Mittwoch, 21. Juli 2010

2010: Linz ist wieder Provinz

Ein kleiner Rundumschlag nach fast einem Jahr Linz-Abstinenz

Ich will das hier ja gar nicht zu sehr ausbreiten, ich will auch gar nicht näher auf die Überschrift eingehen, ich sage nur rasch folgendes - es erscheint mir zu abstrus, als dass ich es für möglich gehalten hätte:

Ein Semester fast durchgehend in Wien verbracht (und das davor auch, die Semesterferien dann ganz wo anders). Man kommt nach Hause, in den schönen Linzer "Vorort", der den selben Namen trägt, wie dieser Blog (ja, genau: FMO!) - und verbringe nun diesen Dienstagabend erstmals seit langem wieder auf der geliebten "Ländn" - die Donaulände, neben dem blau leuchtenden Lentos.

Zuerst ist es ja nur ein harmloser Gedankenaustausch, zwischen mir und einem Freund, ob sich der architektonische Ideenreichtum in Linz wirklich schon mit bunt leuchtenden Betonklötzen erschöpft (schräg gegenüber des Lentos: das nun auch bunt, meistens blau bis violett, leuchtende Ars Electronica Center). Was dann folgt, wird aber immer merkwürdiger. Zunächst fragt man harmlos eine nahe sitzende Kleingruppe aus zwei Mädchen und einem Burschen nach einem Feuerzeug. Was kriegt man zur Antwort? "Ja, aber nur wennst uns hilfst, den Typen wieder loszuwerden. Bitte, hilf uns!" - ich halte das für einen Scherz der Drei, aber nein: "Bitte, hilf uns". Rasch stellt sich raus: die zwei Mädchen kennen den Typen nicht. Er sitz da und bedient sich an deren Getränkesortiment (Wein, Alk-Gemisch). Die Situation wird allmählich klar, man schlägt mal dem Typen vor, ob er denn nicht bitte gehen möge. Er steht auf, kontert, der Alkohol gehöre ihm, fragt, was das Problem sei, und beginnt sich aggressiv zu gebärden. Auch größte diplomatische Anstrengungen (wie: naja, irgendwie gehöre der Wein vielleicht ja doch nicht ihm, und vielleicht möge er denn eventuell einmal auch ein bisschen wo anders hingehen) zeigen keinen Erfolg. Im Gegenteil. Er tritt zuerst mit den Füßen ein paar Becher und Dosen Richtung Donau, dann wirft er die große gefüllte Plastikflasche hinten nach und packt schließlich die Weinflasche am Hals, schwingt ein bisschen damit herum, haut sie aber schließlich doch "nur" auf den Boden - direkt neben den Füßen eines der in Barfuß daneben sitzenden Mädchen. Der eigene, ruhige Ton ist nun nur noch schwer zu halten - man kann doch nicht ständig "gelassen" auf einen sein Aggressionslevel wie ferngesteuert konstant steigernden Menschen reagieren. Und einfach weggehen wäre nur auf den ersten Blick die vermeintlich "friedlichste" Lösung. Es wäre nicht nur feig, sondern unloyal, asozial, jenen gegenüber, die um Hilfe gebeten haben (nur, um mal ein bisschen auf gewisse "De-Eskalations-Strategien" einzugehen, die manch Unverbesserliche im Audimax, C1 und auch in der (B)Aula gepredigt haben). Zu diesem Zeitpunkt (als die Flasche flog) war aber schon ein weiterer Typ angekommen, der den anderen offenbar kennt und ihn sogleich mit "der ist schon ang'soffen" quasi pauschal entschuldigte. Nicht nur das: zunächst, bevor die Flasche flog, ging seine Argumentation noch in die Richtung "ich kenn euch nicht, weiß nicht, was da los ist, was ihr da macht - und überhaupt, wir räumen da neulich eure Glasscherben weg, was wollts ihr überhaupt" (offenbar zählen die beiden zu einer Art Straßenszene (in Linz sagt man vereinfacht einfach "Punks" dazu, könnte aber auch sein, dass sie eher dem (unsympathischeren, drogen- und aggresionslastigen Teil) der Freetekno-Szene angehören - die beiden Szenen überschneiden sich zumindest in Linz teilweise auch). Na wie auch immer: Als die Weinflasche zertrümmer war, gab es einen raschen Meinungsumschwung bei "Typ Nr. 2" - hat er doch gerade noch seine aufopfernde Scherben-Wegräumarbeit gelobt, schmeißt sein "Partner" wuchtig eine Flasche zu Boden) - ums kurz zu machen: Typ Nr. 1 wurde nun verbal stark von Typ Nr. 2 bedrängt. Sein bisher stark auf uns konzentrierter, aggressiver werdender, Fokus wird binnen ca. 30 Sekunden durch die verbale Torpedierung von der Seite zusehends von uns abgelenkt. Wir nützen die Chance, fliehen - und lassen uns 10 Meter weiter nieder ;) - was lernt man draus? Nix. Man muss hoffen, dass ein "Kollege" von solchen Typen auftaucht, der ihn zur Räson bringt.

