaft zwar beim Leser ankommt, aber im Text nicht direkt ausgesprochen wird. Die Krone-Leser freilich tun sich bei diesem kleinen Kunststück schon deutlich schwerer. Daher findet man bei einem kleinen Artikel, dem der Kronen Zeitung der Gedenktag 2008 der Novemberpogrome vom 9. November 1938 Wert war, auch folgende Kommentare - denen man übrigens auch "zustimmen" kann (ablehnen geht nicht ... das kennen wir doch auch schon von 1938...), wovon andere Leser auch regen Gebrauch machen. (klicken zum Vergrößern)



Nachsatz: Die Kommentare wurden wenig später gelöscht; Zwischen 15.38 und 17.04 ist nun kein Kommentar mehr vorhanden; fragt sich, wieviel die Online-Redaktion da ständig löschen muss, um nicht von der geistigen Beschränktheit eines (sicher nicht kleinen) Teils der eigenen Lesern beschämt zu werden
 
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