Ähnliches bewies sich ca. 2 Stunden später vor der Stadtwerkstatt, die, kurz nach 24 Uhr, bereits am Schließen war. Auch für einen Werktag ungewöhnlich. Verkürzte Ferienöffnungszeiten? Jedenfalls sitzen nun alle, das sind ca. 30 Leute, auf der Treppe vis-a-vis des AEC. Zuerst ein kleiner Hundekampf (unfreiwillig natürlich, ein Hund war nicht angegurtet und hat im Anblick eines bestimmten anderen Hundes offenbar die Nerven verloren) - die zweite Auflage, wie uns wer aufklärte - dann, kaum in ein "eigenes" Gespräch zurückgefunden, der nächste Auftritt unten auf der Bühne: Ein großer, schlanker, aber muskulöser Mann, lange schwarze, zusammengebundene Haare, Mann, macht einen auf "Joker" (aus Batman). Er schreit laut herum, zumeist in Richtung eines zweiten, etwas kleineren, schüchterneren jungen Mannes, der ihm angeblich bei seiner Arbeit helfen solle und "den ganzen Tag nichts getan" habe. Er beschimpft ihn, fordert ihn zwischendurch aber immer wieder auf, er solle ihm helfen. Ja, wobei eigentlich? Beim rauftragen eines Tischen, eines Eis-Ständers und einer Tomaten-Topfpflanze (!) auf der ersten Zwischenebene der Treppenkonstruktion. Zwischendurch fiel ihm auch was runter, auch Sessel sollten noch raufgetragen werden, und irgendwie ging die Steinbedeckung der schräg zur Treppe verlaufenden Seitenmauer zu Bruch - außerdem wusste man nie so ganz, ob er die Sachen jetzt einfach raufträgt oder ob er sie doch lieber einfach runterwerfen will (eine Bierflasche und ein paar Dosen flogen diesen Weg schon) Von lautem, Lachen begleitet, wie man es eher aus Cartoons oder Actionfilm-Parodien kennt, machte zog der Typ sein Ding durch. Wichtige Anmerkung: Er war offenbar Mitarbeiter (seine große Gürteltasche deutet auf Kellner hin) in der Stadtwerkstatt, schrie selbst auch mal "I orweit do". Anmerkung Nr. 2: Ca. 10 Minuten vor seinem "Auftritt" waren zwei Bar-Mitarbeiterinnen, die den Laden dicht machten, unterwegs und haben sämtliche Glasflaschen eingesammelt und alle anwesenden Grüppchen freundlich darum gebeten, die Flaschen und sonstigen Müll mitzunehmen, da die Stadtwerkstatt sonst "wieder" eine Anzeige kriege.

Übrigens: Auch auf dieser Uferseite saß ein Grüppchen mit Hunden ("Menschen mit Hunden" als neues Synonym für "[Pseudo?]Punks"?) - und schimpfte heftig auf drei unserer Freunde, denen beim Nachhausegehen eine Flasche runterfiel. Die Beschimpfungen wurden noch dreckiger, als sie sich zu rechtfertigen begannen, sie hätten das doch nicht absichtlich gemacht. Die Moral wird dann am schirchsten, wenn man glaubt, irgendeine Moral vertreten zu müssen. So gesehen frage ich mich, wie effektiv die neue Punk-Politik in Linz [gibts das überhaupt?] ist, wo man Punks offenbar zu Putzpersonal umerziehen will - und raus kommen aggressive Sauberkeitsfaschisten (die dann ja selber auch nicht immer so sind, wie sies von anderen lautstark einfordern - aber das ist ja der Punkt bei dieser Ordnungsmoraloffensive, die hier eher unschöne Früchte zeigt).

ach ja, die Provinz

Und jetzt zum provinziell eigentlich relevanten Teil - das da oben waren nur bisher in diesem Ausmaß und in dieser Dichte ungekannte Aspekte eines werktäglich-abendlichen Linz an den beiden Uferseiten.

Es ist Dienstagnacht. Mitternacht. Die Straßenbahn stellt - wie alle anderen öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt - ihren Dienst ein. Es gibt keine Nachtlinien - obwohl die letztes Jahr eingeführt wurden (aber offenbar nur für die Wochenenden, und übrigens ohnehin nur auf 3 Strecken). Man geht zum "Nahversorger", einem Billig-Laden, der als einzigen Öffnungszeitenhinweis "täglich ab 19 Uhr geöffnet" aufweist. Natürlich geschlossen (obwohl ich mich erinnern kann, dass der werktags immer bis 2 und an Wochenenden noch länger offen hatte). Man geht also - wie gesagt - zur Stadtwerkstatt - kurz nach Mitternacht - am Schließen. Auch hier hatte man werktags üblicherweise bis 2 Uhr oder länger geöffnet. Aber gut, es sind ja Ferien, alle in Italien, Mallorca, Kroatien und Türkei - oder was, etwa nicht?

Na dann geht man halt mal was essen... das ist in Linz grundsätzlich schon nicht einfach (wenn man nicht gleich ins Restaurant will), aber am Abend besonders schlimm. Im Gegensatz zu Wien gibt es nicht ansatzweise diese Dichte an Imbissbuden, schon gar nicht diese Vielfalt (oh ja, im Vergleich zu Linz sind die Wiener Kebab- und Würstelbuden samt vereinzelten Nudel-Buden extrem vielfältig - je nach Standort unterschiedliche Zutaten, Größen, Varianten...) - aber in Linz: ein Kebabstand am Hauptplatz, drei, mittlerweile alle vom selben miesen Anbieten, an der Landstraße. Ein Lichtblick beim Schillerplatz, aber von der Donau ist das dann schon 20 Gehminuten entfernt. Von den Würstelständen reden wir gar nicht. Mies, teuer. Jener Stand, wo das Essen am wenigsten mies ist, gilt in Linz dann den Connaisseuren als "Gourmet". Da die Stände in der Innenstadt alle mies sind, hat logischerweise jeder einen anderen Stand als "besten" in Erinnerung. Da man dann aber doch nicht ständig über die (enttäuschende) Qualität der Würstelstände reden will, einigt man sich üblicherweise darauf, den "Warmen Hans" (wohl aufgrund seiner mutigen Namensgebung) als "Kult" und "Feinschmecker-Tipp" zu bezeichnen. Wenn man dort aber einen Bosna bestellen will, kriegt man nur einen "Bosna-Burger", der in etwa so attraktiv ist, wie die "Semmel mit Bratwurstschnecke" bei Billa. Der letzte gute Bosna-Stand im Innenstadtbereich war meiner Ansicht nach jener, der vor dem (damals noch nicht gebauten) Lentos stand und in einem blauen Container untergebracht war. Klingt vielleicht nicht besonders verlockend - aber es war der beste. Das was man jetzt in Linz überall kriegt ist immer das selbe - bloß: es wird gefühlte drei Mal jährlich um 10 Cent teurer. Mittlerweile steht die kleine Bosna irgendwo bei € 2,10 oder drüber. Angefangen hat das ganze bei 20 Schilling bzw. 1,4 €. Schwacher Trost: Die Bosna schmeckt hier wenigstens nach Bosna - auch wenn es bessere geben könnte. In Wien hat sich die Kunst des Bosna-machens noch nicht wirklich durchgesetzt - und man hat sicher nicht bei den Meistern abgeschaut. Seltene Ausnahmen ausgenommen.

Allerdings: Unter 3 € geht in Wien gar nix. Während du in New York für 3 € in etwa drei Hot Dogs mit Ketchup, Senf und Sauerkraut essen kannst, kriegst du in Wien dafür nur einen - aber so groß, dass man fast eine Familie damit einen halben Tag ernähren könnte. Etwas weniger, dafür etwas besser, wär hier durchaus keine schlechte Idee. Und wozu liegt eigentlich in jedem Würstelstand das ganze Sauerkraut herum? Ums neben die Wurst zu patzen? Warum ist noch niemand außerhalb der USA auf die Idee gekommen, Sauerkraut - was typisch deutsch/bayrisch/österreichisches gibts kaum - in den Hot Dog zu... gut, hier müsste man sagen: stopfen; aber eigentlich sollte man das Brötchen ja aufschneiden, wie beim Bosna - für den allerdings schon eine Zwiebel-Curry-Sauce vorgesehen ist.

Soviel mal zur Ausgangslage ;) Um rasch zum Punkt zu kommen: es hatte alles zu. Alles, was selbst in Linz üblicherweise (auch werktags) nicht vor 4, oder gar nie, geschlossen hat, hatte schon vor 1 Uhr zu. Der "Warme Hans", der lahme Kebabstand am Hauptplatz (vom zweiten lahmen Kebabhaus red ich gar nicht, das ist die Worte nicht wert, ist mir egal ob der offen hatte oder nicht... da steht sogar ein Glückspielautomat drin... schon alleine das... aber um den gehts mir eigentlich gar nicht... nein, das ist einfach nicht die Rede wert), der McDonalds sowieso und weiter als das wollten wir auch nicht mehr gehen. Letzte Hoffnung: Der Leberkas-Pepi (ja, der heißt wirklich so!) - und tatsächlich: die Gestrandeten der Nacht finden sich beim Leberkas-Pepi ein, um sich noch ein paar Leberkas-Semmerl in den Mund zu schieben, bevor sie, so wie ich, glücklich mit einer Paste aus toten Tieren gefüllt, nach Hause fahren (oder gehen, wenn man in Linz wohnt und sich kein Taxi leisten kann). Ich habe ja das Glück, dass meine Heimatgemeinde das (Anrufsammel-)Taxi zahlt (machen fast alle Nachbargemeinden von Linz). Sprich: Ich fahre wenns sein muss alleine mit dem Taxi heim - den Rest zahlt die Gemeinde. So hab ich das zumindest verstanden. Und das erklärt dann auch, warum ein Taxifahrer wegen einer Person, die nur lahme 4,4 € auf 11 Kilometer zahlt, überhaupt nach hause bringen sollte.

Ja, es ist schön, wieder in Linz zu sein. Und wer glaubt, nach den Schilderungen am Anfang müsste ich mich ja schon auf die Bürgergestapo freuen, der irrt. Die Stadtwache, die Dobusch nach einer gewonnenen Wahl (vor der er eine Stadtwache ausgeschlossen hatte) grundlos der FPÖ, samt gesamten neuen Sicherheitsressort, quasi als Spielplatz für Hobby-... [überlegts euch selber was, hab keine Lust mir von der Partei, die das "freie Wort" des "einfachen, kleinen Mannes" hochhält eine Klage wegen meiner Meinung aufhalsen zu lassen. Und ja, die verklagen auch Blogs. Und ja, womöglich auch diesen, kleinen, unbedeutenden, irrelevanten] geschaffen hat. Eines kann aber gesagt werden: Jenem Mann, den SPÖ-Dobusch grundlos ein eigens geschaffenes Sicherheitsressort samt dutzende Mann (und Frau?) starker Stadtwache schenkt, wurde einst beim Bundesheer eine Offiziers-Karriere verweigert, aufgrund seiner Nähe zu rechtsextremen Kreisen. Viele würden ja behaupten, sowas gibt es doch nicht, dass man beim Bundesheer "zu rechts" sein kann. Aber ja, es scheint tatsächlich möglich, auch mal einen positiven Eindruck vom Bundesheer zu gewinnen. Das wäre eigentlich ein schöner, positiver Schlussatz, doch ich bevorzuge, zu betonen, dass ich der festen Meinung bin, dass eine Stadtwache A) prinzipiell und B) unter den tatsächlich schlechtest-denkbaren personellen Umständen die Lage in Linz nur verschlimmern, ja vielleicht sogar zum eskalieren bringen wird. Man stelle sich mal vor, wie von der FPÖ zusammengestellte Patrouillen mit Persilschein von der Stadt die Straßen "sicher" machen werden. Zeitungsberichte verlauten ja bereits, dass Dobusch nun doch allmählich etwas zurücksteckt und der Stadtwache, die nun irgendwie "Ornungsdienst" oder so heißen soll, weniger Rechte und weniger Waffen geben will. Das verstärkt den Eindruck, der FPÖ lediglich ein Spielzeug zum Wählerfang am rechten Rand zu geben, allerdings nur.

Dienstag, 20. Juli 2010

Wahre Gutmenschen

Der Chefpoet der Kronen-Zeitung, Wolf Martin, klärt auf: "[...] Ein guter Mensch ist wirklich gut, ein Gutmensch ist, wer nur so tut." (20.7.2010) - und schafft damit mehr neue Fragen als Antworten. Schließlich ist anzunehmen, dass die redaktionellen Mitarbeiter der Kronen Zeitung ihre Texte als einen "guten" Beitrag für ein "besseres Österreich" verstehen. Da die Krone aber den Beitrag von Menschen für Österreich, die selbst nicht in Österreich geboren sind (und weder reich noch prominent sind) grundsätzlich nicht besonders zu schätzen scheint, und daher Artikel und Kommentare, die für eine harte "Ausländerpolitik" plädieren als "guten" Beitrag für ein "besseres Österreich" verstehen, stellt sich die Frage: Sitzen die wahren Gutmenschen in der Krone-Redaktion?

Montag, 12. Juli 2010

Anti-Repressionsdemo in Wien, 12. Juli 2010 - Solidarität mit den drei U-Häftlingen...

Am Montag, 12. Juli, fand eine kurzfristig anberaumte und angemeldete Demo gegen Repression in Wien statt. Unter dem Titel "Gemeinsam gegen Repression - Solidarität mit den drei in U-Haft sitzenden Personen" wurde gegen jüngste Razzien und Festnahmen der Polizei protestiert, die in ihrer Vorgehensweise stark an die Tierrechts-AktivistInnen-Causa erinnern.

Am 6. Juli wurden drei WGs in Wien von der Polizei gestürmt, dabei wurden drei Personen in U-Haft genommen. Zeitgleich, gegen 16 Uhr Nachmittag, wurde das Vereinslokal des Kulturvereins Kaleidoskop (der sich übrigens ausdrücklich auch gegen Polizei-Repression wendet, vgl. Juli-Programm-Flyer) auseinandergenommen. Die Beschreibung der Vorgehensweise der Polizei bei dieser Razzia erinnert eher an Einbruchsdiebstahl: Türe eingetreten und Schloss aufgebrochen, Computer, Festplatten und auch der Tresor und die Handkasse wurden neben anderen Dingen (wie z.B. Seifenblasenlauge [!?]) mitgenommen. Informiert wurde auch nach der "Tat" niemand, immerhin ließ man die Feuerwehr die Türe wieder verschließen.

Warum?

Der Vorwurf, der den drei Verdächtigen gemacht wird, lautet, dass sie an einer Aktion gegen das Arbeitsmarktservice (AMS) am 29. Juni 2010 beteiligt waren, bei der Mülltonnen angebrannt wurden. Der Verein "Kaleidoskop" soll der Polizei zufolge als Vorbereitungs-, Ausgangs- und Lagerort der Aktion gedient haben.

Welche Aktion?

Obwohl die in der Stellungnahme von Kaleidoskop genannten Links zu "mehr Infos dazu" auf mittlerweile gelöschte Indymedia-Seiten verweisen, lassen sich - auch auf Indymedia - rasch andere Quellen finden. Die aussagekräftigste ist wohl diese hier (linksunten.indymedia.org), da hier sogar Fotos und ein Video (das verlinkte Video auf vimeo wurde zwar auch bereits gelöscht, doch findet sich das vermutlich selbe Video auch direkt auf einem indymedia-Server) der "Tat", einer Art Brandanschlag auf Mülltonnen im Eingangsbereich des AMS, beinhaltet. Diese Aktion nannte sich "BRANDZEICHEN SETZEN! - Direkte Aktion beim Arbeitsmarktservice Redergasse in Wien" Das AMS wurde demnach als "zentrales Organ des Kapitalismus" zum Ziel, da dort Menschen zur Ausbeutung am Arbeitsmarkt diszipliniert würden.

So what?

Unabhängig davon, wer die Tat begangen hat, wie man zu diesem Brandanschlag (anders kann das wohl nicht bezeichnet werden) steht und wie sinnvoll es ist, als Täter oder eingebundener Zeuge Fotos und ein Video zu machen und diese auch noch auf mehreren Webseiten hochzuladen, muss man letztlich nüchtern feststellen: Die "Brandzeichen"-Aktion gegen das AMS ist rechtlich gesehen reine (wenn auch vorsätzliche) Sachbeschädigung. Aber seit wann wird man wegen Verdachts auf vorsätzliche Sachbeschädigung tagelang in U-Haft genommen? Überseh ich da als Nicht-Jurist etwas? [Nachtrag: Danke an die Juristen unter uns ^^]

Und mit welcher Begründung wird die U-Haft länger als zwei Tage aufrecht erhalten? Tatwiederbegehungsgefahr? Fluchtgefahr? ...spätestens ab jetzt wirds merkwürdig! Und ein Vereinslokal - das praktischerweise fast ums Eck liegt - soll die Basis für diese Aktion gewesen sein? ...spätestens jetzt riechts nach § 278a - Bildung einer kriminellen Aktion! Offenbar zielt das Vorgehen der Polizei (Staatsanwaltschaft) auf diesen Paragraf hin ab. Sachbeschädigung als vergleichsweise banales Delikt reicht dem Staat nicht aus. Er will nicht die Tat ahnden, er will die politisch motivierten TäterInnen dauerhaft aus der Gesellschaft entfernen.

Ein solch energisches Vorgehen gegen politisch motivierte "Delikte" legt der Staat selten an den Tag, wenn die Täter gegen Minderheiten, Linke oder - ja, auch hier - den Staat vorgehen und agitieren. Ob es dabei die "richtigen" trifft, diese Frage stellt sich für die Behörden bei Linken gar nicht. Der Verein liegt ums Eck, die Leute sind links - ab in den Knast, da lässt sich schon was konstruieren... Notfalls reichen ja auch fehlende Beweise als Beweis, wie man im TierschützerInnen-Prozess staunenden Auges mitverfolgen darf.

zunehmende (?) Repression unter Fekter - überall

Folgerichtig stellten die Initiatoren der Demo, dem Vernehmen nach das dem Verein Kaleidoskop übergeordnete Kunst-, Kultur- und Medien-Netzwerk KuKuMA, eine Verbindung zwischen anderen Repressionsfällen, insbesondere in Bezug auf Paragraf 278a, und den jüngsten Razzien her, wie etwa den harten Urteilen gegen Anti-Fekter-DemonstrantInnen in Salzburg, denen "schwere Körperverletzung" (jede Berührung mit einem Polizisten (was als Rempeln oder Schubsen ausgelegt werden kann und oft auch wird) ist rechtlich gesehen "schwere Körperverletzung", "leichte" gibt es hier nicht!) angedichtet wurde, die Gewaltorgie gegen 1. Mai-DemonstrantInnen in Linz 2009 (in der Folge wurde auch hier jenen, die man wahllos aus der Menge gezerrt hat, "Widerstand gegen die Staatsgewalt" und "Schwere Körperverletzung" vorgeworfen, jedoch wurden letzendlich alle frei gesprochen), der stundenlangen Einkesselung und Anzeigen-Sintflut gegen 673 Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer der NO-WKR-Ball-Demo, die bekanntlich auf "Anweisung von oben" derart massiv unterdrückt wurde, oder auch zuletzt die Vorfälle an der "Goodbye Daddy's Pride"-Demo... näheres zu diesen Zusammenhängen und eine Übersicht über jüngste Anti-Repressions-Demos und -Aktionen auf Indymedia.

Demo

--> mehr Fotos hier

[Bild rechts: Immer mit dabei, die Zivi-Kieberei...]
Die Demo selbst ist (zum Glück) in wenigen Worten abzuhandeln, da sie friedlich und ohne jeglichen Zwischenfall verlief. Die Polizei verzichtete ebenso auf Provokationen wie auch (selbstverständlich) die TeilnehmerInnen der Demo. Da die für 16 Uhr angekündigte Demo aber erst um 17 Uhr startete und nach 18 Uhr das PAZ Hernalser Gürtel erreichte, hatte es die Polizei etwas eilig, die DemonstrantInnen von der Straße zu bringen (entweder war die Demo planmäßig nur bis 18 Uhr angekündigt oder die Polizei wollte generell den (Abend-)Verkehr(sterror) am Gürtel nur so kurz wie möglich aufhalten), was aber reibungslos verlief - schließlich war die Wiese im Schatten des Gürtelbogens ohnehin attraktiver als das aufgeheizte Pflaster und eigentlich war, der Ankündigung zufolge, schon für 18 Uhr der Beginn der After-Soli-Party im TüWi geplant (wohin viele auch rasch abzogen).

Um 16 Uhr befanden sich erst wenige Personen, etwa ein bis zwei Dutzend, am Treffpunkt am Schottentor, vor der Uni. Erst gegen 16:30 schien das Potential einer kurzfristig anberaumten Soli-Demo an einem heißen Sommernachmittag in der zweiten Ferienwoche ausgeschöpft zu sein, als etwa 75 Personen da waren. Als die Demo kurz nach 17 Uhr los zog, waren es schließlich über 150 Personen, was für eine gute Organisation, Vernetzung und Vorbereitung spricht - wenn man diese Demo mit anderen, zumeist wesentlich länger und umfangreicher angekündigten, der jüngeren Zeit vergleicht. Ebenfalls (leider) keine Selbstverständlichkeit (wie man zuletzt am Bildungsaktionstag im Juni an der Kundgebung vor dem Parlament und der anschließenden Demo gesehen hat): es gab Transparente, und zwar einige und aussagekräftige. Auch Flyer gab es mehr als genug, mit denen insgesamt ca. mehrere Hundert interessierte Passanten informiert wurden.

Die durchgehend von mehr oder weniger vielen Personen gerufenen Parolen lauteten u.a. "Solidarität muss Praxis werden - Feuer und Flamme den Repressionsbehörden" und irgendwas, das mit mit "...Freiheit für alle politischen Gefangenen" endete (wobei auf Intervention einzelner das "politischen" aus der Parole entfernt wurde). Je näher die Demo zum PAZ Hernalser Gürtel zog, desto öfter waren auch Anti-Abschiebungs-Parolen zu hören, etwa gegen die "Festung Europa", "no border, no nation, stop deportation" und am Hernalser Gürtel schließlich auch - wir erinnern uns - "solidarité avec des sans papiers".

Das sichtbare Polizeiaufgebot war vergleichsweise gering. Ein halbes Dutzend Kleinbusse, ein paar Streifenwägen, ein paar Motorräder. Insgesamt vielleicht 50 bis 100 PolizistInnen. Kein Vergleich zu früheren, ähnlich großen Demos. Die Polizei hat vermutlich - wie auch ich - mit deutlich weniger DemonstrantInnen gerechnet. Eine kürzlich stattgefundene Anti-Rep-Demo in Wien, an der ich nicht war, soll etwa 50 Personen gezählt haben.

Die Demoroute: Vom Schottentor über die Alserstraße zum Landesgericht, gegen den Uhrzeigersinn 1,5 Mal ums Landesgericht, dann die Florianigasse und Skodagasse zur Josefstädter Straße, von dort schließlich zum Gürtel mit Ziel PAZ Hernalser Gürtel. Dort angekommen war die Demo gegen 18:20 Uhr, um 18:30 war die Fahrbahn auch schon wieder frei.

Freitag, 4. Juni 2010

Anti-Israel-Demo in Wien, 4. Juni 2010

Am Freitag, 4. Juni 2010, war in Wien die zweite "Anti-Israel-Demo" angekündigt. Die erste fand bereits am 1. Juni statt und zählte etwa 600 bis 800 TeilnehmerInnen, die nun zweite Demo zählte laut Polizei etwa 5.500 TeilnehmerInnen, eine meiner Ansicht nach realistische Einschätzung.

alle Fotos von Jonas Reis / flickr (CC-by-nc-sa-2.0)

Vorgeschichte, Anlass, Motive

Die Demo richtete sich erneut gegen Israel im Allgemeinen (Nachtrag: Zur Demo am 1. Juni, die u.a. zur israelischen Botschaft in Wien führte siehe dieses Youtube-Video - ein Teilnehmer führt eine "Wach auf Hitler!"-Tafel mit sich). Anlass ist bekanntlich die tödliche Enterung des Hauptschiffes der "Gaza-Hilfsflotte", einem unter türkischer Fahne fahrendem Schiffskonvoi, der Hilfsgüter direkt nach Gaza bringen wollte und somit die israelische Seeblockade de facto beenden wollte - oder im zu erwartenden Falle, dass dies nicht zugelassen würde, zumindest ein starkes Protestzeichen zu setzen. Es kam schlimmer, als es kommen musste: Bei der Enterung des Hauptschiffes durch das israelische Militär wurden die ersten, sich von Helikoptern abseilenden Soldaten von einem wütenden Mob mit Holzlatten und anderen Gegenständen angegriffen und schwer verletzt. Manche behaupten, Israel hätte bereits zuvor auf die Besatzung bzw. das Schiff geschossen, was Israel wiederum dementiert. Ein libanesischer Kameramann gibt laut der österreichischen Tageszeitung Der Standard zu Protokoll, dass die "Friedensaktivisten" (bzw. der gewaltbereite Teil unter ihnen) besagte Soldaten als Geiseln unter Deck genommen hätten, woraufhin die gewaltsame Stürmung des Schiffes mit mehreren Toten erfolgt sei. Doch all diese Details bzw. die Frage, was wirklich passiert ist, ist für viele unerheblich, da für sie in jedem Fall klar ist, dass Israel ein "Terroristenstaat" ist, den es als "imperialistisch", also unrechtmäßig existierend, zu bekämpfen und zu "beseitigen" gilt. Die Vorschläge, die derartige Israel-Gegner tätigen, reichen von "die Juden sollen doch wo anders leben" (vorgeschlagen wird gerne die USA) bis hin zu "die Juden sollen gar nicht leben" - letzteres gerne mit Verweis auf Hitler, der es "leider" verabsäumt habe, alle Juden zu vernichten - was in zahlreichen Facebook-Postings von deutschen oder österreichischen Türken zitiert wird (vgl. www.youropenbook.com, Suchwort: "Juden", bzw., weil hier nur die aktuellsten Treffer gezeigt werden, wurde hier (unter dem Namen "Islam und Antisemitismus"eine Facebook-Seite eingerichtet, die auszugsweise derartige Kommentare dokumentieren sollte; außerdem haben zahlreiche deutschsprachige TürkInnen hier eine Protest-Seite eingerichtet, um gegen diese Antisemitismuswelle türkischer Facebook-Poster zu protestieren).

Die Demo

Laut Wiener Zeitung wurden für die heute (4.6.) angekündigte Demo rund 5.000 Teilnehmer erwartet - ziemlich genau so viele, laut Polizei 5.500, waren es auch. Außerdem wurden Ausschreitungen befürchtet, zu denen es aber nicht kam. Die Sprechchöre waren zwar emotional, laut und stark israel-feindlich, aber die Stimmung war ziemlich positiv, die TeilnehmerInnen, schätzungsweise zu 95 % türkischer Herkunft, hatten sichtlich Freude an diesem "Ereignis". Die Kinder, die zahlreich mitgenommen wurden, hatten Spaß, schwenkten Türkei- und Palästina-Fahnen, die Jugendlichen übten sich in Allah-Huldigungs und Israel-Hass-Sprechchören. Und dann waren da noch einige nicht-türkische, österreichische Linke, insgesamt vielleicht 200, die mit den Türkei-Fahnen schwenkenden türkischen Demonstranten die "internationale Solidarität" beschworen. Im Konkreten klang das dann so, dass die LSR (Liga der sozialistischen Revolution) mit Megaphonen in einen Block junger patriotischer Türken abwechselnd "Kindermörder Israel" und "Hoch die internationale Solidarität" reinriefen. Ich hoffe, ich bin nicht der einzige, der hier mindestens zwei gravierende Widersprüche mit der Idee des Sozialismus bzw. der linken Idee im Allgemeinen sieht.

Weitere linke Organisationen, die den Drang verspürten, gemeinsam mit türkischen Patriot(innen) die "Internationale Solidarität" zu beschwören, "israelischen Imperialismus" zu beklagen und abwechselnd "Kindermörder Israel", "Israel Terrorist" und "Hoch die internationale Solidarität" zu schreien, waren - neben der LSR / Liga der sozialistischen Revolution - die KJÖ (Kommunistische Jugend Österreichs), Linkswende sowie ein Block Feministinnen.

Diese nicht unerhebliche Beteiligung von links (immerhin: SPÖ- oder grüne Jugendorganisationen waren nicht dabei) ist die eigentliche, erschütternde Überraschung für mich (dass die Demo generell stark antisemitisch und antizionistisch geprägt sein wird war ohnehin klar, dass es mehr um generellen Israel-Hass und Verneinung des Existenzrechts Israels geht war naheliegend, nicht zuletzt in Hinblick auf den Charakter der Demo vom 1. Juni).

Hamas, Medien, PR

Natürlich ist der blutige Ausgang der Kaperung der sechs Gaza-Hilfsgüter-Schiffe eine Tragödie und auch ein Skandal, mit dem sich Israel und womöglich auch die Weltgemeinschaft beschäftigen muss. Nicht ganz zu Unrecht muss sich Israel die Frage gefallen lassen, ob seine Elitesoldaten nicht fähig wären, ein Schiff unblutig zu übernehmen (Financial Times Deutschland). Gleichzeitig müssen sich aber internationale Sympathisanten und Unterstützer bzw. Teilnehmer der Hilfsaktion die Frage gefallen lassen, ob sie nicht etwas leichtgläubig und naiv an etwas teilgenommen haben, das von anderen Kräften gesteuert und instrumentalisiert wird. Aber vor allem kann die Rolle radikaler Kräfte bei dieser Aktion bzw. in Gaza generell (Hamas) nicht ausgeblendet werden. Dass die Hamas ganz andere Ziele hat, als das Leben der Palästinenser zu erleichtern, sollte eigentlich allen bewusst sein - wird aber aufgrund geschickter Inszenierung durch die Hamas, unter Mithilfe zahlreicher Medien gerne übersehen - die Hamas wird als Widerstandsorganisation angesehen, die für ihr Volk kämpft - und diesem "logischerweise" auch nur gutes tun will. Dass die durch den Iran finanzierte Hamas die internationalen Sympathien für das "unterdrückte Volk" bloß für den bedingungslosen Zerstörungskampf gegen Israel instrumentalisiert, wird kleingeredet bzw. einfach ignoriert.

Und dass die Hamas die Hilfsgüter, die nach der Kontrolle durch das israelische Militär nun über Ashdot in den Gaza-Streifen gebracht werden sollten, gar nicht annehmen will (derstandard.at, siehe letzter Absatz) (!), das ist selbst in kritischen Zeitungen gerade mal eine Randnotiz wert (dass auch israelische Soldaten (schwer) verletzt wurden, wird erst gar nicht erwähnt - nur die Toten und Verletzte auf dem Schiff). Die Hamas ist nur an ihrem eigenen Wohl interessiert, der Rest ist geschickte PR ("überparteiliche" oder "unabhängig" erscheinende Hilfs- oder Solidaritätsaktionen) von der sich viele Leute unreflektiert beeindrucken, ja blenden und vereinnahmen lassen.

Merkwürdige Allianz

Wenn das ganze dann noch mit latent (viele Österreicher) oder akut vorhandenem (türkische Nationalisten) Antisemitismus und -zionismus zusammenfällt, getarnt als "Kampf gegen den Imperialismus" (Israel also ein illegaler Besetzer) oder "Kampf für die Freiheit" bzw. "Menschenrechte", dann kommen derart abstruse Konstellationen zusammen, wie heute, wo türkische Nationalisten mit österreichischen Sozialisten und Feministinnen (siehe nebenstehendes Foto) gemeinsame Sache machen. Komisch findet diese Allianz keiner - schließlich gehts ja um eine Art "höhere" Sache - der Kampf gegen Israel!

Unversteckter Antisemitismus

Einen Überblick über israelfeindliche, häufig antisemitische Motive an der Demo hat porrporr (Twitter) dokumentiert (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

(1) Coladose "Israhell" (auch hier)
(2) "Terrorist Israel"
(3) "Stop Israel"
(4) "Blood Death Terror"
(5) "Boycott Israel"
(6) "Neonazi Israel"
(7) Hakenkreuz = Davidstern / +Zeichnung (auch hier)
(8) "Israel is a Cancer"
(9) "Kindermörder Israel"
(10) "Children Killer" (mit Puppe)
(11) Israel als Nazi-Krake (auch hier)
(12) "Fuck Israel / Coca Cola-Schriftzug
(13) Boycott-Aufruf / Intifada
(14) Israel-Piraterie

Links zu anderen Blogs & Medien (Auswahl, letztes Update am 8.6.10)
- Ein Schuh für Schäuble: Rassistische und nationalistische pro Palistina Demo in Wien, 4. Juni 2010
- Der Standard: Wiener Türken demonstrieren gegen Militäraktion Israels, 4. Juni
- Hans Rauscher (Kommentar) / Der Standard: Türkische Demo, 4. Juni
- Café Critique: Antisemiten außer Rand und Band, 5. Juni
- Friends of Israel: Hamas in Wien, 7. Juni (mit vollständiger Liste der 126 den Demo-Aufruf unterstützenden Organisationen)
- Die Linke, Christine Buchholz: Argumente für die Free-Gaza-Bewegung, 7. Juni

Fotos und Videos (nur eigene):
- Fotostrecke auf flickr ("Anti-Israel-Demo Wien, 4.6.2010") (71 Fotos)
- Videos auf youtube: Linke & Türken rufen "Israel Terrorist", Türken mit Riesenflagge und "Allah Bismillah"-Rufen [Anm.: "Bismillah" statt "Hisbillah", nachträglich korrigiert, 8.6.10] (im Hintergrund "Hoch die internationale Solidarität"), Linke & Türken bei "Netanyahu Terrorist"- bzw. "Israel Terrorist"-Rufen

Sonntag, 9. Mai 2010

Befreiungsdemo in Wien, 8. Mai 2010

Zum Anlass der Demo und den tatsächlichen Geschehnissen bis einschließlich 9. Mai, 3:30 Uhr

Österreich, du Opfer!

Dass es in Österreich nach 1945 eine ideologische, geistige Kontinuität der nationalsozialistischen Grundgedanken gegeben hat und immer noch gibt, dafür muss man keine großen psychologischen oder soziologischen Studien bemühen. Um das zu zeigen genügt der Verweis auf die geschichtsträchtige Affäre Waldheim (Bundespräsidentschaftswahl 1986), als die Aufdeckung von Waldheims Lügen zu seiner Zeit als SS-Soldat dazu führte, ihn als Opfer einer Medienkampagne und von Kräften "von der Ostküste" (Neonazi-Chiffre für jüdische Weltherrschaftstheorien) zu stilisieren, was ihm auch die Wiederwahl brachte (eine Prozedur, die auf peinlich-durchschaubare wie hoffnungslose Weise auch bei Barbara Rosenkranz zu wiederholen versucht wurde ("wir wählen, wen wir wollen" - richtig: das nennt man Demokratie, liebe FPÖ!). Oder der Blick auf den Wahlkampf Bruno Kreiskys in den 70er-Jahren, als der ÖVP-Herausforderer auf Wahlplakaten kein besseres Argument für seine Wahl hervorzustreichen hatte, als "ein echter Österreicher" - wobei man sich die Frage stellen muss, was an Bruno Kreisky denn nicht "echt österreichisch" sein sollte. Es wird doch wohl keine Anspielung auf die jüdische Herkunft Kreiskys gewesen sein? Und dann die Haider-Ära: Von SPÖ wie ÖVP umworben, mittlerweile vielfach imitiert, kann niemand mehr behaupten, Österreich hätte seine Geschichte sauber aufgearbeitet. Zwar wird die Opfer-These heute nicht mehr in der Schule unterrichtet oder von führenden Politikern vertreten, doch zeigt allein die Aussage der Bundespräsidentschaftskandidatin Rosenkranz, sie habe "das Wissen, dass ein Österreicher, der zwischen 1964 und 1976 in österreichischen Schulen war - das ist also mein Wissen von der Geschichte, und daran habe ich überhaupt keine Änderung vorzunehmen" mehr als deutlich, wie es noch Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs um das vorherrschende Geschichtsbild Österreichs bestellt war.

Befreiungsdemo Wien 2010

Das alles, und vor allem die Tatsache, dass heute wie damals Burschenschaften rechtsextremen Ideen huldigen und einem Großdeutschland wahlweise nachtrauern oder darauf hinarbeiten und an pompösen Bällen, Umzügen und Festveranstaltungen ihre guten Kontakte zu weiten Kreisen der Politik und Wirtschaft pflegen, ist mit ein Grund, warum an diesem 8. Mai 2010 in Wien zur "Befreiungsdemo" aufgerufen wurde. Während ein großer Teil der Innenstadt, zwischen Herrengasse und Ringstraße, zwischen Schottentor und Burggarten, polizeilich gesicherte "Burschi-Zone" war, in der keine Demonstration abgehalten werden durfte, fanden sich die Gegner dieser falschen Geschichtspflege und des dort gepredigten rechtsextremen Gedankenguts am Schwarenbergplatz zu einer Kundgebung und Feier ein, um, im Gegensatz zu den Burschenschaftern am Heldenplatz, nicht den Untergang Nazi-Deutschlands zu betrauern, sondern die Befreiung Österreichs davon.

So weit der äußerst positive Grundgedanke dieser Veranstaltung.

Verlauf der Demo und Feierlichkeiten

Zu Ehren der Befreiung Österreichs durch die damaligen Allierten wurden deren Fahnen geschwungen und Hymnen gespielt, ebenso auch jene Israels. Mit all diesen Fahnen an vorderster Front zog die Demonstration, angeführt auch von einem Kleintransporter mit Soundsystem, ihre geplante Route (zumindest weitgehend) durch die Innenstadt (siehe Grafik-Link "Burschi-Zone"). Die gelegentlichen Sprechchöre waren - natürlich - vor allem antifaschistisch, aber auch anti-national, was angesichts der geschwenkten Fahnen doch etwas merkwürdig wirkte. Nach einer halben Stunde driftete die anfangs party-orientierte Musik zunehmend ins sowjetische ab. Deutsche, hochpathetische sozialistische, kommunistische Beschwörungen, der bewaffnete Kampf von Bauern und Arbeitern, dominierten nun die schon rein akustisch kaum zu ertragende Musik. "Mos-kau, Mos-kau ... hahahahaha" tönte ein nicht ganz unbekannter Schlager, der wohl aus der DDR stammen muss. Zum Ausgleich hätten wir jetzt zumindest - stellvertretend für die USA - einige kapitalistische Lobeshymnen, meinetwegen Britney Spears oder 50 Cent - hören müssen, was zum Glück aber nicht der Fall war. Auch Chansons, Klezmer, und was auch immer typisch britische Musik sein soll, blieben rar.

Der Eindruck, den die Demo bei mir hinterließ, war ein sehr verwirrter.

Einen kleinen "Zwischenfall" gab es übrigens, als die Demo angeblich "unangemeldet" am Deutschmeisterplatz anhielt und eine Zwischen-Kundgebung ansetzte. Polizeieinheiten drängten die Demo daraufhin "sanft" von der Straße ab und zwangen die Demo zu ihrer Fortsetzung.

Afterparty in der Akademie der bildenden Künste

Vor diesem Hintergrund sind vielleicht auch die Ereignisse nach der Abschlusskundgebung vor der Akademie der bildenden Künste zu sehen. In der Akademie legten in der Folge die ganze Nacht DJs auf und sorgten für ausgelassene Party-Stimmung unter den mehreren Hundert Besuchern.

Gegen 2 Uhr brannten nämlich plötzlich Mülltonnen auf der Kreuzung neben der Akademie am Schillerplatz. Das lodernde Schauspiel wirkte allerdings eher beschaulich denn so, als hätte es irgendwie mit Protest zu tun. Die brennende Mülltonne passte ebenso wenig ins Gesamtbild des Abends, wie die Sprüche und die Musik der Demo zu ihrem eigentlichen Anlass - und somit irgendwie doch wieder ganz gut. Genau so verwirrt, wie die Demo am Nachmittag wirkte, wirkten nun die brennenden Mülltonnen auf der Straße. Einige Schaulustige wurden dadurch von der Akademie zur Kreuzung gelockt, von Brandstiftern, "Revolutionären" oder sonstigen Aufmüpfigen keine Spur. Als nach einer ganzen Weile, schätzungsweise 20 bis 30 Minuten nach dem Ausbruch des Brandes (den ich nicht gesehen habe) traf ein Polizeiwagen ein, die Schaulustigen verschwanden. Nach und nach trafen weitere Polizisten ein. Erst als bereits an die 20 Polizisten mit mehreren Fahrzeugen vor Ort waren traf nun auch die Feuerwehr ein und löschte das letzte Häufchen brennenden Plastiks.

Fotos auf Twitpic: Brennende Mülltonne (1), Brennende Mülltonne (2), Gemenge in der Akademie, Feuerlöschung

Nach einer Weile beschließt die Polizei, in die Akademie zu gehen, was rasch heftiges "Haut ab"-Geschrei nach sich zieht. Zahlreiche Leute, die auf der Treppe vor der Akademie saßen, strömten nun in das Gebäude - ebenso strömten von innen Leute in das Foyer, wo die Polizei - was auch immer - suchte. Vermutlich Verantwortliche dieser Veranstaltung, da diese quasi rechtlich irgendwie zuständig sein müssten... Das ganze wirkte jedenfalls wie ein Stich in ein Wespennest, die Musik wurde abgestellt (vermutlich musste sie abgestellt werden), was natürlich noch mehr Leute ins Foyer lockte. Aufgrund des lauten Geschreis ("Haut ab") im Foyer rannten einige weitere Polizisten eifrig in das Gebäude um - was auch immer - zu tun. Also eigentlich nichts. Nach einer Weile aufgeregtem Gerede - worum es ging, kann man nur ahnen - geschah: nichts. Alle, bis auf einen Polizisten, zogen sich wieder vor das Gebäude zurück. Doch nach und nach trafen immer weitere Polizisten ein. Währenddessen ging an der anderen Kreuzung neben der Akademie ein weiterer Plastik-Container in Flammen auf. Die Feuerwehr wechselte ihre Position, eine Einsatzeinheit der Polizei rückte auf.

Mir wurde es ehrlich gesagt allmählich zu blöd - an Party war nicht mehr zu denken, die Polizei war offensichtlich nicht daran interessiert, diese unbehelligt weiterlaufen zu lassen. Konkrete Personen als Verdächtige auszuforschen, diese Mühe erwartet man sich von der Polizei ohnehin nicht. Also stand die Polizei einfach vor der Akademie herum, beobachtete einige aufgebrachte und sicher auch betrunkene Party-Gänger, wie sie sich durch die Polizei-Präsenz provozieren lassen, und nahmen dies sogleich als interne Begründung für das Anfordern weiterer Verstärkung.

Das war dann in etwa der Punkt als ich mich zum Nachhausegehen entschloss. Ich vermute, die Polizei wird nicht umsonst nach und nach auf 100 und mehr Einheiten aufgestockt haben und die Party wird nicht geräuschlos zu Ende gegangen sein. Aber das ist reine Spekulation. Was nach ca. 3:30 Uhr geschah (oder auch nicht), kann ich nicht sagen. Hier möcht ich nur mal den "Befreiungstag" bis dahin nachgezeichnet wissen, subjektiv interpretiert, wohlgemerkt. In den Presse-Aussendungen der Polizei, den davon abgeschriebenen APA-Meldungen und den davon abgeschriebenen Medienberichten werdet ihr allerdings keine objektiveren Angaben finden. Letztlich müsst ihr euch selbst die Mühe machen, Subjektives und Interpretation von den (berichteten, behaupteten) Fakten abzugrenzen und die Glaubwürdigkeit einschätzen, egal, ob es im ORF, in der Presse, im Standard, in der Krone, auf FM4, Ö3 oder hier berichtet wird.

Links

- Webseite der Befreiungsdemo
- Fotos von der Befreiungsdemo (by Daniel Weber / flickr)
- Fotos von der Trauerfeier der Burschenschaft Germania am Heldenplatz (by Martin Juen / flickr)
 
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